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Belarus: Lukaschenko-Gegner stellen Strafanzeigen wegen Polizeigewalt

Belarus

Lukaschenko-Gegner stellen Strafanzeigen wegen Polizeigewalt

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    Demonstranten protestieren im Zentrum der Hauptstadt Minsk mit alten Nationalflaggen gegen die mutmaßlich gefälschte Wiederwahl von Präsident Lukaschenko.
    Demonstranten protestieren im Zentrum der Hauptstadt Minsk mit alten Nationalflaggen gegen die mutmaßlich gefälschte Wiederwahl von Präsident Lukaschenko. Foto: Dmitri Lovetsky/AP, dpa

    In Belarus (Weißrussland) wollen die Gegner von Staatschef Alexander Lukaschenko an diesem Montag Strafanzeigen wegen der Polizeigewalt gegen friedliche Bürger stellen. Die Sicherheitskräfte müssten für die brutalen Misshandlungen von Demonstranten und Gefangenen zur Verantwortung gezogen werden, sagte die Oppositionelle Maria Kolesnikowa. Bei den Demonstrationen waren mindestens zwei Menschen gestorben. Sie wurden am Wochenende unter großer Anteilnahme der Bürger beerdigt. Die genauen Todesursachen bei beiden Männern sind unklar. Zudem werden Medien zufolge rund 80 Menschen vermisst.

    Amnesty International sieht Hinweise auf Folter bei Gefangenen in Belarus

    Nach Darstellung von Kolesnikowa befinden sich noch immer 4000 Menschen in Haft. Bei einem Protestmarsch hatten Hunderttausende Menschen am Sonntag die Freilassung der politischen Gefangenen gefordert. Zudem verlangten sie den Rücktritt von Lukaschenko. 

    Der Machtapparat hatte am Freitag mehr als 2000 Gefangene freigelassen - vielen zeigten danach schwere Verletzungen: Blutergüsse, blutigen Striemen auf dem Rücken, Platzwunden am Kopf und Verbrennungen von Blendgranaten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sah auch Hinweise auf Folter. Die Behörden wiesen ungeachtet unzähliger Foto- und Videobeweise die Vorwürfe von Misshandlungen zurück.

    Die Regierungsgegner wollen auch in den nächsten Tagen gegen Lukaschenko protestieren. "Wir werden keine Ruhe geben, bis die gegenwärtigen Machthaber zurückgetreten sind und Belarus ein freies Land wird", sagte Kolesnikowa in Minsk. "26 Jahre Alptraum müssen enden." Zuvor war Staatschef Lukaschenko auf dem Unabhängigkeitsplatz der Hauptstadt vor Unterstützern aufgetreten und hatte betont, dass er in keinem Fall von der Macht ablasse.

    Lukaschenko will sich mit streikenden Arbeitern treffen

    Der 65-Jährige will sich an diesem Montag mit streikenden Fabrikarbeitern treffen. Die Streiks in den Staatsbetrieben gelten als echte Gefahr für seinen Machterhalt, weil dadurch die wirtschaftliche Basis des Landes wegzubrechen droht. Regierungsmitglieder und Funktionäre aus der Präsidialverwaltung hatten bereits am Wochenende versucht, die Menschen wieder an die Werkbänke zu bringen - ohne Erfolg.

    Angesichts der Massenproteste gegen die Staatsführung in Belarus erwarten die Grünen von der Bundesregierung eine deutlich kritischere Haltung gegenüber Lukaschenko. "Die Bundesregierung sollte öffentlich erklären, dass Lukaschenko für sie nicht der gewählte Präsident ist", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Osteuropa-Experte Manuel Sarrazin dem Tagesspiegel (Montag) mit Blick auf die mutmaßlich gefälschte Wahl vom Sonntag vor einer Woche. Berlin und Brüssel hätten aber immer noch nicht aufgehört, auf den "abgehalfterten Diktator" Lukaschenko zu setzen, rügte er. 

    Der SPD-Kanzlerkandidat und Vizekanzler Olaf Scholz rügte Lukaschenko bei "Bild live". "Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Präsident keine Legitimation mehr hat, sonst würde er nicht mit so unglaublicher und so brutaler Gewalt agieren." Die Tatsache, dass sich gegenwärtig niemand einschüchtern lasse und dass viele Menschen sehr viel riskierten, sei eine große Hoffnung für die Demokratie. 

    EU erklärt sich solidarisch mit Belarussen

    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb bei Twitter nach den Protesten mit Hunderttausenden Menschen am Sonntag in Minsk, dass die Europäische Union an der Seite der Belarussen stehe. Die EU-Außenminister hatten am Freitag Sanktionen gegen die Staatsführung in Belarus auf dem Weg gebracht.

    Die FDP-Abgeordnete Renata Alt sagte dem "Tagesspiegel", sowohl das Auswärtige Amt als auch Kanzlerin Angela Merkel hätten zu spät und schwach reagiert. "Vor der Haustür der EU finden grobe Menschenrechtsverletzungen statt, und Deutschland und die EU schauen zu." Wichtig sei es jetzt, die friedlichen Proteste zu unterstützen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Vermittlerin ins Spiel zu bringen. Lukaschenko lehnt eine Vermittlung ab.

    Die FDP-Politikerin forderte Deutschland und die EU zudem auf, das Gespräch mit Russland zu suchen. Ziele seien ein Ende der Gewalt in Belarus sowie freie und faire Wahlen. "Man muss um jeden Preis ein Szenario wie in der Ukraine oder wie in Prag 1968 vermeiden", sagte die FDP-Politikerin mit Blick auf Russlands Angebot, Belarus beizustehen. (dpa)

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