Wird sie oder wird sie nicht? Dass sich Annalena Baerbock nicht nur die Kanzlerkandidatur zutraut, sondern selbstredend auch das Kanzleramt, hat die Grünen-Chefin bereits vor Weihnachten klipp und klar zu Protokoll gegeben. Und auch als die 40-Jährige Wahl-Brandenburgerin bei „Augsburger Allgemeine live“ am Montagabend zu Gast ist, lässt sie daran keine Zweifel.
Junge Regierungschefs als Vorbilder in der Corona-Politik
Die Frage, ob eine Frau die deutsche Regierung führen könne, sei nach 16 Jahren Angela Merkel „zum Glück“ längst beantwortet, sagt sie. „Diese Frage wird jetzt umgemünzt, ob das eine Mutter kann“, kritisiert die Grünen-Co-Vorsitzende. Da empfiehlt sie – wohl nicht ganz zufällig – den Blick ins Ausland: „Wenn's in Neuseeland funktionieren kann und offensichtlich auch bei dem Vater in Kanada, dann sollte das auch in Deutschland funktionieren können.“
Auch wenn Baerbock betont, die Frage werde gemeinsam mit ihrem Co-Vorsitzenden und möglichen Mitbewerber Robert Habeck entschieden – der Hinweis auf Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern dürfte nicht von Ungefähr kommen: Die Sozialdemokratin ist nicht nur Mutter einer eineinhalbjährigen Tochter und mit 40 ebenso jung wie Baerbock, sondern hatte anfangs auch mit Zweifeln zu kämpfen, ob man ihr das Amt zutraute.
Inzwischen ist Ardern nicht nur international hoch anerkannt, sondern gilt auch mit ihrer Corona-Politik als Vorbild. Sie hat die Lage ebenso resolut unter Kontrolle wie die 35-jährige finnische Regierungschefin Sanna Marin – ebenfalls Mutter einer kleinen Tochter. Und auch Kanadas junger Premier Justin Trudeau gilt als Impf-Vorbild.
„Dieser Spagat der Vereinbarung von Familien und Beruf ist nicht jeden Tag ein Selbstläufer, sondern man denkt immer wieder, meine Güte, jetzt kommen an dieser Stelle meine Kinder zu kurz“, sagt Baerbock. Diese Momente gebe es heute aber in fast jeder jungen Familie, egal, ob es um Vorstandsvorsitzende oder Krankenschwestern im Schichtdienst gehe. „Für mich gilt, Frauen und Mütter müssen in diesem Land jeden Job machen können“, betont die Grünen-Politikerin. „Diese Entscheidung habe ich für mich getroffen, als ich Vorsitzende unserer Partei geworden bin. Ich habe aber damals schon klar gemacht, dass ich als Spitzenpolitikerin nicht aufhöre Mutter zu sein.“
Grüne entscheiden Kanzlerkandidaten-Frage zwischen Ostern und Pfingsten
Hat denn da Robert Habeck überhaupt noch eine Chance als moderner Mann, ihr nicht den Vortritt zu überlassen, fragt Chefredakteur Gregor Peter Schmitz. Baerbock bleibt ganz Politprofi: „Wir werden gemeinsam für die Partei einen Vorschlag machen, wer in dieser Situation das Beste für diese Zeit, das beste Angebot für diese Partei, diesen Wahlkampf und das beste Angebot für die Gesellschaft ist“, sagt sie. „Und das werden wir zwischen April und Pfingsten entsprechend machen und damit auch personell unseren Wahlkampf untermauern und unterfüttern.“
Universale inhaltliche Sattelfestigkeit, wie sie von einem oder einer Regierungschefin erwartet werden, beweist Baerbock zur Genüge: Die Fragen der Leser und des Interviewers zu deutscher Erdgasförderung, afrikanischem Kobalt-Abbau, Details zum europäisch-chinesischen Investitionsabkommen, der Klimapolitik, Russland-Sanktionen und natürlich zu allen Facetten der deutschen und europäischen Corona-Politik pariert sie problemlos samt grünen Regierungsvorschlägen. Und die wollen die Grünen, wenn es nach Baerbock geht, nicht als kleiner Koalitionspartner, sondern im Kanzleramt umsetzen. „Wir haben einen Führungsanspruch für die nächste Bundesregierung.“
Zuletzt war kurz vor Weihnachten Markus Söder zu Gast bei "Augsburger Allgemeine Live". Hier können Sie das Gespräch noch einmal ansehen:
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