Die Corona-Krise verlangt fast allen Menschen Ungewöhnliches ab, auch unserer Veranstaltungsreihe „Augsburger Allgemeine Live“: FDP-Chef Christian Lindner konnte sich am Dienstagabend nur im Livestream über das Internet den Fragen der Leser und Chefredakteur Gregor Peter Schmitz stellen. Auch wenn sich der Liberale, anders als bei vielen Fernsehinterviews, nicht per Laptop-Kamera von zu Hause zuschalten ließ, sondern in Anzug und Krawatte in seinem Berliner Büro Platz nahm, gab Lindner dennoch ein paar ungewöhnliche Einblicke.
Etwa auf was sich der 41-Jährige freut, was er als Erstes tun kann, wenn der Corona-Lockdown fällt: „Freunde einladen nach Hause zum Grillen bei uns und einen ausgelassenen, tollen Abend haben und einmal nicht sich nur per Skype treffen oder per Telefon, sondern einfach ganz persönlich anstoßen können.“ Denn aus der Corona-Krise habe er auch etwas Positives gelernt: „Mitnehmen können wir alle vielleicht eine neue Sensibilität für unseren mitmenschlichen Umgang, weil wir alle gelernt haben, wie wichtig es ist, dass wir mit Menschen in Kontakt kommen können und wie bedeutsam unsere Freiheit ist.“
Christian Lindner über Corona-Lockerungen: Menschen haben gelernt, mit Risiken umzugehen
Doch auch politisch gab Lindner manch ungewöhnliche Einsicht preis und räumte selbstkritisch ein, dass auch seine Partei der Versuchung nicht widerstehen könne, in der Corona-Krise alte Forderungen als Medizin gegen die Krise aufzuwärmen: „Auch wir neigen dazu, das, was man schon immer für richtig gehalten hat, jetzt als wichtig vorzutragen.“ Das hinderte ihn natürlich nicht daran, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags zu fordern. Er betonte aber auch, dass man vielleicht als Erstes die Stromsteuern auf ein europäisches Minimum reduzieren solle, weil da jeder etwas davon habe.
Doch froh ist Lindner vor allem, dass sich Bund und Länder endlich zu Lockerungen in der Corona-Politik durchgerungen hätten - wenn auch nach seiner Meinung mindestens eine Woche zu spät: „Es ist gut, wenn es jetzt Schritte zu einer anderen Corona-Strategie gibt“, betonte er. „Die Zahlen sprechen dafür, dass wir den Status der Beherrschbarkeit erreicht haben.“ Die Folgen der Pandemiebekämpfung brächten inzwischen größere Risiken als das Virus selbst mit - wirtschaftlich, psychologisch und sozial. Doch die Menschen hätten längst gelernt, in Freiheit verantwortlich mit den Risiken umzugehen.
Christian Lindner hält Corona-Lockerungen für "gut und richtig"
Auch wenn jetzt viele vor einer zweiten und dritten Welle der Pandemie warnten. „Ich möchte mir keine Angst machen lassen“, hielt Lindner entgegen. Selbst wenn die nächste Corona-Infektionswelle an Brennpunkten ausbrechen sollte, sei das Land vorbereitet und könne mit den Risiken umgehen. Dann müsse man regional einschreiten, und müsse nicht mehr das ganze Land in einen Shutdown zwingen. „Wenn es in Passau ein starkes Infektionsgeschehen gibt, muss man nicht auf einer Nordseeinsel die Hotels schließen.“
Die Corona-Lockerungen seien deshalb „gut und richtig“, wiederholte Lindner immer wieder. Deshalb hat der FDP-Chef auch für einen CDU-Mann an diesem Land einiges an Lob übrig: Armin Laschet, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, mit dem Lindner vor seinem Bundes-Comeback einst in Düsseldorf den schwarz-gelben Koalitionsvertrag ausgehandelt hatte. Laschet wiederum wird bekanntlich als künftiger CDU-Chef und Kanzlerkandidat gehandelt: „Ich sehe ihn schon als bestätigt“, sagte Lindner. „Der Kurs, den die nordrhein-westfälische Regierung eingeschlagen hat, wird von vielen übernommen. Teilweise überholen die Kritiker die nordrhein-westfälische Regierung plötzlich.“
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