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Berlin: Heftiger Streit bei den Piraten wegen Rechtstendenzen

Berlin

Heftiger Streit bei den Piraten wegen Rechtstendenzen

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    Die Piratenpartei hat Schwierigkeiten im Umgang mit rechten Tendenzen innerhalb der Partei.
    Die Piratenpartei hat Schwierigkeiten im Umgang mit rechten Tendenzen innerhalb der Partei.

    Nach außen befindet sich die Piratenpartei bundesweit auf Erfolgskurs, intern jedoch geraten die Piraten ins Schlingern. Die Piraten sind sich offenbar nicht einig, wie sie mit rechtsradikalen Positionen innerhalb der Partei umgehen sollen. Nun gibt es einen neuen Streit bei den Piraten. Im Berliner Landesverband der Piratenpartei gibt es Zoff um den Landesvorsitzenden Hartmut Semken. Parteikollegen haben den Piratenchef zum Rücktritt aufgefordert, weil er sich mit drastischen Formulierungen gegen den Ausschluss von Piraten gewandt hatte, die rechtsradikale Positionen vertreten.

    Piraten-Landesvorsitzender Semken: "Womöglich größter Fehler"

    Der Landesvorsitzende der Berliner Piraten Semken räumte am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa den "womöglich größten Fehler" seines Lebens durch bestimmte, aus Wut formulierte Sätze in einem Blog ein. Er fügte hinzu: "Ich kann verstehen, dass mein Fehler am Wochenende eine so überschießende Reaktion ausgelöst hat. Doch ich werde in einer emotional so aufgeheizten Situation eins nicht tun: In den Sack hauen und zurücktreten."

    Oliver Höfinghoff von der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sowie zwei weitere Mitglieder warfen Semken in einem offenen Brief vor, "offensichtlich komplett überfordert" zu sein. Sie fügten hinzu: "Wir fordern Dich auf, zurückzutreten." Semken solle eine Landesmitgliederversammlung einberufen, bei der es einzig und allein um die "Neuwahl des Ersten Vorsitzenden" gehe.

    Piraten und das Rechts-Problem

    Die Ziele der Piratenpartei

    "Mehr Demokratie wagen!" ist nach eigenen Angaben ein Leitgedanke der Piraten. "Unsere innerparteilichen Strukturen sind basisdemokratisch. Auch gesellschaftlich wollen wir Veränderungen hin zu mehr Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung erreichen."

    "Die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sind aus der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und müssen auch durch staatliches Handeln sichergestellt und sogar gefördert werden", heißt es zum Thema digitale Gesellschaft.

    Zum Thema Umwelt: "Die Piratenpartei steht für Nachhaltigkeit. Deshalb wollen wir so handeln, dass auch in Zukunft die Grundlagen für eine würdige Existenz in Freiheit vorhanden sind. Voraussetzung dafür ist ein transparenter und verantwortungsvoller Umgang mit den natürlichen Ressourcen."

    Die Forderung einer transparenten Politik statt eines gläsernen Bürgers ist nach eigener Aussage Kernbestandteil der politischen Arbeit der Piraten. "Einzig die Piratenpartei handelt jedoch auch entsprechend: Vorstandssitzungen, Fraktionssitzungen oder auch Kontostände der Gliederungen sind prinzipiell öffentlich", schreibt die Partei auf ihrer Internetseite.

    Der freie Zugang zu Bildung zählt zu den Gründungsthemen der Piraten: "Im Unterschied zu den etablierten Parteien wollen wir den Prozess des Lernens jedoch an die individuellen Fähigkeiten anpassen." Das Motto der Piraten lautet: "Lernziele statt Lehrpläne!"

    Patente auf Software und Gene lehnt die Partei ab: "Im Wandel vom Industriezeitalter zum Informationszeitalter entwickeln sich die weltweit herrschenden Patentregelungen teilweise vom Innovationsanreiz zum Innovationshemmnis."

    Drogenpolitik müsste nach Ansicht der Piraten eigentlich "Suchtvermeidungspolitik" heißen. Ihr Ansatz ist, durch die Legalisierung von Drogen zu einem verantwortungsvollem Umgang mit Rauschmitteln zu gelangen. Die gegenwärtige Praxis sei bestimmt durch Ignoranz medizinischer und gesellschaftlicher Fakten. Sie trage dem Ziel der Suchtvermeidung keine Rechnung und sei gescheitert.

    Die Piratenpartei ist davon überzeugt, dass ein fahrscheinfreier ÖPNV nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Wirtschaft langfristig einen Gewinn darstellt. Sie fordert eine Machbarkeitsanalyse.

    Gefordert wird auch eine Reform des Urheberrechts: "Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken das Potential der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis von so genanntem ´geistigem Eigentum` basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegen steht."

    Zuletzt hatte der gescheiterte Ausschluss des rheinland-pfälzischen Piraten-Mitglieds Bodo Thiesen nach umstrittenen Holocaust-Äußerungen für Kritik an der Partei gesorgt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte ein konsequentes Vorgehen gegen rechtes Gedankengut. Zentralrats-Präsident Dieter Graumann: "Offensichtlich müssen die Piraten ihren Kompass, wenn es um den Kampf gegen Rechtsradikalismus geht, rasch neu justieren."

    Das Bundesschiedsgericht der Piraten hatte zuvor einen Antrag der Parteispitze auf Ausschluss Thiesens aus formalen Gründen abgewiesen. Der Rheinland-Pfälzer hatte sich 2008 nach Angaben der Piraten im Internet so geäußert: "Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte dpa/AZ

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