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Bahn: Verkehrsverbände wollen fast 240 stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren

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Verkehrsverbände wollen fast 240 stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren

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    Der Anteil des Schienenverkehrs in Deutschland soll deutlich gesteigert werden. Bis 2030 soll sich die Zahl der Fahrgäste verdoppeln.
    Der Anteil des Schienenverkehrs in Deutschland soll deutlich gesteigert werden. Bis 2030 soll sich die Zahl der Fahrgäste verdoppeln. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Die Corona-Pandemie hat das Thema Umweltschutz und damit auch die Schaffung neuer Mobilitätskonzepte stärker in den Vordergrund gerückt. Es muss aber nicht immer alles neu sein, manchmal reicht es, auf den Bestand zurückzugreifen. Das gilt zumindest für den Bahnverkehr, wie eine neue Erhebung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Allianz pro Schiene zeigt, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Tausende Einwohner von Mittelzentren wie Künzelsau in Baden-Württemberg oder Waldkirchen in Bayern könnten demnach durch die Reaktivierung von Bahntrassen dauerhaft an den regulären Schienenpersonenverkehr angeschlossen werden.

    Fahrgastzahlen im Schienenverkehr sollen bis 2030 verdoppelt werden

    Im vergangenen Jahr hatte es zum Thema Reaktivierung einen ersten Aufschlag gegeben, und das mit grundsätzlich gutem Erfolg, wie Allianz-Pro-Schiene-Chef Dirk Flege bilanzierte. Politik und Deutsche Bahn hätten sich teilweise „enorm bewegt“, erklärte Flege. So habe etwa die Bahn angekündigt, keine Strecken mehr stilllegen zu wollen. Was aber kein Grund sein kann, jetzt schon wieder den Dampf aus dem Kessel zu nehmen, wie der Geschäftsführer deutlich machte.

    Flege erinnerte an den kürzlich vorgestellten „Masterplan Schienenverkehr“. Das aus Politik, Branche und Verbänden bestehende Zukunftsbündnis Schiene (ZBS) formuliert darin das ehrgeizige Ziel, die Fahrgastzahlen im Schienenpersonenverkehr bis 2030 zu verdoppeln. Gleichzeitig soll der Anteil des Güterverkehrs von derzeit 19 auf 25 Prozent steigen. „Mit einem Schrumpfnetz werden wir diese Regierungsziele definitiv nicht erreichen“, mahnte Flege, der trotz positiver Signale von einer Trendwende nicht sprechen wollte.

    Verbände wollen 238 Bahnstrecken reaktivieren

    Von einer solchen wollen auch die Grünen nicht reden. Der bayerische Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer etwa forderte, die Regierung in München müsse „nun auch in die Gänge kommen und die ideologische Vorfahrt für die Straße endlich beenden“. Bislang weigere sich Bayern, nicht-bundeseigene Bahnen mit Landesmitteln zu bezuschussen. „Das sind immerhin 600 Kilometer Strecke. Der Infrastrukturbetreiber soll alles aus eigener Tasche zahlen“, erklärte Deisenhofer. Wozu dieses Modell führe, zeige das Beispiel der Staudenbahn, die nicht vor 2024 für den Personenverkehr bereit sei. „Wenn wir eine starke und moderne Bahninfrastruktur im ganzen Land haben wollen, darf der Freistaat seine Nebenstrecken nicht länger links liegen lassen“, sagt Deisenhofer unserer Redaktion.

    Der Straßenbahn-Betriebshof der Stadtwerke Augsburg am Roten Tor. Das Gebäude diente von 1840 bis 1846 als erster Augsburger Bahnhof der Bahnlinie München - Augsburg.
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    Wenn ein Bahnhof von der Bahn nicht mehr gebraucht wird, muss er nicht zwingend aufs Abstellgleis. Doch während manche eine neue Nutzung erfahren, enden andere als "Lost Places".

    Die Verbände schlagen 238 Strecken mit insgesamt 4016 Kilometern Länge zur Reaktivierung vor. „Damit könnten 291 Städte und Gemeinden mit mehr als drei Millionen Menschen wieder ans deutsche Schienennetz angebunden werden und die Attraktivität des klimafreundlichen Verkehrsträgers Bahn somit weiter steigern“, erklärte der Vorsitzende des VDV-Ausschusses für Eisenbahninfrastruktur, Jörgen Boße. In der neuen Auflage der Reaktivierungsvorschläge sind 55 weitere Projekte mit einer Gesamtlänge von 963 Kilometern in ganz Deutschland hinzugekommen.

    Baden-Württemberg hat bisher die meisten Bahnstrecken wiederbelebt

    Wenn die Verbände angesichts regional unterschiedlicher Bedingungen auch keine Kostenschätzung wagen wollen, so ist doch klar, dass nicht jedes stillgelegte Gleis unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll zu reaktivieren ist. Wobei in der Regel gilt, dass eine Wiederbelebung billiger ist als ein Neubau. Die Chancen auf Reaktivierung sind durch verbesserte Finanzierungsbedingungen deutlich gestiegen.

    Laut Allianz pro Schiene wurden zwischen 1994 und 2020 Verbindungen mit 933 Kilometer Länge für den Personenverkehr und 364 Kilometer für den Güterverkehr wieder in Betrieb genommen. Allerdings wurden in diesem Zeitraum mit mehr als 3600 Kilometern deutlich mehr Strecken im Personenverkehr de- als reaktiviert. Beim Güterverkehr fällt der Saldo ebenfalls klar negativ aus. Insgesamt hat das Schienennetz derzeit eine Streckenlänge von rund 38.500 Kilometern – im Bahnreform-Jahr 1994 waren es noch 44.600 Kilometer.

    Spitzenreiter bei der Reaktivierung von Eisenbahnstrecken ist demnach Baden-Württemberg, das bis zu diesem Jahr 178 Kilometer Strecke für den Personen- und 25 Kilometer Gleise für den Güterverkehr wiederbelebte. Es folgt Nordrhein-Westfalen (149/10 Kilometer) sowie Bayern auf dem dritten Platz (80/77 Kilometer).

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