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Berliner Baustellen: Die Koalition der Konflikte

Berliner Baustellen

Die Koalition der Konflikte

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    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit Wirtschaftsminister und FDP-Chef Rösler im Bundestag: In der Koaltion gibt es selbst ein Jahr vor der Bundestagswahl immer noch zahlreiche Baustellen.
    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit Wirtschaftsminister und FDP-Chef Rösler im Bundestag: In der Koaltion gibt es selbst ein Jahr vor der Bundestagswahl immer noch zahlreiche Baustellen. Foto: dpa

    Eigentlich ist Philipp Rösler ja ein eher zurückhaltender, geduldiger Mensch – es sei denn, das Gespräch dreht sich um die Energiewende und ihre Kosten. „Die Zeit der Konsensrunden ist vorbei“, schimpft er dann. „Angesichts der Entwicklungen wundere ich mich über die Zögerlichkeit der Union.“ Dass Umweltminister Peter Altmaier von der CDU es mit der Reform des gegenwärtigen Fördersystems nicht gerade eilig hat und die Strompreise immer weiter steigen, fuchst den FDP-Vorsitzenden gewaltig. Energie müsse für alle bezahlbar bleiben, verlangt er. Im Gegenzug zur Erhöhung der sogenannten EEG-Umlage, mit der die Endverbraucher den Ausbau der alternativen Energien subventionieren, will er die Stromsteuer senken.

    Ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl wird die Liste der parteipolitisch gefärbten Wünsche und unerledigten Themen damit immer länger anstatt kürzer. Wie bei der Energiepolitik haben sich Union und FDP fast überall so ineinander verhakt, dass selbst erfahrene Abgeordnete sich fragen, wie die Koalition aus diesem Dilemma wieder herauskommen will. Viele Konflikte, klagt ein einflussreicher Liberaler, hätten bereits so ein Ausmaß erreicht, dass sie nur noch von den Parteivorsitzenden selbst aus der Welt geschafft werden könnten.

    Eigentlich ist dazu der sogenannte Koalitionsausschuss da, in dem neben Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler auch die Fraktionsvorsitzenden und die Generalsekretäre von Union und FDP sitzen. Der aber hat im Frühjahr zum letzten Mal getagt und sich bisher vor allem als Debattierklub erwiesen, in dem viel geredet, wenig entschieden und vor allem nichts diskret behandelt wird. Teilweise informierten Teilnehmer die Journalisten zuletzt noch aus den Sitzungen heraus per SMS über den Verhandlungsstand. Ein für den vergangenen Freitag geplantes Treffen der Partei- und Fraktionschefs wurde nach Informationen des Spiegels kurzfristig wieder abgesagt.

    Neben Klassikern wie dem Betreuungsgeld und dem Streit um das Speichern von Daten auf Vorrat befehden sich die Koalitionäre mittlerweile auch bei Themen, die bis vor kurzem noch gar nicht auf der Tagesordnung standen oder schon fast aus der Welt geschafft schienen. Im Asylrecht zum Beispiel drängt Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf ein schnelleres Abschieben von abgelehnten Bewerbern – während die FDP andere Schwerpunkte setzt und das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufheben will. Auch von Friedrichs Forderung, bei der Hilfe stärker auf Sachleistungen zu setzen, hält sie nicht viel. „Geldleistungen sind sinnvoller“, sagt der Arbeitsmarktexperte der Liberalen, Hartfried Wolff.

    In der Gesundheitspolitik sieht es so aus, als könnte sich die Kanzlerin für die von der FDP geforderte Abschaffung der Praxisgebühr erwärmen. Ihre eigenen Gesundheitspolitiker dagegen verteidigen sie weiter als „angemessene Form der Selbstbeteiligung“. Erster Auftritt für Kanzlerkandidat Steinbrück

    Während die SPD nach der Nominierung ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in den ersten Umfragen wieder auf Werte über 30 Prozent geklettert ist, treten die Regierungsparteien im politischen Tagesgeschäft auf der Stelle. Beim Betreuungsgeld wird es zwar eine Einigung geben – wie die aussehen soll, ist kurz vor dem Parteitag der CSU aber noch völlig unklar.

    Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung dagegen spielen beide Seiten auf Zeit: Obwohl die EU-Kommission darauf besteht, dass Telefon- und Internetdaten sechs Monate lang gespeichert werden, ist Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger trotz eines drohenden Bußgeldbescheides nicht bereit, auf diese auch von Friedrich vertretene Linie einzuschwenken. Vom Innenminister wiederum heißt es, er könne damit gut leben – in einer Großen Koalition nach der Bundestagswahl wäre der Streit um die Daten schnell in seinem Sinne geklärt. Ähnlich verhält es sich mit Ursula von der Leyens Rentenreform, die die FDP ablehnt: Auch hier sind die Schnittmengen zwischen Union und SPD deutlich größer als mit den Liberalen.

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