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Baden-Württemberg: Grüne wollen Boris Palmer loswerden - FDP wirbt um Tübinger OB

Baden-Württemberg

Grüne wollen Boris Palmer loswerden - FDP wirbt um Tübinger OB

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    Die FDP Baden-Württemberg will den umstrittenen Tübinger OB Boris Palmer aufnehmen - doch der winkt ab. Die Südwest-Grünen hatten den Politiker zum Austritt aufgefordert.
    Die FDP Baden-Württemberg will den umstrittenen Tübinger OB Boris Palmer aufnehmen - doch der winkt ab. Die Südwest-Grünen hatten den Politiker zum Austritt aufgefordert. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Archiv)

    Die Grünen wollen ihren unbequemen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer loswerden. Schon seit Jahren ärgert sich die Partei über den heute 47-Jährigen. Eine Äußerung zum Umgang mit älteren Corona-Patienten brachte das Fass jetzt zum Überlaufen. "Der Landesvorstand erwartet, dass Boris Palmer unsere Partei verlässt", teilte die baden-württembergische Parteispitze in Stuttgart mit. Doch Palmer wäre nicht Palmer, wenn er so etwas einfach befolgen würde. Er ließ umgehend wissen: "Ich bin aus ökologischer Überzeugung Grüner. Deswegen bleibe ich Mitglied."

    Umstrittene Äußerung zur Corona-Strategie: Palmer fühlt sich missverstanden

    Aus Sicht genervter Grüner ist die Reihe seiner Fehltritte enorm lang. Mal ging es um eine Werbekampagne der Bahn mit Bildern von Reisenden mit unterschiedlichen Hautfarben. Palmer fragte: "Welche Gesellschaft soll das abbilden?" Dann legte er sich nachts in Tübingen als Ordnungshüter mit einem Studenten an. Immer wieder ging es auch um die Flüchtlingspolitik. Mal räumte Palmer Fehler ein, entschuldigte sich. Häufiger behauptete er, sich nur an die Fakten zu halten.

    Im Sat.1-Frühstücksfernsehen fiel dann zur Corona-Pandemie der folgenschwere Satz: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen." Ein Schrei der Empörung ging durch die Republik.

    Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann meinte, sein einstiger Zögling habe sich "ganz erheblich verrannt". Der fühlt sich wieder einmal falsch verstanden. "Ich erwarte selbstverständlich, dass jeder Mensch die bestmögliche medizinische Versorgung erhält." Er habe nur auf die schweren ökonomischen Folgewirkungen eines Shutdowns hinweisen wollen. Mehr nicht?

    Grüne entziehen Palmer auf allen Ebenen das Vertrauen

    Palmer ist schon seit 2007 Oberbürgermeister der Studentenstadt. Zuvor saß er im Landtag. Lange galt er bei den Grünen als großes Talent, zwischendurch sogar als Kretschmanns Kronprinz. Viele halten ihn für einen klugen Kopf, der sich allerdings immer wieder zu provokanten Äußerungen hinreißen lasse. Andere meinen, er überschreite die roten Linien bewusst: aus Selbstdarstellungssucht, ohne Rücksicht auf die eigene Partei.

    Dass Palmer bei den Grünen nichts mehr wird, ist schon lange klar. Am vergangenen Montag entzog ihm die Partei im Bund, im Land und auf Kreisebene schließlich auch offiziell die Unterstützung. Schon mehrfach forderten Grünen-Mitglieder seinen Ausschluss. Doch ein Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen - ohne Garantie, dass es klappt. Der Fall Thilo Sarrazin gilt den Grünen als warnendes Beispiel: Die SPD versucht schon seit mehr als zehn Jahren, den ehemaligen Berliner Finanzsenator hinauszuwerfen.

    Südwest-FDP: Parteichef Theurer wirbt um Palmer

    Wie geht es nun weiter? Der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer machte Palmer via Bild am Sonntag schon mal ein Aufnahmeangebot, was Palmer aber ablehnte. "Als Ökologe kann man unmöglich Mitglied der FDP werden. Da hätte ich jeden Tag Streit in der Sache und nicht nur um Worte", teilte der OB der Deutschen Presse-Agentur mit. Theurer hatte der Bild am Sonntag gesagt: "Bei uns in der FDP Baden-Württemberg ist Boris Palmer herzlich willkommen. Wir sind eine Heimat für kritische Köpfe. Wir halten das aus, wir kämpfen für Meinungsfreiheit."

    Baden-Württembergs Grüne schwiegen am Wochenende. Viel hängt jetzt wohl davon ab, wie sich der Tübinger OB künftig verhält. Der Grünen-Landesvorstand behielt sich in seinem Beschluss von Freitagabend auch ein Parteiordnungsverfahren vor, in dessen Rahmen es doch noch um einen Parteiausschluss gehen könnte. Damit sind die Grünen nahezu gezwungen, bei der nächsten Provokation etwas zu unternehmen. Und die kommt bestimmt. (dpa)

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