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Brexit: Boris Johnson will nicht britischer Premierminister werden

Brexit

Boris Johnson will nicht britischer Premierminister werden

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    Bewirbt sich nicht um die Cameron-Nachfolge: Der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson.
    Bewirbt sich nicht um die Cameron-Nachfolge: Der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson. Foto: Stringer (dpa)

    An diesem Vormittag reihte sich eine Eilmeldung an die andere, aber wie so oft war es Boris Johnson, der mit seinem Auftritt die Pointe setzte: Der Ex-Bürgermeister Londons bewirbt sich völlig überraschend nicht um die Nachfolge des scheidenden Premierministers David Cameron.

    Das gleich zu Beginn seiner Rede zu sagen, hätte aber nicht zum Selbstdarsteller Johnson gepasst. Vielmehr erzählte der 52-Jährige zunächst mit vielen Ausschmückungen, wie er sich Großbritannien nach dem Brexit-Votum vorstellt, dass Immigration kontrolliert werden müsse und natürlich lobte er seine Arbeit als ehemaliges Oberhaupt der Metropole. Die Agenda des nächsten Regierungschefs müsse davon bestimmt sein, das Königreich zu einer weltoffeneren Nation zu machen, das seine Beziehung zu Europa neu regle, meinte er.

    Doch wer sollte diese Aufgabe übernehmen? „Ich bin zu dem Schluss gekommen, diese Person kann nicht ich sein.“ Die Insel hatte ihre Schlagzeile. Immerhin war Johnson der prominenteste Wortführer des „Leave“-Lagers, galt als Favorit um die Nachfolge des scheidenden David Cameron. Nachdem der für seine Volksnähe gefeierte Politiker in die Kampagne eingestiegen war, kletterten die Umfragewerte der EU-Gegner stetig nach oben. Bis zum Brexit.

    Boris Johnson war zuletzt abgetaucht

    Doch seit dem Votum war Johnson abgetaucht. Nur zwei Mal ließ er sich kurz blicken. Am Montag malte er sich seine ganz eigene Wirklichkeit aus, indem er bekannt gab, im Grunde werde alles so bleiben wie zuvor. Das eigentlich Erstaunliche war aber sein Auftritt auf der Pressekonferenz nach dem Brexit-Votum, als er nicht nur wegen seiner ungekämmten Haare wie ein begossener Pudel aussah. Präsentiert sich so ein Gewinner, der während des Wahlkampfs noch an der Spitze der EU-Gegner für den britischen Unabhängigkeitstag gekämpft hatte? Sein Auftritt bestätigte all jene Beobachter, die Johnson immer wieder als Opportunisten kritisierten, der im Herzen doch ein EU-Freund sei und sich nur aus persönlichen Karriere-Ambitionen auf die Seite der „Brexiteers“ geschlagen habe.

    Doch selbst seinem engsten Kollegen im Klub der Brexiteers fehlte das Vertrauen in Boris Johnson. Justizminister Michael Gove kündigte gestern, ebenfalls überraschend, seine Bewerbung um den Konservativen-Vorsitz an. Zuvor war er als treuer Unterstützer hinter Johnson gestanden, nun stieß er ihm das Messer in den Rücken. Der in der Partei bestens vernetzte Gove ließ wissen, er glaube nicht, dass Johnson die Führung übernehmen und das Team für die kommenden Aufgaben aufbauen könne. Das zeigte, wie gespalten nicht nur das Land, die Gesellschaft und die Parteien sind, sondern dass die Gräben selbst im Lager der Europa-Gegner kilometertief sind.

    Theresa May könnte vom Rückzieher von Boris Johnson profitieren

    Davon profitieren könnte Theresa May. Aktuellen Umfragen zufolge erhält sie die größte Zustimmung unter den Parteimitgliedern, die mehrheitlich europaskeptisch eingestellt sind. Sie stimmen am Ende für einen der beiden übrig gebliebenen Kandidaten ab. May zählte zwar offiziell zu den EU-Befürwortern, aber so stimmte sie nur aus Loyalität zu Cameron ab. Denn die 59-Jährige profilierte sich in der Vergangenheit mit einer äußerst europaskeptischen Haltung. May ist seit sechs Jahren Innenministerin, und allein diese Tatsache wird ihr als großer Erfolg angerechnet. Der Posten gilt eigentlich als Schleudersitz.

    Kann sie Premierministerin? Die Tochter eines anglikanischen Vikars wird als kühl, detailversessen, extrem fleißig und scharfsinnig beschrieben. Während ihre männlichen Kollegen in den Pubs in Westminster noch das eine oder andere Feierabendbier genießen, hält sich die Unnahbare aus Tratsch und Klatsch heraus, gilt als streng und unbequem. „What you see is what you get“ lautet ihr Motto. „Das, was Sie sehen, bekommen Sie auch.“

    Viele erkennen bereits jetzt Parallelen zu Margaret Thatcher, und das nicht nur, weil auch May ein modisches Accessoire zu ihrem Markenzeichen machte: Ob in Leoparden-Optik, aus Schlangenleder, mit Strass besetzt oder kniehoch: May besitzt ein Faible für auffällige Schuhe – und keine Beschreibung von ihr kommt ohne Erwähnung des Schuhwerks aus.

    Ob sie auf High Heels demnächst in die Downing Street Nummer zehn spaziert? Am 9. September soll der neue Parteivorsitzende und damit der neue Premierminister feststehen – oder die neue Vorsitzende und die neue Premierministerin.

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