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Brexit: Gewinner und Verlierer des Brexit

Brexit

Gewinner und Verlierer des Brexit

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    Die Briten stimmen über den Brexit ab.
    Die Briten stimmen über den Brexit ab. Foto: Hannah Mckay (dpa)

    Die Briten haben sich entschieden. Und auch wenn das Endergebnis erst heute Vormittag feststehen wird, steht der größte Verlierer schon fest: Er heißt David Cameron. Der Premier hat mit seiner Entscheidung, ein Referendum anzusetzen, alles aufs Spiel gesetzt. „Ohne Not“ heraus, so monieren Beobachter, habe er gezockt, um die rebellischen Europa-Skeptiker in der eigenen konservativen Partei zu beruhigen.

    Sie fordern seit Jahren zumindest eine harte Hand gegenüber Brüssel, am liebsten gleich den Austritt aus der Union. Der Premier wollte mit der Volksabstimmung die interne EU-Frage lösen, die seit Jahrzehnten bei den Tories schwelt. Zudem dachte Cameron, er könne auf diese Weise den Aufstieg der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei Ukip bremsen. Das Ergebnis: Heute sind die EU-Feinde so stark wie nie.

    Cameron hat den EU-Feinden Schützenhilfe geleistet, indem er leichtfertig versprach, die Zahl der Einwanderer auf unter 100000 Menschen pro Jahr zu drosseln. Im Jahr 2015 kamen aber mehr als 330000, was die Austrittsbefürworter als Beweis anführen, die Regierung habe keine Kontrolle über die eigenen Grenzen. Niemand im politischen Betrieb Londons sieht für den Premier eine Zukunft – egal, wie das Ergebnis heute aussieht.

    Brexit: Boris Johnson ist einer der Gewinner

    Camerons prominentester Gegenspieler im EU-Drama war Boris Johnson. Er gehört in jedem Fall zu den großen Gewinnern. Der frühere Bürgermeister Londons, von Natur aus Clown, Schauspieler und grandioser Selbstvermarkter, hatte im Februar einigermaßen überraschend verkündet, er schlage sich „schweren Herzens“ auf die Seite der „Brexiteers“. Der Auftritt war perfekt orchestriert und inszeniert. Seitdem kämpfte der brillante Rhetoriker ein bisschen für den EU-Austritt, aber vor allem für sein eigenes Ziel, und das heißt „Nummer 10 Downing Street“, der Amtssitz des britischen Premiers. Johnson ist ein Opportunist und vom Ehrgeiz getrieben. Sein Ton wurde im Laufe der Brexit-Debatte zunehmend garstig, scharf und zynisch.

    Er empörte mit Hitler-Vergleichen und warb mit verdrehten Tatsachen. Oder er bog sich die Wahrheit eben in seinem Sinne zurecht. Gefährlich sei er, warnen Wegbegleiter. Doch dem „Leave“- Lager verlieh der Wortführer Profil, obwohl ihm Kollegen immer wieder mit Beweisen vorwarfen, er sei keineswegs ein EU-Gegner, habe das Lager aus reinem politischen Kalkül gewählt, um gegen Cameron anzutreten.

    All das prallte an „Boris“ ab. Fakt ist: Der nächste Vorsitzende der Tories wird nicht von der Bevölkerung, sondern von der konservativen Parteibasis bestimmt. Und die besteht in überwältigender Mehrheit aus EU-Skeptikern. Sie dürften den Wahlkampf von Johnson mit Wohlwollen beobachtet haben. Selbst bei einem Verbleib in der EU winkt ihm in der gespaltenen Partei zumindest ein Ministerposten.

    Wer verliert durch die Brexit-Debatte?

    Der neue Labour-Chef Jeremy Corbyn hat dagegen viel Ansehen eingebüßt. Lange fragten sich die Briten, ob der Altlinke überhaupt die Linie seiner Partei gegen einen Brexit verfolgte. Er habe sich nicht ausreichend und überzeugend für die Sache eingesetzt, hieß es. Und selbst als er in den Wahlkampf einstieg, nahm man dem Sozialisten, der in der Vergangenheit vor allem durch seine Kritik an der Gemeinschaft aufgefallen ist, einfach nicht ab, dass er plötzlich im Sinne Brüssels Werbung machte. Londons neuer Bürgermeister Sadiq Khan kritisierte den Labour-Chef scharf und festigte seine Position als alternative Stimme bei den Sozialdemokraten.

    Der 45-Jährige warb mit Leidenschaft für die Mitgliedschaft in der EU, traf den richtigen Ton der Labour-Anhänger, verbreitete eine positive Botschaft und stellte sich sogar in einer TV-Debatte Boris Johnson, den er für seine Art des Wahlkampfs scharf attackierte. Die Briten feierten Khan daraufhin über die Parteigrenzen hinweg. Manche sehen ihn bereits als neuen Spitzenkandidaten in der Labour-Partei.

    Lange sah auch Nigel Farage, Chef der rechtspopulistischen Ukip, wie ein Sieger aus. Obwohl er außer bei den Europawahlen nie Erfolg hatte, war der ständige Druck seiner Partei ausschlaggebend dafür, dass Cameron sich zu einem Referendum hinreißen ließ. Doch in den vergangenen Monaten sorgte Farage immer wieder für Empörung für seine als rassistisch geltende Polemik. Kommt es zum Brexit, wird das nicht ihm zugeschrieben. Bleibt es beim Status quo, wird ihm die Schuld gegeben.

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