Angela Merkel redet nicht lange um den heißen Brei herum, sondern kommt sofort zur Sache. Angesichts der ausländerfeindlichen Übergriffe sowie der Attacken auf Flüchtlinge im sächsischen Heidenau und anderswo findet die Kanzlerin bei ihrem Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin ungewöhnlich klare und deutliche Worte: Deutschland sei ein offenes und tolerantes Land. Für jeden Menschen, egal, wo er herkomme, gelte das Grundrecht auf Menschenwürde, für jeden politisch Verfolgten das Grundrecht auf Asyl. Deutschland achte die Würde eines jeden Einzelnen.
Konsequent gegen alle, die gegen das Grundrecht Asyl verstoßen
Der Rechtsstaat werde hart und konsequent gegen alle vorgehen, die dagegen verstießen. „Es gibt keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen.“ Und dann wiederholt sie die Worte ihrer Neujahrsansprache und appelliert eindringlich an die Bürger, sich nicht rassistischen oder rechtsextremen Demonstrationen anzuschließen: „Folgen Sie denen nicht, die zu solchen Demonstrationen aufrufen. Zu oft sind Vorurteile, zu oft ist Kälte, ja sogar Hass in deren Herzen. Halten Sie Abstand.“
Allerdings halte sie nichts davon, daraus einen Ost-West-Konflikt zu machen. Gleichwohl räumt Merkel ein, dass es in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern Orte gibt, „in denen leider rechtsextremes Gedankengut durchaus salonfähig geworden ist“. Dagegen müsse entschieden vorgegangen werden.
Merkel: "Jetzt wird deutsche Flexibilität gebraucht"
Bei ihrem gut eineinhalbstündigen Auftritt zeigt sich Merkel zuversichtlich, dass Bund, Länder und Gemeinden sich bald schon auf ein Bündel von Maßnahmen einigen würden, um das Problem zu bewältigen. „Deutsche Gründlichkeit ist zwar super, aber es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht.“ So werde der Bund im September einen Gesetzentwurf vorlegen, der es erlaubt, in Flüchtlingsunterkünften die geltenden strengen Vorgaben beim Brandschutz oder beim Emissionsschutz teilweise außer Kraft zu setzen. Zudem sei der Bund bereit, sich dauerhaft und substanziell an den Kosten zu beteiligen. „Ich sage ganz einfach: Deutschland ist ein starkes Land. Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das!“ Und wo etwas im Wege stehe, „muss es überwunden werden“.
Eindringlich appelliert Merkel an die europäischen Staaten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. „Europa als Ganzes muss sich bewegen.“ So müssten die Flüchtlinge gerecht verteilt werden, dies sei „ein Stück Fairness“. Den Forderungen einzelner osteuropäischer Staaten, überhaupt keine Flüchtlinge oder ausschließlich verfolgte Christen aufzunehmen, erteilt sie eine klare Absage. So funktioniere Europa nicht.
Merkel: Meinungsfreiheit habe auch Grenzen
Auf die Beschimpfungen im sächsischen Heidenau angesprochen, reagiert Merkel gelassen. „Ich kann Widerspruch durchaus aushalten“, sagt sie, mehr noch: „Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem Meinungsfreiheit gilt.“ Allerdings habe auch die Meinungsfreiheit Grenzen.
Und gefragt, was sie davon halte, dass „merkeln“ in der Jugendsprache dafür stehe, nichts zu sagen und nichts zu tun, antwortet die Kanzlerin kurz und bündig: „Das nehme ich emotionslos zur Kenntnis.“