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Brüssel: EU und Kanada unterzeichnen Freihandelsabkommen Ceta

Brüssel

EU und Kanada unterzeichnen Freihandelsabkommen Ceta

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    Kanadas Regierungschef Justin Trudeau (Mitte) zusammen mit Jean-Claude Juncker (links) und Donald Tusk in Brüssel.
    Kanadas Regierungschef Justin Trudeau (Mitte) zusammen mit Jean-Claude Juncker (links) und Donald Tusk in Brüssel. Foto: Stephanie Lecocq, dpa

    Für einige Augenblicke sah es am Sonntagmorgen so aus, als habe sich das Schicksal gegen Ceta verschworen. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der in Brüssel das Handelsabkommen mit der EU unterschreiben sollte, war gerade eine halbe Stunde in der Luft, als seine Maschine wegen eines technischen Defektes nach Ottawa zurückkehren musste. Das nutzten 250 Demonstranten vor dem Ratsgebäude in der belgischen Hauptstadt, um mit Farbbeuteln und lauten Parolen noch einmal gegen den Vertrag Stimmung zu machen.

    „Es ist ein großer Tag für Europa. Es ist ein großer Tag für Kanada. Wir sind froh, endlich hier zu sein“, sagte Ottawas Handelsministerin Chrystia Freeland, als die Delegation endlich in Brüssel angekommen war. Die Erleichterung war ihr anzusehen. Schließlich musste die kanadische Chef-Unterhändlerin während der innerbelgischen Streitereien um Ceta schon mal auf dem Weg zum Flughafen gestoppt werden, weil sie entnervt abreisen wollte.

    Doch an diesem Sonntag gab es nur große Worte. „Auftrag erfüllt“, zeigte sich Ratspräsident Donald Tusk zufrieden, der nach der Zustimmung der 28 EU-Regierungen am Freitag kurz vor Mitternacht gestern zusammen mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dem slowakischen Regierungschef Robert Fico als derzeitigem EU-Vorsitzenden für die europäische Seite den Vertrag unterschrieb.

    Fast alle Zölle sollen mit Ceta fallen

    99 Prozent aller Zölle sollen fallen, sobald das Europäische Parlament die Vereinbarung mit Kanada mutmaßlich im Dezember billigt. Beide Seiten wollen Markthindernisse abschaffen, um so die Wirtschaft anzukurbeln. Ohne bestehende Standards im Umweltbereich, beim Verbraucherschutz und in der Landwirtschaft aufs Spiel zu setzen. Streitfälle dürfen nicht mehr von dubiosen Geheimgerichten hinter verschlossenen Türen geregelt werden. Stattdessen soll ein internationaler Hof mit erfahrenen und unabhängigen Berufsrichtern gegründet werden. „Wenn wir nur die nationalen Gerichte nutzen, dann haben wir in Deutschland andere Kriterien bei Entscheidungen als in Rumänien oder Großbritannien“, begründete der wallonische Regierungschef Paul Magnette, der die Einigung tagelang aufgehalten hatte, sein Pochen auf eine ganz und gar neue Form der Handelsgerichtsbarkeit.

    Als die kurze Zeremonie am gestrigen Sonntag um 14.02 Uhr abgeschlossen wurde, konnte Handelsministerin Freeland ihre Euphorie nicht mehr zurückhalten: „We did it (wir haben es geschafft)“, rief sie laut aus und durchbrach den feierlichen Rahmen. „Ende gut, alles gut“, meinte Juncker nach der Unterzeichnung. Zumindest schien es so.

    Beide Seiten hatten sich offenbar darauf verständigt, die abgegriffene Redewendung vom historischen Augenblick nicht zu verwenden. Zu groß sind die Hindernisse, die noch überwunden werden müssen. Denn am 1. Januar 2017 dürfen, eine entsprechende Mehrheit in der europäischen Volksvertretung sowie dem kanadischen Parlament vorausgesetzt, nur die Handelsvereinbarungen in Kraft treten. Alles andere muss warten, bis alle zuständigen Parlamente in der EU ebenfalls zugestimmt haben. Das kann dauern. Ein Jahr hat man sich Zeit gegeben.

    Schulz: EU bei Ceta ihre Standards und Werte eingebracht

    Doch auf der EU lastet bereits die Frage, wie es weitergeht. Ceta setze hohe Sozial-, Umwelt- und Anti-Dumping-Standards, erklärte der wallonische Ministerpräsident Ma-gnette am Wochenende. Die EU werde kein Freihandelsabkommen mehr unterhalb dieses Niveaus abschließen können. „Das heißt, dass TTIP (die europäisch-amerikanische Variante, d. Red.), so wie es jetzt auf dem Tisch legt, tot ist, weil wir Wallonen es so niemals akzeptieren werden.“

    Das sehen nicht nur die frankofonen Belgier so, sondern auch die Sozialdemokraten in Deutschland, Frankreich und anderen Staaten. Noch wichtiger aber dürfte sein, dass Ceta Maßstäbe für weitere Abkommen setzt. Das gilt nicht zuletzt für die Verhandlungen mit Großbritannien. Parlamentspräsident Martin Schulz weist jedenfalls voller Stolz darauf hin, dass die EU bei Ceta ihre Standards und Werte eingebracht und verteidigt habe.

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