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Belarus - Manfred Weber hält Russland für Drahtzieher der Flugzeugentführung

Interview

Manfred Weber: "Moskau steuert bewusst einen Konfliktkurs"

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    Manfred Weber übt scharfe Kritik an Russland.
    Manfred Weber übt scharfe Kritik an Russland. Foto: Philipp von Ditfurth (Archivbild)

    Herr Weber, die Antwort der EU auf die Zwangslandung in Belarus fiel scharf aus. Mit dem de facto Flugverbot wurde aber auch den Belarussen die letzte Möglichkeit zur Flucht genommen. Sind die Sanktionen angemessen?

    Weber: Entschiedene Sanktionen waren ohne sinnvolle Alternative. Dieses Signal ist notwendig, denn der Vorfall ist ohne Beispiel. Es kann nicht sein, dass wir innerhalb Europas nicht mehr vor diesem staatlichen Terror, der dort stattgefunden hat, geschützt sind. Die starke Reaktion halte ich für angemessen.

    Gehen Sie davon aus, dass Moskau bei diesem Fall nur Zuschauer war?

    Weber: Definitiv nicht. Lukaschenko weiß, dass sein Regime ohne Unterstützung und Rückendeckung von Putin keine Überlebenschance hat. Deshalb gehen viele davon aus, dass alle wesentlichen Schritte mit Moskau abgestimmt und von dort abgedeckt werden. Dieser Vorfall zeigt, dass wir in Moskau eine Führung haben, die das Miteinander mit Europa nicht mehr will, sondern bewusst einen Konfliktkurs steuert. Darauf muss sich die Europäische Union einstellen.

    Manfred Weber wirft Wladimir Putin Destabilisierungsstrategie vor

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat erstmals Konsequenzen auch für die Pipeline Nord Stream 2 nicht mehr ausgeschlossen. Ist ein Stopp des Projektes nun wahrscheinlicher geworden?

    Weber: Wenn man sich das Gesamtbild der europäisch-russischen Beziehungen vergegenwärtigt, erleben wir eine zunehmende Eskalation. Da gab es offenen Mord auf unseren Straßen. Da gab es Versuche, unsere Demokratie zu attackieren. Und auch in unserer Nachbarschaft wie Syrien hat die Konfrontation jede Zusammenarbeit abgelöst. Ein Massenmörder wie Präsident Baschar al-Assad könnte sich ohne Putins Unterstützung nicht halten. Die Liste ist lang. Deshalb müssen alle Optionen auf dem Tisch liegen, damit wir dem russischen Präsidenten zeigen, dass wir diese Destabilisierungsstrategie nicht hinnehmen.

    Russlands Präsident Wladimir Putin in seiner Residenz Nowo-Ogarjowo.
    Russlands Präsident Wladimir Putin in seiner Residenz Nowo-Ogarjowo. Foto: Sergei Ilyin, Pool Sputnik Kremlin, AP, dpa (Archivbild)

    Das bedeutet für Nord Stream 2?

    Weber: Sollte es weitere Eskalationen geben – ich denke hier an das Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Russland - dann sind auch weitere Maßnahmen nicht mehr undenkbar. Das schließt das Projekt Nord Stream 2 ein. Wir Europäer werden immer den Dialog anbieten. Aber wenn er zurückgewiesen wird, müssen wir auch zur Entschlossenheit bereit sein.

    Deutschland muss bei Digitalisierung schneller werden

    Das EU-Impfzertifikat wird nun endgültig im Juni kommen – vorausgesetzt die Mitgliedstaaten sind bereit. Deutschland scheint noch nicht so weit. Ist es denkbar, dass die EU mit dem Impfzertifikat startet und die Bundesrepublik ist nicht dabei?

    Weber: Die EU ist fertig. Die EU kann starten. Die Bürger und Unternehmen erwarten das auch. Denn sie fordern von uns, dass wir ihnen Reisefreiheit und einen möglichst stabilen Sommer garantieren, nachdem die Impfkampagne ja deutlich besser läuft als anfangs befürchtet. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Vorbereitungen abschließen. Deutschland wird jetzt den Beweis antreten, dass wir Digitalisierung können.

    Die EU hat gestern beschlossen, 100 Millionen Impfdosen an finanzschwächere Länder zu spenden. Ist damit die Debatte über die Aufgabe von Patenten auf Vakzine vom Tisch?

    Weber: Die Spende ist noch nicht ausreichend, aber sie ist ein ganz starkes Zeichen. Die Europäische Union hat die Versorgung seiner Bürger sichergestellt. Auch in Arztpraxen kommen mehr und mehr die großen Mengen Impfstoffe an. Somit ist es richtig, jetzt den Blick nach Afrika und andere Regionen zu werfen. Die Pandemie ist nur global besiegbar. Deshalb werden wir unsere amerikanischen Freunde einladen, keine Debatten über Patentrechte zu führen, sondern alles zu tun, um die Vakzine möglichst schnell an die zu verteilen, die sie sich nicht selbst leisten können. US-Präsident Joe Biden sollte zügig die gelagerten Impfstoff-Mengen zum Beispiel von AstraZeneca, die in den Vereinigten Staaten in Lagern gehortet werden, freigeben und zur Verfügung stellen.

    Sozialer Ausgleich für den Klimaschutz

    Beim Klimaschutz wird es gerade heikel. Denn es geht um die Frage, ob stärkere EU-Staaten wie Deutschland größere Lasten übernehmen, damit schwächere Länder etwas weniger schultern müssen. Halten Sie das für ein vertretbares Konzept?

    Weber: Klimaschutz wird gerade endlich konkret. Bei allem Ehrgeiz Europas, und der ist zwingend notwendig, müssen wir wichtige Fragen berücksichtigen. Die Klimaneutralität darf nicht auf den Schultern der Schwachen abgeladen werden. Ein sozialer Ausgleich bleibt unverzichtbar. Hinzu kommt, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht aufs Spiel setzen, indem wir sie einseitig belasten. Und außerdem müssen wir offen für alle Technologien bleiben, die uns weiterbringen. Es darf nicht so sein, dass Brüssel die Technologien vorschreibt. Das sind die Maßstäbe, an denen wir die nächsten Entscheidungen messen sollten.

    Manfred Weber Manfred Weber wirft Wladimir Putin Destabilisierungsstrategie vor.
    Manfred Weber Manfred Weber wirft Wladimir Putin Destabilisierungsstrategie vor. Foto: Nicolas Armer, dpa (Archivbild)

    Zur Person: Manfred Weber, 48, CSU, ist Fraktionschef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament.

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