Es war lange spekuliert worden, wen die SPD für das Präsidium des Deutschen Bundestages aufstellen würde. Traditionell besetzt die stärkste Fraktion das Amt des Bundestagspräsidenten beziehungsweise der Bundestagspräsidentin. Das ist nach der Bundestagswahl die SPD, doch die tat sich lange Zeit schwer mit einer Nominierung. Letztendlich entschied sich die Partei für die Gesundheitspolitikerin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bärbel Bas. Sie wurde am 26. Oktober bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt. Sie ist nach Rita Süssmuth (CDU) und Annemarie Renger (SPD) erst die dritte Frau auf diesem Posten.
Bärbel Bas erlebte eine schlimme Lebenskrise
Bas wurde am 3. Mai 1968 in Walsum – jetzt Duisburg – geboren. Sie wuchs mit fünf Geschwistern auf. „Meine Eltern haben auf Parität geachtet: 3 Mädchen und 3 Jungs“, berichtet sie dazu auf ihrer Internetseite und fährt dort fort: „Ich selbst bin verwitwet und habe keine Kinder.“ Hinter diesem vergleichsweise nüchternen Satz verbirgt sich eine Lebenskrise. Am 22. September 2020 starb ihr Mann Siegfried Ambrosius an den Folgen einer Infektion. 15 Jahre waren die beiden zusammen, fünf davon mit Trauschein. „Ich war acht Monate völlig aus der Bahn“, offenbarte sie sich in einem Interview mit der WAZ.
Bas wird dem linken Flügel ihrer Fraktion, der Parlamentarischen Linken, zugerechnet. Auch der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gehört diesem Flügel an; es war lange spekuliert worden, er würde Bundestagspräsident werden. Doch die SPD hatte ein Männerproblem. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will im Amt bleiben. Er kommt bekanntlich auch aus der SPD, wird dem Seeheimer Kreis zugerechnet. Der neue Kanzler wird vermutlich Olaf Scholz werden, der dem konservativen Flügel der SPD nahesteht. Drei Männer für drei der wichtigsten politischen Posten im Land? Das hätte nach außen hin schlecht ausgesehen.
Als Gesundheitspolitikerin steht Bärbel Bas im Schatten von Karl Lauterbach
Bas ist jedoch nicht einfach nur eine Kompromisskandidatin. Als Gesundheitspolitikerin steht sie in der Öffentlichkeit zwar im Schatten des omnipräsenten Karl Lauterbach. Das war ihr einerseits vor dem Hintergrund ihres persönlichen Schicksalsschlages gar nicht so unlieb. Aus der Fraktion heißt es darüber hinaus, Bas sei – etwa beim Thema Pflege – eine kompetente und hartnäckige Verhandlerin, die es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht einfach gemacht habe.
Das Durchsetzungsvermögen der passionierten Motorradfahrerin kommt nicht von ungefähr. „In jungen Jahren habe ich gerne Fußball gespielt“, schreibt Bas auf ihrer Homepage. Sie war erst Linksaußen, später Libero. Nun wird Bas ihre kämpferischen Qualitäten beim Kampf gegen Rechtsaußen abrufen müssen. Als Bundestagspräsidentin repräsentiert sie den Bundestag und damit die Legislative. Zu den zentralen Aufgaben gehört die Leitung der Parlamentssitzungen – und die wurden seit dem Einzug der AfD in den Bundestag zu einem verbalen Schlachtfeld.
SPD-Politikerin Bas ist eine Frau mit viel praktischer Lebenserfahrung
Darüber hinaus warten viele repräsentative Aufgaben auf die neue Präsidentin. Sie steht auch an der Spitze der Bundestagsverwaltung mit ihren rund 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – was für Bas kein Problem darstellen sollte. Nachdem sie 1984 die Hauptschule mit der Fachoberschule abgeschlossen hatte, danach unter anderem eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten machte, studierte sie im Fach Krankenkassenbetriebswirtin und schloss später ein weiteres Studium zur Personalmanagement-Ökonomin an. Deutschland hat mit Bas nicht nur die dritte Frau im zweithöchsten Amt, sondern auch eine mit viel praktischer Lebenserfahrung.