Bayern will womöglich keine Polizisten mehr zur Unterstützung nach Berlin entsenden. Grund ist das umstrittene Antidiskriminierungsgesetz, das der rot-rot-grüne Berliner Senat kürzlich beschlossen hat. Das Gesetz soll die Berliner besser vor Diskriminierung schützen. Wer sich von Behörden benachteiligt fühlt, soll demnach leichter auf Entschädigung klagen können. Das Gesetz ist aber auch umstritten. Es enthält eine „Vermutungsregelung“, nach der eine Behörde bei entsprechenden Vorwürfen selbst beweisen muss, dass sie nicht diskriminiert hat. Gegner des Gesetzes beklagen, dass damit die Unschuldsvermutung nicht mehr für Beamte gelte. Sie fürchten eine Klagewelle.
Neues Antidiskriminierungsgesetz: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann übt Kritik
Auch aus dem Freistaat kommt Kritik. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betonte: „Wir brauchen die gegenseitige Unterstützung, aber es darf nicht sei, dass dadurch neue Haftungsrisiken für die eingesetzten Beamten entstehen.“ Es sei völlig überzogen, den gesamten öffentlichen Dienst „pauschal zu verdächtigen“. Ohne juristische Klarstellung werde er die Amtshilfe für die Hauptstadt einstellen, kündigte Herrmann an.
Die Länder helfen sich regelmäßig bei der Polizeiarbeit, etwa bei Großeinsätzen. Wenn es rund um den 1. Mai in Berlin zu Krawallen kommt, sind meist auch Polizeihundertschaften aus Bayern im Einsatz. Aber auch der Freistaat bekommt Unterstützung aus anderen Bundesländern, etwa zur jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz mit viel Polit-Prominenz aus aller Welt.
Die Polizeigewerkschaft fordert alle Bundesländer auf, die Unterstützung zu entziehen
Durch die Debatte über Rassismus und Polizeigewalt in den USA gewinnt der Streit zusätzlich an Brisanz. Auf der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern an diesem Mittwoch in Erfurt könnte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) der geballte Zorn der Amtskollegen treffen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert, dass alle Bundesländer der Hauptstadt die Amtshilfe versagen, sollte es in Berlin bei der Regelung bleiben. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der DPolG, nannte Herrmanns Ankündigung, ohne juristische Klarstellung keine Polizisten mehr zur Unterstützung in die Hauptstadt zu schicken, „genau richtig“.
Unserer Redaktion sagte Wendt: „Jetzt müssen die anderen Innenminister aus Bund und Ländern bei ihrem Treffen ihren Berliner Kollegen, Innensenator Geisel, auffordern, alle Vorwürfe, die sich aus diesem unsinnigen Gesetz ergeben, von den Einsatzkräften aus den Bundesländern und von der Bundespolizei fernzuhalten.“ Komme Geisel dem nicht nach, „dann sollten die Innenminister die personelle Unterstützung für Berlin einstellen“. Sie dürften „die Beamten, für die sie eine Fürsorgepflicht haben, nicht ins rot-rot-grüne Messer laufen lassen“.
Grünen-Politikerin Mihalic verteidigt die neue "Vermutungsregelung" für Polizeibeamte
Das Land Berlin wird von einer Koalition aus SPD, Linken und Grünen regiert. Als das Antidiskriminierungsgesetz das Abgeordnetenhaus passierte, lobte Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen das Regelwerk als „Meilenstein“. Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, verteidigte das Gesetz: „Dass Behörden die Rechtmäßigkeit ihres Handelns nachweisen müssen, ist im Rechtsstaat normal.“ Wer daraus einen Generalverdacht gegen die Polizisten konstruiere, müsse sich die Frage gefallen lassen, „wie die Themen Rassismus und Diskriminierung in Deutschland überhaupt noch angesprochen werden können“. Wer das Antidiskriminierungsgesetz jetzt zum Anti-Polizei-Gesetz umdeklariere, werde den Themen nicht gerecht."
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