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Brandenburg: Ministerpräsident Platzeck: „Ich hatte einen Schutzengel“

Brandenburg

Ministerpräsident Platzeck: „Ich hatte einen Schutzengel“

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    Unter Druck: Matthias Platzeck musste zuletzt einiges aushalten. Er stieß an seine körperlichen Grenzen – nicht zum ersten Mal.
    Unter Druck: Matthias Platzeck musste zuletzt einiges aushalten. Er stieß an seine körperlichen Grenzen – nicht zum ersten Mal. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Andere würden an seiner Stelle jetzt einen Gang zurückschalten – Matthias Platzeck aber denkt gar nicht daran. Keine zwei Wochen nach seinem Schlaganfall tritt der brandenburgische Ministerpräsident morgen wieder zum Dienst in der Staatskanzlei an. Die Sehstörungen, die er anfangs hatte, seien verschwunden, erzählt der 59-Jährige in entwaffnender Offenheit. Nur mit einem kleinen Handicap kämpft er noch: Er könne zwar wieder gut laufen, sagt er. „Ich habe aber noch einen leichten Linksdrall.“

    Sich weiter schonen oder den für Juli geplanten Urlaub vorziehen will Platzeck auf keinen Fall. Es gebe da, sagt er in einem Gespräch mit der Märkischen Allgemeinen, noch einige Dinge zu erledigen. Die Jahrestagung der deutsch-russischen Freundschaftsgruppe des Bundesrates zum Beispiel, deren Vorsitzender er ist – oder die Inbetriebnahme des Frachtzentrums am Flughafen in Schönefeld. Erst danach will Platzeck es etwas ruhiger angehen lassen. Die Frage, ob er nicht den einen oder anderen Posten abgeben soll, hat er sich offenbar nicht gestellt. Sein Ziel sei es, sagt er, „wieder einhundertprozentig fit“ zu werden.

    Platzeck ernährt sich gesund und läuft regelmäßig

    Chronologie: Der harte Weg zum Hauptstadt-Flughafen

    Dezember 1991: Gründung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg.

    Januar 1992: Beginn der Planungen für den Flughafen mit dem Projektnamen Berlin Brandenburg International, BBI.

    Juni 1996: Die Gesellschafter entscheiden sich für den Ausbau des Flughafens Schönefeld und die Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof.

    August 2004: Zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens gibt der Planfeststellungsbeschluss grünes Licht: Der BBI darf unter Auflagen gebaut werden. Im Oktober reichen tausende Gegner beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Klagen ein.

    April 2005: Das Gericht gibt Eilanträgen mehrerer Anwohner statt und verhängt einen weitgehenden Baustopp bis zu seiner endgültigen Entscheidung. Zulässig sind nur Bauvorbereitungen.

    März 2006: Das Gericht genehmigt in letzter Instanz den Bau des BBI unter verschärften Lärmschutzauflagen.

    Juli 2008: Erster Spatenstich für das Flughafen-Terminal.

    Oktober 2008: Nach 85 Jahren schließt der Flughafen Tempelhof.

    Oktober 2009: Das Brandenburger Verkehrsministerium erlässt eine neue Nachtflugregelung: Keine Starts und Landungen von Mitternacht bis 5.00 Uhr, Ausnahme Post- und Regierungsmaschinen, Notfälle. In den Randzeiten davor und danach ist die Zahl begrenzt.

    Juni 2010: Wegen der Pleite einer Planungsfirma und verschärften Sicherheitsbestimmungen wird die für November 2011 geplante Eröffnung des Flughafens auf den 3. Juni 2012 verschoben.

    September 2010: Die Deutsche Flugsicherung legt einen ersten Flugrouten-Vorschlag vor. Tausende Betroffene gehen dagegen auf die Straße. Es gibt neue Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss.

    Oktober 2011: Das Bundesverwaltungsgericht gibt grünes Licht für nächtliche Flüge in den Randzeiten. Der Airport kann ohne weitere Einschränkungen an den Start gehen.

    Januar 2012: Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung legt die Flugrouten fest und folgt im wesentlichen einem Vorschlag der Fluglärmkommission aus Gemeinde- und Airline-Vertretern. Am Müggelsee geht der Protest weiter. Initiativen kündigen weitere Klagen an.

    Mai 2012: Vier Wochen vor dem Termin wird wegen Problemen die Eröffnung des Flughafens wieder abgesagt. In der darauffolgenden Woche verschiebt der Aufsichtsrat die Eröffnung auf den 17. März 2013. Chef-Planer Manfred Körtgen wird entlassen.

    Juni 2012: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet, dass die Anwohner des Flughafens ein Recht auf besseren Schallschutz haben. Für die Betreiber bedeutet das: wieder zusätzliche Kosten.

    22. Juni 2012: Der Aufsichtsrat entscheidet, den Starttermin 17. März erneut zu prüfen und im August darüber zu entscheiden. Der Airport soll gut eine Milliarde Euro teurer werden als geplant und insgesamt mehr als vier Milliarden Euro kosten.

    3. September 2012: Der Eröffnungstermin muss zum nunmehr dritten Mal verschoben werden. Neuer Termin ist der 27. Oktober 2013.

    6. Januar 2013: Die Eröffnung des Flughafens wird erneut verschoben. Der Flughafen wird frühestens 2014 in Betrieb gehen, eventuell erst 2015.

    7. Januar 2013: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seinen Posten übernimmt am 16. Januar Matthias Platzeck.

    Als der Ministerpräsident Anfang vergangener Woche in eine Potsdamer Klinik eingeliefert worden war, hatte sein Sprecher das zunächst noch eher beiläufig mit Kreislaufproblemen erklärt. Inzwischen weiß man: Es war ein leichter Schlaganfall. „So etwas kommt meist, wenn man nicht damit rechnet“, sagt Platzeck. Und auch wenn er regelmäßig laufe, sich gesund ernähre und nicht dick sei, seien die letzten Monate doch „sehr dicht“ gewesen. Kurz: „Es kam vieles zusammen.“ Der ständige Stress mit dem neuen Großflughafen für Berlin und Brandenburg, dazu noch das Hochwasser, der beginnende Bundestagswahlkampf: Auch der belastbarste Berufspolitiker lernt in solchen Situationen seine Grenzen kennen.

    Am Tag vor seinem Schlaganfall hatte Platzeck die Hochwasseropfer in der Prignitz besucht, ehe er am Abend noch zu Gast in Günther Jauchs großer Spendenshow in der ARD saß. War das am Ende einer strapaziösen Woche einmal mehr der berühmte Tick zu viel?

    „Ich hatte wohl einen Schutzengel.“ Matthias Platzeck weiß nicht erst seit gestern, wovon er redet. Nach einer schweren Grippe, zwei Hörstürzen und einem Kreislaufkollaps hatte er im April 2006 sein Amt als SPD-Vorsitzender nach nur 147 Tagen auf Anraten seiner Ärzte wieder niederlegen müssen. „Ich habe meine Kräfte überschätzt“, räumte er damals ein. Offenbar war die Doppelbelastung als Ministerpräsident und Parteichef zu groß. Seitdem wurde und wird immer mal wieder über seinen Gesundheitszustand und seine Belastbarkeit spekuliert, zumal Platzeck Anfang des Jahres als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft auch noch ein Amt mit eingebauter Stressgarantie übernommen hat.

    Im April bereits Israel-Reise abgesagt

    Dass er zur Wahl im nächsten Jahr noch einmal antritt, gilt in Potsdam als sicher – der populäre Ministerpräsident ist das einzige Zugpferd, das die Landes-SPD hat. Ob Platzeck aber noch einmal eine komplette Legislaturperiode von fünf Jahren absolviert, bezweifeln viele Genossen inzwischen - schließlich ist die kurze Auszeit, zu der ihn der kleine Schlaganfall gezwungen hat, nicht die erste in diesem Jahr. Im April musste Platzeck wegen einer Virusgrippe bereits eine Israel-Reise absagen, wenige Wochen später setzte ihn ein Hexenschuss nach einem Sportunfall außer Gefecht. Um seine Gesundheit, beteuerte er auch damals schon, müsse man sich keine Sorgen machen. In den vergangenen beiden Jahren habe er insgesamt nur acht Tage wegen Krankheit gefehlt.

    Offenbar hat sich der sonst so nachdenkliche und selbstkritische Platzeck inzwischen für die Strategie entschieden, nur ja keine Schwäche zu zeigen und lieber über die exzellente medizinische Betreuung in der Klinik zu reden als über den Stress im Amt und seine Folgen. Bei seinem Rücktritt als SPD-Chef klang das noch ganz anders: „Ich musste die Signale, die mein Körper ausgesendet hat, respektieren.“

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