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Brexit: Perfide Machtspiele auf der Insel

Brexit

Perfide Machtspiele auf der Insel

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    Galt bislang als treuer Unterstützer von Boris Johnson: Überraschend gab auch Justizminister Michael Gove seine Kandidatur bekannt.
    Galt bislang als treuer Unterstützer von Boris Johnson: Überraschend gab auch Justizminister Michael Gove seine Kandidatur bekannt. Foto: (dpa)

    Intrigen und perfide Machtspiele in der Politik sind der Stoff der US-Serie „House of Cards“. Natürlich lagen in den vergangenen Tagen die Vergleiche mit Großbritannien nahe. Doch mittlerweile kann selbst Fiktion nicht mehr mit der Realität mithalten. Was sich seit dem Brexit-Votum auf der Westminster-Bühne abspielt, lässt jeden Beobachter nur mit Fassungslosigkeit zurück.

    Beide Parteien, sowohl die konservativen Tories als auch die Labour-Partei, zerfleischen sich selbst, anstatt endlich einen Plan für die Zukunft außerhalb der EU zu präsentieren und damit nicht nur ein völlig verunsichertes Volk zu beruhigen, sondern auch die gespaltene Gesellschaft zu versöhnen. Das entstandene Machtvakuum gefährdet die Stabilität des Landes noch mehr, als es der Brexit ohnehin schon tut.

    Der Königsmörder heißt Boris Johnson

    Die Hauptakteure des Dramas nannten sich alle einmal Freunde, stammen aus derselben Oberschicht, besuchten gemeinsam elitäre Bildungseinrichtungen: Noch-Premierminister David Cameron, Justizminister Michael Gove und der ehemalige Bürgermeister Londons, Boris Johnson. Sie haben aus persönlichen Karriere-Ambitionen in einem rücksichtslosen Machtkampf die Zukunft des Landes und das Wohl der Briten aufs Spiel gesetzt.

    Da ist David Cameron, der kurz nach dem Brexit-Ergebnis seinen Rücktritt angekündigt hat. Er hat das Referendum zu verantworten. Weil die Europagegner in den eigenen Reihen rebellierten, versprach er die Volksabstimmung. Nun geht er in die Geschichte ein als Premier, der wegen innerparteilichen Querelen die EU-Mitgliedschaft verzockt hat.

    Der Königsmörder heißt Boris Johnson. Erst als sich der rhetorisch versierte Redner als Wortführer auf die Seite der Austrittsanhänger geschlagen hat, stiegen deren Umfragewerte. Johnson wollte in die Downing Street einziehen: So wandelte er sich aus opportunistischen Gründen vom mutmaßliche Europafreund zum überzeugten Europagegner.

    In Großbritannien herrscht Chaos

    Fast wäre Johnsons Plan aufgegangen: Doch er hat offenbar nicht damit gerechnet, dass seine Kollegen ähnlich skrupellos agieren würden. Am Donnerstag kündigte Johnson an, doch nicht für den Vorsitz der Konservativen zu kandidieren. Das lag keineswegs allein an seiner schrumpfenden Beliebtheit. Johnson redet über alles und jeden, einen Nach-Brexit-Plan aber hatte er nicht.

    Den Todesstoß versetzte ihm Michael Gove. Der Mann, mit dem er die Briten Seite an Seite von einem EU-Austritt überzeugt hatte. Gove erklärte völlig überraschend, dass er sich für die Nachfolge Camerons auf den Parteivorsitz bewerben werde. Damit rammte er Johnson das Messer in den Rücken. Nun könnte Michael Gove tatsächlich Premierminister werden.

    Wegen der Tumulte bei den Konservativen geht fast unter, dass in der Labour-Partei eine veritable Revolte gegen den Vorsitzenden Jeremy Corbyn ausgebrochen ist. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der das Land eine starke Opposition dringend bräuchte, zerlegt sie sich selbst. Es ist tragisch mit anzusehen, welches Chaos auf der Insel herrscht. Das Polit-Establishment versagt im größten aller möglichen Krisenfälle auf ganzer Linie.

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