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Berlin: Verbot von Corona-Demos: Bürgermeister unterstützt die Entscheidung

Berlin

Verbot von Corona-Demos: Bürgermeister unterstützt die Entscheidung

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    Ohne Abstand und ohne Mundschutz stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen in Berlin. Das will der Berliner Innensenator in Zukunft verhindern.
    Ohne Abstand und ohne Mundschutz stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen in Berlin. Das will der Berliner Innensenator in Zukunft verhindern. Foto: Christoph Soeder, dpa (Archiv)

    Die Bilder sind vielen Menschen im Land noch in guter Erinnerung: Anfang des Monats versammelten sich Tausende Menschen in Berlin, um gegen die Corona-Politik der Bundesregierung zu demonstrieren. Weil sie keine Masken trugen und die Abstandsregeln ignorierten, löste die Polizei die Kundgebung auf. Am Samstag hätte es in Berlin-Mitte nun eine Neuauflage geben sollen. Doch die zuständige Behörde schob der „Versammlung für die Freiheit“ und weiteren kleineren Demos per Verbot einen Riegel vor. Vorläufig zumindest, denn die Veranstalter haben gerichtliche Schritte angekündigt.

    Die Berliner hatten sich bereits auf einen weiteren ungemütlichen Tag mit Straßensperren, krakeelenden Kundgebungsteilnehmern und massiver Polizeipräsenz eingerichtet. Das Demonstrationsverbot kam da einigermaßen unerwartet. Der zuständige Innensenator Andreas Geisel, ein eher gemütlicher Typ mit Pausbacken und bravem Scheitel, verteidigte die Entscheidung konsequent. Man habe wie auch schon am 1. August damit rechnen müssen, dass am Samstag „wieder ganz bewusst gegen den Infektionsschutz verstoßen worden wäre“. Das Verbot sei deshalb „keine Entscheidung gegen das Versammlungsrecht, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz“, sagte der SPD-Politiker.

    Corona-Demo in Berlin: Innensenator will das Verbot auch vor Oberverwaltungsgericht durchsetzen

    „Versammlungsfreiheit bedeutet ja nicht, dass man bewusst gegen geltendes Recht verstoßen darf“, erklärte Geisel. Angesichts steigender Infektionszahlen in Berlin und in ganz Deutschland sei eine Versammlung von Menschen, „von denen wir sicher ausgehen können, dass sie gegen Infektionsschutzauflagen verstoßen wollen“, ein zu hohes Risiko.

    Die Verantwortlichen in Berlin wollen das Demo-Verbot am Wochenende mit Tausenden Polizisten durchsetzen, wie Geisel betonte. Beamte aus anderen Bundesländern sollen ihre Berliner Kollegen unterstützen. Möglicherweise müssen sie am Ende aber doch die Anti-Corona-Demo absichern, denn die Stuttgarter Initiative „Querdenken 711“ hat juristische Schritte angekündigt und will das Bundesverfassungsgericht anrufen.

    Man gehe davon aus, dass man demonstrieren werde, hieß es von den Veranstaltern. Unterstützung erhielten sie von der AfD im Bundestag. Zur größten Kundgebung am Wochenende hatte die Initiative für Samstagnachmittag 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet.

    Demonstration vom 1. August soll sich nicht wiederholen

    Die Polizei verbot insgesamt zehn Demonstrationen und Kundgebungen von verschiedenen Querdenken-Initiativen und privaten Anmeldern am Freitag, Samstag und Sonntag. Ob die große Demonstration am Samstag stattfindet oder nicht, wird voraussichtlich ein Gericht erst kurz vorher entscheiden. Die Polizei ist nach eigenen Angaben auf alle möglichen Varianten vorbereitet. Ein Sprecher des Innensenators kündigte an, man werde auch vor das Oberverwaltungsgericht ziehen, um das Verbot durchzusetzen.

    Am 1. August waren in Berlin Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Weil viele Demonstranten weder die Abstandsregeln einhielten noch Masken trugen, löste die Polizei die Kundgebung auf. Danach wurde über die Zahl der Teilnehmer heftig gestritten: Während die Polizei von 20.000 sprach, war auf der Kundgebungsbühne erst von 800.000, dann von 1,3 Millionen Menschen die Rede.

    Innensenator: "Keine Entscheidung gegen Versammlungsfreiheit, sondern für Infektionsschutz"

    Innensenator Geisel betonte nun: "Das ist keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz." Man müsse zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem der Unversehrtheit des Lebens abwägen. Gleichzeitig betonte Geisel: "Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird." Dies müsse von Gerichten sicherlich abgewogen werden. Berlin werde seine Entscheidung aber bis zur letzten Instanz durchfechten. „Berlin kann nicht zum Hort von solchen Corona-Leugner-Demonstrationen werden“, betonte Geisel.

    Deutlich weniger gelassen nahm Geisel die „persönlichen Drohungen“ gegen sich und gegen Angehörige der Berliner Polizei auf. Das sei „nicht  hinzunehmen und zeigt ein erhebliches Gewaltpotenzial“, sagte der Innensenator und warnte vor den rechten Gruppen, die bundesweit zur Teilnahme an der Demo aufrufen. „Meine Damen und Herren, es geht am Wochenende eigentlich nicht darum, gegen Corona zu demonstrieren, sondern es ist eine Demonstration gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung geplant“, sagte der Senator vor Journalisten. Den Veranstaltern gehe es darum, die Demokratie, die Freiheit und die Art des Miteinanders in Deutschland in Frage zu stellen. „Und das muss jeder wissen, der sich am Samstag trotz des Verbots auf die Straße begibt.“

    Berlins Bürgermeister Müller hält das Verbot für richtig

    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hält das Verbot der für diesen Samstag geplanten großen Demonstration gegen die Corona-Politik in Berlin für nachvollziehbar und richtig. Er wies in diesem Zusammenhang auf Verstöße gegen Auflagen in der Vergangenheit hin. Dass Auflagen nicht eingehalten würden, sei nicht nur ein Risiko für die Teilnehmer der Demonstration, sondern auch für viele andere, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch. 

    "Insofern ist es nachvollziehbar und richtig, dass der Innensenator hier mit aller Klarheit reagiert", betonte Müller. "Und das ist ja auch ein Weg, den wir im Senat gemeinsam so besprochen haben." Weiter führte er aus: "Die Teilnehmer der Demonstration gehen irgendwann nach Hause oder sie gehen an den Arbeitsplatz oder sie fahren mit der U-Bahn." Damit gefährdeten sie wiederum sich und andere, "weil sie vorher Regeln nicht beachtet haben". Das Thema werde mit Sicherheit auch am Donnerstag in der Ministerpräsidentenkonferenz eine Rolle spielen.

    Veranstalter von Corona-Demonstration will klagen

    Die Initiative Querdenken 711 und die AfD warfen dem Senator daraufhin vor, eine ihm missliebige Demonstration aus politischen Gründen verbieten zu wollen. Der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, schrieb, es gehe Geisel "nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, die seine eigene Polizeibehörde nicht teilt, sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer". Mit der Polizei habe man nämlich "die Problematik der Hygienekonzepte gut und kooperativ miteinander abgestimmt".

    Der Rechtsanwalt der Initiative, Ralf Ludwig, sagte in einem Video: "Wir werden vors Verwaltungsgericht gehen, wir werden natürlich auch im Zweifel das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn nicht bereits auf Ebene des Verwaltungsgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts dieser Bescheid aufgehoben wird." Bis zum Nachmittag ging beim Berliner Verwaltungsgericht keine Beschwerde gegen die Verbotsverfügung ein.

    Trotz Verbot und Corona-Regeln: Rechtsextreme Influencer rufen zur Reise nach Berlin auf

    Die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, twitterte: "Hätte man so auch entschieden, wenn sich die Demos "GEGEN RECHTS" gerichtet hätten? Grundrechte werden inzwischen nur noch dem zugesprochen, der sich wohlwollend gegenüber der Regierungspolitik verhält!" Der AfD-Innenpolitiker im Bundestag, Gottfried Curio, kritisierte, das Verbot sei eine "offene Abschaffung der Grundrechte".

    Im Internet erschienen Aufrufe, am kommenden Wochenende trotzdem in die Hauptstadt zu reisen und zu protestieren.  "Die extremeren Kräfte pochen gerade darauf, die Demonstration durchzuführen", sagte der Politikwissenschaftler Josef Holnburger am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Er forscht zu Verschwörungsmythen in sozialen Medien.

    Dort wird selbst vor Gewalt nicht zurückgeschreckt. Auch Waffen seien ab jetzt zur Gegenwehr erlaubt, hieß es etwa im Messenger-Dienst Telegram. Es wird zum "Sturm auf Berlin" angestachelt, rechtsextreme Influencer rufen zu Reisen in die Hauptstadt auf. Es gebe die Stimmung: "Jetzt erst recht!", so Holnburger. "Das derzeitige Verbot wird die moderateren Kräfte eher abhalten nach Berlin zu kommen, die radikaleren nicht", erklärte der Wissenschaftler.

    Er rechnet damit, dass es zu Ausschreitungen kommen kann. Solche waren auch bereits vor dem Verbot angekündigt worden. Rechtsextreme wie die Partei Der III. Weg und die Identitäre Bewegung riefen spätestens seit den vergangenen Protesten in Berlin ihre Anhänger zu einer Teilnahme an der Nachfolgeveranstaltung auf.

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