Nur noch wenige Gebiete in Syrien werden von den Rebellen gehalten, die gegen das Assad-Regime kämpfen. Dort konzentriert sich derzeit das Kampfgeschehen. Und es sind, wie nahezu immer in den vergangenen sieben Jahren, grausame Szenen, die sich dort abspielen. Flugzeuge des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad sowie seiner Verbündeten Russland und Iran fliegen auch im neuen Jahr wieder Luftangriffe auf Rebellengebiete: die Provinz um die Stadt Idlib im Nordwesten des Landes, in der rund zwei Millionen Menschen leben, sowie das von Regierungstruppen umzingelte Gebiet Ost-Ghuta mit rund 400.000 Bewohnern nahe der Hauptstadt Damaskus.
Tote, Verletzte und viel Leid im syrischen Bürgerkrieg
Wieder gibt es Tote, Verletzte und viel Leid. Die in London ansässige, der Opposition nahestehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Sonntag von mindestens 23 Toten in Idlib. Am Dienstag wurden 15 Tote in Ost-Ghuta gemeldet. Auf Fotos ist zu sehen, wie Mitarbeiter der Hilfsorganisation Weißhelme Verschüttete ausgraben, darunter auch Kinder. Andere können es kaum fassen, dass sie überlebt haben.
Die Regierungstruppen haben offenbar eine neue Initiative gegen die letzten Rebellengebiete gestartet, nachdem die IS-Terroristen vernichtend geschlagen wurden. Auf ihrem Vormarsch haben sie mehrere Dörfer eingenommen, Tausende Menschen sind auf der Flucht.
Bürgerkrieg in Syrien - wer den IS wirklich besiegt hat
Die wichtigsten Akteure im Syrien-Krieg
Im Syrien-Krieg gibt es verschiedene Akteure mit ganz unterschiedlichen Interessen.
Regierung: Anhänger von Präsident Baschar al-Assad beherrschen die großen Städte des Landes. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte die Rebellen aber dank massiver russischer und iranischer Hilfe in vielen Gebieten zurückdrängen, unter anderem aus der Großstadt Aleppo. Assad sitzt derzeit fest im Sattel.
Rebellen: Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten. Zu diesen gehören die mächtigen Gruppen Ahrar al-Scham und Dschaisch al-Islam. Moskau ist von seiner Forderung abgerückt, diese auf die Terrorliste zu setzen.
Politische Opposition: Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationale Koalition in Istanbul.
Islamischer Staat (IS): Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten weiterhin riesige Gebiete. Allerdings mussten die Extremisten in den vergangenen Monaten mehrere Niederlagen einstecken. Für sie und andere Terrorgruppen gilt die landesweite Waffenruhe nicht.
Al-Kaida: Auch die Al-Kaida-nahe Organisation Tahrir al-Scham (Ex-Al-Nusra-Front) ist von der Feuerpause ausgenommen. Sie kämpft mit anderen Rebellen um die Vorherrschaft im Nordwesten Syriens.
Kurden: Kurdische Streitkräfte beherrschen mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei. Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS und führen die Offensive auf die Dschihadisten-Hochburg Al-Rakka. Die Türkei betrachtet sie als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bekämpft sie deshalb.
Russland: Moskau ist wichtigster Verbündeter der Regierung. Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Sie richten sich gegen den IS ebenso wie gegen Rebellen, die mit der Terrormiliz verfeindet sind.
Iran: Teheran ist ein treuer Unterstützer der Assad-Regierung. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Auch die von Teheran finanzierte libanesische Schiitenmiliz Hisbollah sowie andere bewaffnete Gruppen sind in Syrien an Assads Seite im Einsatz.
Türkei: Sie ist mittlerweile der einflussreichste Partner der Rebellen. Ankara war neben Moskau maßgeblich daran beteiligt, dass es zu einer neuen Waffenruhe kam. Türkische Truppen sind in Nordsyrien im Einsatz, wo sie Rebellen im Kampf gegen den IS unterstützen.
USA und der Westen: Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Deutschland stellt unter anderem sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien und ein Flugzeug zur Luftbetankung. Der Einfluss des Westens auf den Konflikt ist aber wesentlich geringer geworden. (Quelle: dpa)
Der Sieg über den IS geht zum größten Teil auf das Konto kurdischer und arabischer Milizen, vereint in den Demokratischen Kräften Syriens. Sie wurden von den USA unterstützt und fungierten praktisch als Bodentruppe für die US-geführte Militärkoalition, die seit 2014 Luftschläge gegen den IS ausführt. Auch die Bundeswehr ist mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen und Tankflugzeugen an der Mission beteiligt. Die Maschinen starteten zunächst in der Türkei, wurden aber wegen des Streits um den Besuch deutscher Parlamentarier nach Jordanien verlegt.
Im Laufe des Jahres 2017 hat sich die Landkarte Syriens dramatisch verändert. Vom „Islamischen Staat“ ist praktisch nichts übrig geblieben. Nach Angaben der Militärkoalition verlor die Terrormiliz 98 Prozent der von ihr beherrschten Gebiete, darunter die Städte Palmyra, Rakka und Dair as-Saur. Von den zehntausenden Kämpfern, die der IS hatte rekrutieren können, versteckten sich nur noch weniger als 1000 in Dörfern und Wüstengebieten, teilte ein Sprecher der Militärkoalition mit. Die anderen seien „getötet oder gefangen“ worden. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass viele flohen und untergetaucht sind.
Geht auch dieser Bürgerkrieg nach einem Jahrzehnt zu Ende?
Auf Kosten des IS gewannen die kurdischen Milizen Territorien dazu, ebenso die Regierungstruppen. Gegen den IS zogen sie teilweise an einem Strang, doch ist ungeklärt, ob sie auf Dauer Verbündete oder Gegner sind. Landverluste mussten dagegen die Rebellen hinnehmen, die schon lange keine politische Einheit mehr darstellen. Die Freie Syrische Armee spielt keine tragende Rolle mehr. Dagegen hat die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehende islamistische Organisation Fatah al-Scham großen Einfluss in und um Idlib.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte im November in Sotschi im Beisein von Assad erklärt, nach den Erfolgen im Kampf gegen die Terroristen komme der Militäreinsatz nun „zu einem Ende“. Noch im Januar soll unter Putins Regie über eine Nachkriegsordnung für Syrien beraten werden. Große Teile der syrischen Opposition lehnen das Treffen in Sotschi allerdings ab.
Ob Frieden für Syrien in Reichweite ist? Die Geschichte lehrt: Nach einem Jahrzehnt gehen Bürgerkriege oft zu Ende. Dieser Zeitraum ist in Syrien beinahe schon ausgeschöpft.