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Baden-Württemberg: Stadt Gaggenau verbietet Auftritt von türkischem Justizminister

Baden-Württemberg

Stadt Gaggenau verbietet Auftritt von türkischem Justizminister

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    Der türkische Justizminister Bekir Bozdag darf nicht in Gaggenau auftreten.
    Der türkische Justizminister Bekir Bozdag darf nicht in Gaggenau auftreten. Foto:  Marijan Murat (dpa)

    Die Stadt Gaggenau hat eine geplante Veranstaltung mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag in ihrer Festhalle aus Sicherheitsgründen gestoppt. "Wir gehen davon aus, dass die Situation zu gefährlich werden könnte", sagte Bürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos) am Donnerstag in

    Bozdag wollte bei der Veranstaltung für ein "Ja" bei der Volksabstimmung über das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem werben. Bei dem für den 16. April geplanten Referendum sind auch rund 1,4 Millionen Türken in Deutschland wahlberechtigt.

    Der Bürgermeister sagte, der Schritt der Kommune sei keine politische Entscheidung. Vielmehr sei zu befürchten, dass wegen des umstrittenen Wahlkampfauftritts von Bozdag mehr Menschen in die Stadt kämen als die Kulturhalle fassen könne. Der Beschluss sei nicht mit höheren politischen Ebenen abgesprochen. "Das ist unsere Entscheidung."

    Kein Auftritt in Gaggenau - aufgrund von Sicherheitsbedenken

    Unklar ist, ob die Veranstalter vor Gericht ziehen, um den Beschluss rückgängig zu machen. Nach den Worten von Pfeiffer wird mindestens eine Hundertschaft der Polizei eingesetzt, um die Halle zu sichern, falls die Veranstaltung doch stattfinde oder den Verkehr wegen erhöhtem Aufkommen umzuleiten.

    Neben Bozdag hatte auch der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci einen Wahlkampftermin in Deutschland geplant. Zeybekci soll am Sonntagabend in Köln auftreten, wie aus dem Kalender des Koordinationszentrums für die Auslandswähler der türkischen Regierungspartei AKP hervorgeht.

    Die Böhmermann-Affäre im Überblick

    Jan Böhmermanns Gedicht über den türkischen Präsidenten hat hohe Wellen geschlagen. Was bisher geschah:

    31. März: Der Satiriker benutzt in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" im Gedicht «Schmähkritik» über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Formulierungen, die unter die Gürtellinie zielen. Er will damit nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen erlaubter und verbotener Satire zeigen.

    1. April: Das ZDF gibt bekannt, dass der Beitrag aus der Mediathek gelöscht und nicht wie vorgesehen wiederholt wird.

    3. April: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert das Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als "bewusst verletzend".

    10. April: Es wird bekannt, dass die Türkei in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt rechtliche Schritte gegen Böhmermann verlangt.

    15. April: Die Bundesregierung gibt den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch frei.

    16. April: Böhmermann kündigt "eine kleine Fernsehpause" an.

    22. April: Merkel bezeichnet ihre Äußerung, Böhmermanns Gedicht sei "bewusst verletzend", als Fehler. Dadurch sei der Eindruck entstanden, dass ihre persönliche Bewertung etwas zähle.

    3. Mai: Böhmermann kritisiert in der Wochenzeitung Zeit Angela Merkel: "Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um die Meinungsfreiheit geht." Erdogan nennt darin er einen "nervenkranken Despoten".

    12. Mai: Der Moderator kehrt mit seiner Sendung "Neo Magazin Royale" zurück.

    17. Mai: Das Landgericht Hamburg erlässt auf Antrag Erdogans eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann. Der Moderator darf seine "Schmähkritik" zu großen Teilen nicht öffentlich wiederholen. Böhmermann will die einstweilige Verfügung nicht akzeptieren.

    27. Mai: Ein Satz aus "Neo Magazin 4Royale" löst Spekulationen über Böhmermanns Zukunft beim ZDF aus. Zu seinem Gast Steven Gätjen sagt er: "Du hast gerade den Sprung geschafft vom Privatfernsehen zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich hab' ja demnächst vor, das andersrum zu machen." Doch schiebt er nach: "Nein, ist ein Spaß."

    2. Juli: Erdogan will das Gedicht komplett verbieten lassen. Erdogans Anwalt reicht daher eine Privatklage beim Hamburger Landgericht ein. Die Verhandlung ist für den 2. November dieses Jahres vorgesehen.

    30. Juli: Erdogan kündigt an, seine Strafanzeigen wegen Beleidigung des Staatspräsidenten zurückzuziehen. Später wird allerdings klargestellt, dass dies für die Klagen in Deutschland nicht gilt.

    4. Oktober: Die Staatsanwaltschaft Mainz gibt die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann bekannt. Es seien "strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen".

    10. Oktober: Wie die Staatsanwaltschaft in Mainz offiziell erklärt, hat der Anwalt Erdogans Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann eingelegt. Diese wird in Koblenz geprüft.

    Zeybekci hatte nach der Niederschlagung des Putsches in der Türkei im Juli 2016 für Irritationen gesorgt, als er den Putschisten gedroht hatte: "In 1,5 bis 2 Quadratmeter großen Räumen werden sie wie Kanalratten krepieren."

    Der Bundesvorsitzende der Senioren-Union in der CDU, Otto Wulff, sagte, es sei ein "Dilemma", wenn Deutsche, die auch die türkische Staatsbürgerschaft besäßen, "für einen autoritär herrschenden Präsidenten in der Türkei stimmen" wollten.

    Die Wahlkampfveranstaltungen türkischer Regierungsmitglieder sorgen in Deutschland auch wegen der Inhaftierung des Welt- Korrespondenten Deniz Yücel in Istanbul für Kritik. "Ich finde es nicht okay, dass die türkische Regierung mit staatlichen Mitteln versucht, im Ausland für die AKP Partei zu ergreifen", sagte der Landes- und Bundesvorsitzende der Verbandes, Gökay Sofuoglu, der Deutschen Presse-Agentur. Statt bei den in Deutschland lebenden Türken auf Staatskosten für die AKP zu werben, sollten die Minister mit der deutschen Regierung über die Freilassung von Yücel sprechen.

    Der stellvertretende Präsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), forderte mit Blick auf den Fall Yücel den sofortigen Stopp der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Er sagte der Heilbronner Stimme, zahlreiche Journalisten säßen im Gefängnis oder hätten ihren Job verloren, weil sie Erdogan kritisert hätten. Für einen Nato-Verbündeten und EU-Beitrittskandidaten sei es beschämend, wie Freiheit und Grundrechte in der Türkei mit Füßen getreten würden.

    AZ/dpa

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