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Besuch in Peking: Chinesen zensieren Angela Merkels Terminkalender

Besuch in Peking

Chinesen zensieren Angela Merkels Terminkalender

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    Angela Merkel zu Besuch in China.
    Angela Merkel zu Besuch in China.

    Peking Es sollte ein vertrauliches Gespräch in einem abhörsicheren Raum der deutschen Botschaft werden: Von einem der mutigsten chinesischen Anwälte und einem der kritischsten Journalisten will Bundeskanzlerin Angela Merkel sich erklären  lassen,  wie es in China um die Menschenrechte steht. Wenige Stunden vorher hatte ihr Premierminister Wen Jiabao versichert, dass die Situation immer besser werde: Noch nie hätten die Chinesen mehr Wohlstand, höhere Bildung und größere Rechtssicherheit genossen.

    China: Zensur der Medien

    Passt das zusammen mit Nachrichten über eine verschärfte Verfolgung von Kritikern, rigide Zensur der Medien und brutale Unterdrückung von Protesten? Den Beweis, dass derartige Berichte keineswegs nur die Erfindung böswilliger westlicher Medien sind, wie in Peking gern behauptet wird, erbringt die Kommunistische Partei schließlich selbst: Statt zwei Gesprächspartnern sitzt Merkel nur einem gegenüber, dem Journalisten Wu Si, Chefredakteur der Zeitschrift Yanhuang Chunqiu.

    Merkels Besuch: Polizisten hielten Anwalt in Büro fest

    Den Juristen Mo Shaoping, zu dessen Mandanten unter anderem der inhaftierte Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gehört, haben Polizisten dagegen in seinem Büro festgehalten. „Man sagte mir, dies sei notwendig zur Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität“, sagt Mo am Freitag am Telefon und muss laut lachen. „Damit demonstriert die Regierung doch bloß, wie groß die Missstände sind.“ Auf die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage ihm der Besuch in der Botschaft verboten werde, habe er die Antwort erhalten: „Es gibt keine gesetzliche Grundlage, aber unsere Vorgesetzten verlangen es so.“ Vor dem 18. Parteikongress im Herbst, bei dem eine neue Führungsgeneration die Macht übernehmen soll, dürften keine abweichenden Meinungen verbreitet werden. Die Beamten hätten ihn inständig gebeten, mit ihnen zu kooperieren, erzählt Mo. „Sie sagten: Wenn wir unsere Aufgabe nicht gut machen, verlieren wir unseren Job.“

    Der Fall zerstört die harmonische Inszenierung, die Pekings Diplomaten sich für Merkels fünften China-Besuch vorgenommen hatten. Am Donnerstag hatte Wen Jiabao den Europäern neue Hoffnung auf chinesische Unterstützung bei der Euro-Rettung gemacht. Am Freitag begleitete der Regierungschef die Kanzlerin ins südchinesische Guangzhou (Kanton), wo Termine mit der deutschen und chinesischen Wirtschaft auf dem Programm standen. Außerdem kündigte Wen einen Deutschland-Besuch anlässlich der Hannover-Messe im April an, und Ende des Jahres soll in China die zweite gemeinsame Kabinettssitzung stattfinden.

    Treffen mit einem Experten für die Machtstrukturen in der KP

    Der Umgang mit Mo löste in Merkels Delegation umso größeres Kopfschütteln aus – zumal Peking bei seiner Zensur von Merkels Terminkalender nicht einmal konsequent vorging. Denn mit dem Journalisten Wu Si hatte die Kanzlerin einen Gesprächspartner, der Chinas Missstände nicht weniger scharf analysiert. Der 54-Jährige gilt als Experte für die internen Machtstrukturen der KP. Seine Monatszeitschrift Yanhuang Chunqiu ist ein Leitorgan des Reformflügels und bemüht sich um die posthume Rehabilitierung des totgeschwiegenen Parteichefs Zhao Ziyang, der 1989 geschasst wurde, weil er den Schießbefehl gegen die Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens nicht mittragen wollte.

    In einem Telefonat bestätigte Wu sein Treffen mit Merkel, ohne auf den Gesprächsinhalt einzugehen. „Ich kann aber sagen, dass Frau Merkels Fragen ausgesprochen tief gehend waren und zeigen, dass sie sich sehr intensiv mit China beschäftigt“, sagte Wu.

    Ursprünglich hatte Merkel für Samstagmorgen auch noch einen Besuch der Wochenzeitung Nanfang Zhoumo, Chinas kritischstem Massenblatt, angedacht. Dann war er aus dem Programm gestrichen worden – offiziell werden Terminproblemen, doch in Diplomatenkreisen wird darüber spekuliert, ob nicht eine Order aus Peking die Visite verhindert haben könnte.

    Bevor Merkel am Samstag nach Deutschland zurückfliegt, trifft sie noch den katholischen Bischof Gan Junqiu, einen der wenigen Geistlichen, die vom Vatikan und von der chinesischen Staatskirche anerkannt werden, sowie den Parteichef der Provinz Guangdong, Wang Yang. Der für seinen Populismus bekannte Wang gilt als einer der möglichen politischen Aufsteiger des im Herbst anstehenden Machtwechsels und könnte in den innersten Machtzirkel, den Ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei, befördert werden.

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