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Außenpolitik: Warum ausländische Geiseln für den Iran ein Geschäftsmodell sind

Außenpolitik

Warum ausländische Geiseln für den Iran ein Geschäftsmodell sind

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    Kylie Moore-Gilbert, Islamwissenschaftlerin aus Australien, ist im Wege eines Gefangenenaustauschs mit dem Iran freigelassen worden.
    Kylie Moore-Gilbert, Islamwissenschaftlerin aus Australien, ist im Wege eines Gefangenenaustauschs mit dem Iran freigelassen worden. Foto: Iranian State Television, dpa

    Nach zwei Jahren Haft im Iran ist die britisch-australische Akademikerin Kylie Moore-Gilbert am Freitag in ihrer Heimat Australien eingetroffen. Die 33-Jährige war am Donnerstag im Austausch gegen drei iranische Agenten in Teheran aus der Haft entlassen worden. Die Freude über die Freilassung von Moore-Gilbert ist nicht ungetrübt, denn mit ihrem Fall kann die iranische Geisel-Diplomatie einen neuen Erfolg feiern. Experten befürchten, dass deshalb bald weitere Ausländer im

    Der Iran setzt Geiseln immer wieder als Druckmittel in Verhandlungen ein

    Er wisse sehr gut, wie sich Moore-Gilbert bei der Freilassung gefühlt haben müsse, kommentierte Jason Rezaian die Fernsehbilder. Der Journalist war wie Moore-Gilbert im Iran als lebendiges Faustpfand inhaftiert. Als damaliger Iran-Korrespondent der Washington Post wurde Rezaian 2014 ebenfalls wegen angeblicher Spionage festgenommen. Anderthalb Jahre später hatte er sich für Teheran gewissermaßen bezahlt gemacht und kam zusammen mit drei anderen amerikanischen Häftlingen frei. Am Tag der Haftentlassung erhielt der Iran von den USA per Flugzeug 400 Millionen Dollar in bar an ausstehenden Zahlungen aus einem gescheiterten Waffengeschäft in den 1970er Jahren, außerdem wurde das internationale Atomabkommen mit dem Iran formell in Kraft gesetzt.

    Auch von Moore-Gilbert konnte der Iran profitieren. Die Nahost-Expertin der Universität Melbourne wurde 2018 nach einer Konferenz in der heiligen Stadt Qom festgenommen. Laut Medienberichten wurde sie von der iranischen Revolutionsgarde als Opfer ausgesucht, weil ihr Lebensgefährte aus Israel kommt. Ein Gericht verurteilte sie zu zehn Jahren Haft wegen Spionage für den jüdischen Staat. Moore-Gilbert und die australischen Behörden wiesen den Vorwurf zurück. In monatelangen Geheimgesprächen einigten sich Australien und der Iran schließlich auf einen Deal, bei dem Moore-Gilbert gegen die drei iranischen Agenten in Thailand ausgetauscht wurde. Das Trio saß seit 2012 in thailändischer Haft, weil es einen Anschlag auf einen israelischen Diplomaten geplant haben soll. Die Männer wurden vor wenigen Tagen nach Teheran geflogen.

    Oppositionelle im Iran sollen eingeschüchtert werden

    Bei der Festnahme von Ausländern geht es dem Iran nicht immer darum, inhaftierte Regimevertreter heimzuholen. Auch die Einschüchterung von Oppositionellen ist eines der Motive. Der Deutsch-Iraner Dschamschid Scharmahd zum Beispiel wurde Ende Juli während einer Geschäftsreise in Dubai von iranischen Geheimagenten in den Iran verschleppt. Dort wird ihm vorgeworfen, Chef einer militanten Exil-Oppositionsgruppe und für den Tod von 14 Menschen verantwortlich zu sein.

    Wie viele Ausländer insgesamt im Iran festgehalten werden, ist nicht bekannt. Erst vor wenigen Wochen nahmen die Iraner eine 66-jährige Deutsch-Iranerin aus Köln fest, die zu einem Verwandtenbesuch in Teheran war. Der iranisch-österreichische Geschäftsmann Kamran Ghaderi sitzt seit fast fünf Jahren als angeblicher Spion in iranischer Haft und wurde dort nach Angaben von Amnesty International unter Folter zu einem Geständnis gezwungen.

    Moore-Gilberts Freilassung gibt den Familien anderer Geiseln neue Hoffnung. Richard Ratcliff, Ehemann der iranischstämmigen Britin Nazanin Zaghari-Ratcliff, die seit 2016 im Iran festgehalten wird, begrüßte in der britischen Online-Zeitung Independent, „dass Deals gemacht werden“, um Geiseln aus dem Iran herauszuholen.

    USA und Iran haben im Übung im Geschäft mit Geiseln

    Die Geisel-Diplomatie ist so sehr zum Teil der iranischen Außenpolitik geworden, dass Teheraner Offizielle offen über die Praxis sprechen. „Lasst uns einen Austausch machen“, schlug Außenminister Dschawad Sarif im vorigen Jahr den USA vor. In diesem Jahr wiederholte er seine Bereitschaft zu einem umfassenden Häftlingsaustausch: Mindestens drei US-Bürger sitzen in iranischer Haft. Selbst unter dem Iran-Hardliner Präsident Donald Trump haben die beiden Länder mehrmals Gefangene ausgetauscht.

    Die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran im November 1979 führte zu den ersten US-Sanktionen gegen Iran.
    Die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran im November 1979 führte zu den ersten US-Sanktionen gegen Iran. Foto:  UPI, Archiv, dpa

    Amerikaner und Iraner haben Übung in diesem schwierigen Geschäft. Im Revolutionsjahr 1979 stürmten iranische Studenten die amerikanische Botschaft in Teheran und nahmen das Personal als Geiseln. Die Amerikaner kamen im Januar 1981 frei – wenige Minuten nach der Amtseinführung von US-Präsident Ronald Reagan. Die Einigung verpflichtete die USA, eingefrorene Guthaben der Iraner freizugeben. Wenige Jahre später schickte die Reagan-Regierung über Israel moderne Waffen nach Iran, um die Freilassung amerikanischer Geiseln im Libanon zu erreichen. Die Kontakte waren Teil des Iran-Contra-Skandals der 1980er Jahre.

    Die Festnahme westlicher Ausländer kann sich für den Iran also durchaus auszahlen. Reisen in den Iran seien deshalb gefährlich, sagt Roya Boroumand. Die Leiterin des Abdorrahman-Boroumand-Zentrums in Washington, das sich mit der Menschenrechtslage im Iran befasst, sagte dem australischen Sender SBS, für den Iran habe es bisher keine negativen Folgen der Geisel-Diplomatie gegeben. Deshalb werde Teheran wohl weitermachen: „Wir fragen uns, wer der Nächste sein wird.“

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