Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat sich keine Kleinigkeit vorgenommen. Er selbst spricht von der größten Verwaltungsreform der Bundesrepublik. Es geht um Planung, Bau und Wartung der Autobahnen, den beinahe mystisch aufgeladenen Verkehrsadern Deutschlands. Scheuer hat die Zuständigkeit von den Ländern auf den Bund übertragen und dafür die Autobahn GmbH gegründet.
Alles sauber aus einer Hand und damit auch günstiger, ist das Credo des Großprojekts. Über 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Ländern sind zu der Firma gewechselt, die am ersten Januar ihren Betrieb aufgenommen hat. Vorher hatten sich die Länder im Auftrag des Bundes um die Schnellstraßen gekümmert – mit dem üblichen Abrieb, der bei ihrer Zusammenarbeit entsteht.
Juristen fehlt sauberer Schnitt zwischen Bund und Ländern bei Scheuers Autobahnreform
Doch aus Sicht der Juristinnen und Juristen des Bundestages hat sich Scheuer in seiner Großreform verheddert. Und zwar so stark, dass viel dafür spricht, dass sie gegen das Grundgesetz verstößt. Der Grund: So chirurgisch präzise ist der Schnitt zwischen Bund und Ländern nicht gesetzt. Die Länder müssen weiter Leistungen für die Autobahn GmbH erbringen. Dafür hat das Unternehmen in Staatshand Kooperationsvereinbarungen mit den Ländern geschlossen, zum Beispiel für die Nutzung bestehender Computer-Systeme oder bei der Unterstützung bei Planung, Betrieb und Verwaltung. Diese Verträge laufen bis 2023.
Es handelt sich dabei nach Einschätzung der Experten des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments um eine Mischverwaltung, die es eigentlich nicht geben sollte. Das Grundgesetz verteilt bestimmte Zuständigkeiten an Bund und Länder, die sie dann mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigenem Geld bestreiten müssen. Das legen die Artikel 30 und 83 der Verfassung fest. „Eine Mischverwaltung ist für die Bundesautobahnen also gerade nicht vorgesehen, findet aufgrund der Kooperationsvereinbarungen aber faktisch statt“, heißt es in dem Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt. Zuvor war bereits der Bundesrechnungshof zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen.
Wie bei vielen rechtlichen Setzungen gibt es zur Regel eine Ausnahme. Das könnte auch für die Zusammenarbeit der Autobahn GmbH des Bundes mit den Ländern gelten. Die Fachleute des Wissenschaftlichen Dienstes haben sich mögliche Ausnahmetatbestände angeschaut, kommen aber zu dem Schluss, dass erhebliche Zweifel bestehen. Die anhaltende Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei den Autobahnen könnte gerechtfertigt sein, wenn es bei einer Phase von kurzer Dauer bliebe, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen.
Doch schon vor einigen Jahren mahnte aber der Bundesrechnungshof, dass die saubere Trennung kompliziert würde. Das Problem war dem Verkehrsministerium also bekannt. „Das könnte gegen die Annahme eines sachlichen Grundes sprechen, weil die Kooperationsvereinbarungen vermeidbar gewesen wären“, schreiben die Gutachter.
Verkehrsministerium weist Bewertung als praxisfremd zurück
Sie erteilen auch der denkbaren Variante eine Absage, dass die Mischverwaltung eine Form der Amtshilfe sein könnte. Laut der Juristen bezieht sich Amtshilfe auf einen Einzelfall. Das Verkehrsministerium legt den Kooperationen mit den Ländern aber keine „einzelfall-, sondern eine aufgabenbezogene Amtshilfe zugrunde“, wie es in einem Bericht ausführt. Der Wissenschaftliche Dienst reagiert darauf beinahe mit Verblüffung: Eine solche Unterscheidung sei dem Verfassungstext sowie der Literatur unbekannt.
Scheuers Haus weist die Bewertung von Wissenschaftlichem Dienst und Bundesrechnungshof als praxisfremd zurück. Gemessen am Umfang des Reformvorhabens machten die zeitlich und inhaltlich eng begrenzten Kooperationsvereinbarungen nur einen sehr geringen Anteil aus. Außerdem bezieht sich das Ministerium auch auf eine Einschränkung im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, wonach eine vollumfängliche Beurteilung der Kooperationen nicht erfolgen könne. Der Grund dafür ist, dass den Juristen die einzelnen Kooperationsverträge nicht vorlagen.
Für die Grünen, die das Gutachten in Auftrag gegeben haben, bestätigt es die lange Fehlerkette, die sie bei der Autobahnreform sehen. „Andreas Scheuer hat die Reform der Autobahn-Verwaltung gegen die Wand gefahren. Im Kern ist die Reform trotz des gesetzlichen Auftrags nicht abgeschlossen“, sagte der Grünen-Chefhaushälter im Bundestag, Sven-Christian Kindler, unserer Redaktion. Der CSU-Politiker habe gegen die Warnung des Rechnungshofes die Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet. „Wie schon bei der Pkw-Maut bricht Scheuer bewusst Gesetze und rennt mit dem Kopf gegen die Wand“.
Kindler ärgert besonders, dass der Bund für die Leistungen noch mehr Geld an die Länder zahlen muss als bislang bekannt. Zu den veranschlagten 100 Millionen kommen nun noch einmal 30 Millionen hinzu, wie aus einer Antwort des Hauses auf eine Anfrage des Abgeordneten hervorgeht. „Wahrscheinlich ist das noch nicht das Ende der Fahnenstange.“ Bislang hat die Reform laut Kindler insgesamt 325 Millionen Euro gekostet und damit achtmal mehr als ursprünglich kalkuliert.