Doch Joe Biden ist fest entschlossen: Bis zum 11. September, dem 20. Jahrestag der Terroranschläge auf New York und das Pentagon in Washington, will der US-Präsident Amerikas längsten Krieg beenden und alle Soldaten aus Afghanistan abziehen. Nach dieser Ankündigung leitete die Nato am Mittwochabend auch offiziell das Ende ihres Einsatzes in Afghanistan ein. Die Alliierten hätten entschieden, mit dem Abzug aus dem Land zu beginnen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur nach einer Videokonferenz der Außen- und Verteidigungsminister der 30 Bündnisstaaten von Diplomaten.
Hintertüren gibt es dieses Mal – anders als bei früheren Ankündigungen – nicht. „Wir müssen unsere Kräfte darauf konzentrieren, die Bedrohungen von heute zu bekämpfen“, erläuterte Präsidentensprecherin Jen Psaki die Entscheidung. Der Präsident, sagte ein hochrangiger Berater, sei überzeugt, das die US-Truppen das Land nie verlassen würden, wenn alle möglichen Bedingungen erfüllt sein müssten.
Joe Biden kennt die Lage in Kabul
Als langjähriger Senator und Ex-Vizepräsident kennt Biden die Lage in Kabul und die Risiken des Rückzugs genau. Doch er ist überzeugt, dass der Verbleib der noch etwa 3500 US-Soldaten im Land keine Fortschritte bringen würde, die in den vergangenen 20 Jahren mit größeren Kontingenten, einer Kriegskasse von rund zwei Billionen Dollar und dem Blutzoll von 2400 gefallenen US-Soldaten nicht erreicht werden konnten.
Ganz überraschend kommt die Beendigung des Einsatzes nicht. Schon im Februar 2020 hatte die Trump-Regierung mit den Taliban einen – allerdings an Bedingungen geknüpften – Abzug zum 1. Mai vereinbart. Dieses Datum zu halten, werde „sehr schwierig“ sein, räumte Biden kürzlich ein.
Ohne die US-Truppen müssen auch die Verbündeten abziehen
Die nun gewählte Verlängerungsfrist von vier Monaten soll dazu dienen, die Operation geordnet und in Abstimmung mit den Verbündeten, die weitere 7000 Soldaten in Afghanistan haben, durchzuführen. Deutschland und die anderen Partnerstaaten sind nicht in der Lage, das Engagement ohne die USA fortzuführen.
Die Amerikaner sorgen dafür, dass verletzte Soldaten schnell in Sicherheit gebracht werden können. Zudem stellen sie wichtige Aufklärungsgeräte und Kampfflugzeuge, die bei Angriffen auf Nato-Soldaten schnell eingreifen können.
Bundeswehr begrüßt Abzug der Nato-Truppen
Der Bundeswehrverband hat den geplanten Abzug der Nato-Truppen und damit auch der etwa 1100 deutschen Soldaten aus Afghanistan begrüßt. Es sei eine folgerichtige Entscheidung von "historischer Tragweite", sagte der Vorsitzende André Wüstner der Deutschen Presse-Agentur. "Sie markiert das Ende des bedeutendsten und zugleich verlustreichsten Einsatzes der Bundeswehr."
Nun gehe es darum, eine sichere Rückkehr der Soldaten nach Deutschland zu organisieren. Wüstner forderte dafür den Einsatz zusätzlicher Schutz- und Spezialkräfte. "Die Gefahren durch Angriffe von außen dürfen ebenso wenig vernachlässigt werden, wie das Risiko durch mögliche Innentäter."
Der Chef des Bundeswehrverbands forderte zudem eine ehrliche Aufarbeitung des 20-jährigen Einsatzes. "Auch, wenn vieles gut gelaufen ist, die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllt hat, gab es unbestreitbar eine Menge Fehler." Wüstner nannte die politischen Weichenstellungen, die Definition unterschiedlicher Ziele für den Einsatz sowie "Machbarkeitsillusionen".
Für die Bundeswehr könnte der Einsatz noch schneller enden
Die US-Truppen werden das Land bis zum 11. September verlassen, die Bundeswehr könnte nach den Plänen der Bundesregierung schon bis Mitte August abziehen. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Truppensteller des Nato-Einsatzes in Afghanistan.
"Fehler können passieren, aber sie dürfen sich nicht wiederholen", betonte der Oberstleutnant, der selbst in Afghanistan stationiert war. "Das sind wir allen schuldig: Denen, die in Afghanistan gedient haben, insbesondere den Verwundeten sowie Hinterbliebenen, und denen, die wir in künftige Einsätze entsenden."
Wüstner wünschte sich außerdem eine Sondersitzung des Bundestags, "um die Leistungen aller, vom Soldaten über den Entwicklungshelfer bis zum Diplomaten, zu würdigen". (mit dpa)
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