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Großbritannien: Boris Johnson muss nun als Premierminister liefern

Großbritannien

Boris Johnson muss nun als Premierminister liefern

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    Boris Johnson ist der 14. neue Premierminister, dem Königin Elizabeth II. den Regierungsauftrag erteilt. Der Erste hieß Winston Churchill.
    Boris Johnson ist der 14. neue Premierminister, dem Königin Elizabeth II. den Regierungsauftrag erteilt. Der Erste hieß Winston Churchill. Foto: Victoria Jones, dpa.

    Es war diese eine Warnung, die Boris Johnson offenbar so sehr gefallen hat, dass er sie gleich zwei Mal in seine Antrittsrede vor seinem Amtssitz in der Downing Street einbaute. All jene, die gegen Großbritannien wetteten, würden ihr letztes Hemd verlieren. All jene, das seien die „Zweifler“, die „Pessimisten“, wie er sie nannte – er spielte auf seine Kritiker an, die nicht nur auf der Insel in großer Zahl zu finden sind. Doch nun hat der ehrgeizige Konservative es ihnen zumindest vorerst gezeigt: Boris Johnson wurde von Königin Elizabeth II. zum neuen Premierminister des Vereinigten Königreichs ernannt.

    Wie als Vorbote aber auf die Schwierigkeiten, die auf den umstrittenen Brexit-Hardliner zukommen dürften, könnten sich die lauten Buhrufe erweisen, die seine Ansprache an die Nation begleiteten. Sie stammten von den Protestlern, die sich schon den ganzen Tag vor dem Gitter zur Downing Street versammelt hatten. Und auch schon Johnsons Vorgängerin Theresa May in ihrer kurzen Abschiedsrede als Regierungschefin an derselben Stelle vor der berühmten schwarzen Tür mit der Nummer zehn stören sollten. Als „große Ehre“ hatte sie es am Nachmittag bezeichnet, dem Volk als Premierministerin gedient zu haben. Sie habe versucht, einen funktionierenden Brexit zu erreichen.

    Gerade als May zum Schluss kommen wollte und ihrem Ehemann Philip für dessen Unterstützung während ihrer Amtszeit dankte, wurde sie von einem lauten „Stop Brexit“ unterbrochen. Die Stimme des proeuropäischen Aktivisten Steve Bray, der sich durch seine Dauer-Anwesenheit vor dem Westminster-Palast fast schon zu einer Marke auf der Insel entwickelt hat, hallte von der Straße in Richtung May. Die Antwort fiel kurz und emotionslos aus: „Ich denke nicht.“ Für die 61-jährige Theresa May hatte die Amtszeit vor drei Jahren nach dem schicksalhaften Referendum mit dem Thema Brexit begonnen. Nun übernimmt Johnson.

    Queen ernennt Boris Johnson zum Premierminister

    Es war ein historischer Tag, wieder einmal. Im Buckingham-Palast reichte May bei Königin Elizabeth II. formal ihr Rücktrittsgesuch ein und empfahl ihren Nachfolger. Was Ihre Majestät wirklich über die vergangenen Monate denkt, die von Krisen und Abstimmungsdramen im Parlament bestimmt waren, soll ihr Geheimnis bleiben. Sie hält sich stets aus der aktuellen Politik heraus.

    Kurz darauf erschien Johnson zur ersten Audienz im Palast. Zum 14. Mal während ihrer Zeit auf dem Thron ernannte die Queen einen neuen Regierungschef. Der Erste hieß Winston Churchill, das war im Jahr 1953. Im Hofbericht über das Treffen zwischen der 93-jährigen Königin und dem 55 Jahre alten Johnson dürfte wie immer stehen: „Der Premierminister hat bei der Ernennung die Hände der Königin geküsst.“

    Die Briten bezeichnen die Zeremonie als „Kissing hands“ – ein Begriff, der aus dem Mittelalter stammt. Doch anders als zu früheren Empire-Zeiten, als Premierminister noch als Zeichen der Unterwerfung und Loyalität zur Krone niederknieten und den royalen Kuss gaben, genügt heute ein Handschlag zwischen der Monarchin und dem neuen Regierungschef. Auf diese Weise beauftragte das Staatsoberhaupt auch diesmal den Premierminister Johnson mit der Regierungsbildung.

    Wechsel bei den Ministern in Großbritannien

    Und die wurde für den Abend mit Spannung erwartet, nachdem vieles darauf hindeutete, dass der Neu-Premier ein Kabinett formen würde, das vornehmlich aus Europaskeptikern besteht. Johnson weiß, dass es die Zeit nicht zulässt, sich langsam im neuen Heim einzurichten. Der offizielle Brexit-Stichtag ist der 31. Oktober. Und er wiederholte sein Versprechen, Großbritannien werde auch im Falle eines No Deals spätestens zu diesem Termin aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. Man wünsche zwar keinen Brexit ohne Austrittsabkommen. Trotzdem werde er sein Land auf diese „entfernte Möglichkeit“ vorbereiten. Aber seine Regierung werde „einen neuen Deal, einen besseren Deal“ erreichen. Johnson verkaufte sich als Ober-Optimist der Nation. „Ich habe jedes Zutrauen, dass wir das in 99 Tagen schaffen.“

    Auch wenn der EU-Austritt ganz oben auf der Agenda steht, ist die Liste der weiteren Aufgaben lang. Tiefe Risse ziehen sich durch die Gesellschaft des Königreichs. Johnson muss nicht nur seine eigene Partei befrieden, sondern auch das Land einen. Es wird neben dem Brexit die größte Herausforderung werden. Während die Nation das Schauspiel des Machtwechsels verfolgte, verkündete unterdessen ein Minister nach dem anderen seinen Rücktritt. Finanzminister Philip Hammond, Justizminister David Gauke, Entwicklungshilfeminister Rory Stewart und Außenminister Jeremy Hunt gaben nacheinander ihre Posten auf, nachdem May im Parlament ihre letzte Fragestunde abgehalten hatte. Als Zeichen des Protests gegen den Neu-Premier, der selbst einen chaotischen EU-Austritt nicht ausschließen will, verließen sie die Regierung, noch bevor Johnson übernommen hatte.

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