Diplomatisch-zurückhaltende Reaktionen aus dem Nato-Hauptquartier in Brüssel, vertröstende Worte aus Frankreich: Die internationalen Partner reagierten am Mittwoch mit Vorsicht auf den Vorstoß der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, einen internationalen Stabilisierungseinsatz in Nordsyrien in die Wege zu leiten. „Ich begrüße es, dass Nato-Alliierte Vorschläge haben, wie man einer politischen Lösung näherkommen kann“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Eine politische Lösung könne unterschiedlicher Gestalt sein, müsse aber alle Beteiligten vor Ort einbeziehen. Der Vorschlag sei zwar sicherlich „gut gemeint“, er sei aber nicht mit den Partnern abgestimmt und passe nicht zu den „Dynamiken“ vor Ort, hieß es in Paris.
Kramp-Karrenbauer will an Plänen für Nordsyrien festhalten
Trotzdem will Kramp-Karrenbauer an ihrer Forderung festhalten und konkretisierte im Verteidigungsausschuss des Bundestags ihre Ideen. Sie will die von ihr vorgeschlagene Sicherheitszone in Nordsyrien von einer UN-Truppe schützen lassen. Für den Einsatz müsse es ein Mandat der Vereinten Nationen geben und die Truppe sollte auch von den UN geführt werden. Das wäre dann ein Blauhelmeinsatz, wie man ihn etwa aus Mali kennt. In Afghanistan ist dagegen eine Nato-Truppe im Einsatz.
Benötigt würde die ganze Bandbreite militärischer Fähigkeiten – auch Kampftruppen. Wie groß die Truppe sein müsste und inwieweit sich die Bundeswehr daran beteiligen könnte, wollte Kramp-Karrenbauer nicht sagen. Die Aufgaben der Mission sollten die Trennung der Konfliktparteien, die Überwachung einer Waffenruhe sowie die Erstellung von Lagebildern sein.
Deutsche Soldaten könnten Sektor in Sicherheitszone übernehmen
Die Sicherheitszone könne in Sektoren eingeteilt werden, von denen Deutschland einen übernehmen könne. So ist die Nato auch bei ihrer Stabilisierungstruppe in Afghanistan vorgegangen. Deutschland übernahm die Verantwortung eines Gebiets im Norden Afghanistans. Dort waren zeitweise in mehreren Feldlagern mehr als 5000 Soldaten im Einsatz.
Die Bundeswehr nimmt seit Anfang der 90er Jahre regelmäßig an internationalen Einsätzen etwa zur Stabilisierung ehemaliger Bürgerkriegsländer, Krisenbewältigung oder auch Bekämpfung von Terrorismus teil. Die ersten deutschen Soldaten in einem UN-Einsatz waren 1992 Sanitäter im südostasiatischen Kambodscha. Aktuell sind etwa 3350 deutsche Soldaten im internationalen Einsatz, die meisten davon in Afghanistan (1185), gefolgt von Mali (979) und Irak (449). Die Aufgaben beinhalten dort vor allem Beratertätigkeiten und Aufklärung.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), ist mit Blick auf einen weiteren Einsatz der Truppe skeptisch. „Die Bundeswehr reißt sich nicht um zusätzliche Aufgaben. Schon jetzt sind 17.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in internationale Einsätze eingebunden, von Afghanistan bis zur Nato Response Force“, sagte er.
Sigmar Gabriel unterstützt Forderungen von AKK
Unterstützung erhielt Kramp-Karrenbauer hingegen vom früheren SPD-Außenminister Sigmar Gabriel. Ihre Forderung sei eine logische und richtige Konsequenz, „wenn wir mehr wollen, als nur die aktuelle Lage zu beklagen“, schrieb Gabriel auf Twitter. „In der internationalen Politik gibt es nie ein Vakuum: Wo einer den Raum verlässt – in diesem Fall die USA –, tritt jemand anderes hinein“, so Gabriel weiter. Dies werde in Zukunft hoffentlich Europa sein.
Unterdessen schufen Russland und die Türkei in Syrien Fakten: Die syrische Regierung wird aufgewertet und die Türkei stellt ihre Offensive ein, kann ihre Interessen aber zum Teil durchsetzen. Die Kurdenmiliz YPG muss sich weiter zurückziehen. Nach der Einigung von Sotschi ist die Rebellenhochburg Idlib die einzige Region in Syrien, wo noch gekämpft wird. Noch deutlicher als bisher sind Moskau und Ankara damit die entscheidenden Akteure. „Der große Sieger heißt Russland“, bilanziert Hüseyin Cicek, Politikwissenschaftler und Religionspolitologe am Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien. Der Einflussverlust der USA in der Region sei hingegen mit ihrem Rückzug besiegelt. (mit dpa)