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Außenpolitik: Diplomatische Dissonanzen

Außenpolitik

Diplomatische Dissonanzen

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    Berlin Angela Merkel bleibt konsequent. Gastgeschenke gibt es nicht. Auch nicht für Mahmud Abbas, den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland. Dem gemäßigten Vertreter der Fatah, der am Donnerstag die deutsche Hauptstadt besucht, sagt die Bundeskanzlerin das Gleiche, was sie vor fast genau einem Monat, am 7. April, schon dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gesagt hat: Sollten die Palästinenser im Herbst einseitig und ohne die Zustimmung Israels einen eigenen Staat ausrufen, so werde Deutschland diesen Alleingang nicht akzeptieren und den Staat nicht anerkennen.

    Westerwelle: Hamas muss Existenzrecht Israels anerkennen

    Schon am Mittwochabend, bei einem Treffen von Abbas mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP), muss der Befürworter einer Zwei-Staaten-Lösung erkennen, dass sein Werben um die Anerkennung eines Palästinenserstaates in Berlin auf relativ taube Ohren stößt. Solange die radikal-islamische Hamas, die im Gazastreifen regiert, das Existenzrecht Israels infrage stelle, könne es keine Anerkennung geben, lautet die deutsche Position. Daran ändere auch das am Mittwoch in Kairo unterzeichnete Friedensabkommen zwischen den bislang verfeindeten Palästinensergruppen nichts.

    Bislang konnten sich die Kanzlerin und ihr Außenminister sicher sein, mit dieser Position im Einklang mit den europäischen Partnern zu stehen. Doch dem ist nicht mehr so. Wieder einmal ist der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy aus der gemeinsamen Linie ausgeschert, zur Überraschung – und zum Leidwesen – der Bundesregierung, die sich, auch nicht das erste Mal, überrumpelt vorkommt. In einem Interview mit dem französischen Magazin L’Express erklärt der Chef des Élysée-Palasts: „Wenn der Friedensprozess im September immer noch an einem toten Punkt ist, wird Frankreich in Bezug auf die zentrale Frage der Anerkennung eines palästinensischen Staates seine Verantwortung übernehmen.“ Den israelischen Premierminister Netanjahu fordert er auf, er müsse „deutlicher sagen, dass die Palästinenser das Recht auf einen eigenen Staat haben und entsprechend handeln“.

    In Berlin reagiert man hinter vorgehaltener Hand unerfreut über die Alleingänge des französischen Präsidenten, mit denen er sich immer wieder von gemeinsamen europäischen Positionen entfernt und die deutsche Regierung vor vollendete Tatsachen stellt. Sarkozy, heißt es in diplomatischen Kreisen, sei „unberechenbar“. So war es schon während der Libyen-Krise im März. Ohne sich mit dem Nachbarn abzustimmen, preschte der französische Präsident vor, drängte auf eine Unterstützung der Rebellen und peitschte die UN-Resolution zur Schaffung einer Flugverbotszone durch; die deutsche Regierung, von der Entwicklung überrollt, enthielt sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme. Und Ende April düpierte Sarkozy Merkel, als er sich bei einem Besuch in Rom öffentlich für den italienischen Notenbankchef Mario Draghi als künftigen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) aussprach und damit die Bundesregierung praktisch vor vollendete Tatsachen stellte – eigentlich war zwischen Berlin und Paris Stillschweigen vereinbart worden.

    Die Liste der diplomatischen Dissonanzen wird immer länger. Ob Energiepolitik, Euro-Rettung, Libyen-Krise, Wiedereinführung von Grenzkontrollen oder nun die Nahostpolitik – immer seltener sprechen Deutschland und Frankreich mit einer Stimme oder klären vorab ihr Verhalten ab. Schuld daran sei, heißt es in Berlin, der Franzose, der mit seinem Vorpreschen eine Abstimmung verhindere. Stimmt nicht, kontert Paris. Merkel (Spitzname „Madame No“) sei viel zu zögerlich und traue sich nicht, sich festzulegen. Immerhin, verlautet aus dem Kanzleramt, telefonieren Merkel und Sarkozy noch regelmäßig miteinander.

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