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Aufstände in Ägypten: Gewalt setzt sich fort: Regierung bestätigt 464 Tote

Aufstände in Ägypten

Gewalt setzt sich fort: Regierung bestätigt 464 Tote

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    Die Aufstände in Ägypten gehen weiter. Bislang sind 327 Menschen bei den Protesten ums Leben gekommen.
    Die Aufstände in Ägypten gehen weiter. Bislang sind 327 Menschen bei den Protesten ums Leben gekommen. Foto: Ahmed Assadi (dpa)

    Ägypten rutscht nach den blutigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Anhängern der Muslimbrüder in Chaos und Gewalt. Die Islamisten wollen ihre Proteste gegen die Absetzung von Präsident Mohammed Mursi nach den Freitagsgebeten fortsetzen. Die Angriffe von Extremisten auf Polizeiwachen und christliche Kirchen gingen am Donnerstag weiter.

    Aufstände in Ägypten: Wieder Kirchen angezündet

    Aus Sicherheitskreisen hieß es, in Abanub in der Provinz Assiut sei eine koptische Kirche niedergebrannt worden. Der Feuerwehr sei es nicht gelungen, das Gotteshaus zu retten. In Malawi in der Provinz Al-Minia wurden nach Angaben von Aktivisten in der Nacht Geschäfte von Christen zerstört und das Auto eines Priesters angezündet.

    Das ägyptische Nachrichtenportal youm7 berichtete, die Sicherheitskräfte befürchteten an diesem Freitag "eine neue Welle der Gewalt", sollten die Islamisten erneut demonstrieren. Nach der gewaltsamen Räumung von zwei großen Protestlagern der Mursi-Anhänger in Kairo war es am Mittwoch in Ägypten zu blutigen Unruhen gekommen.

    Bislang 464 Tote bei Protesten in Ägypten

    Dabei kamen nach jüngsten offiziellen Angaben 464 Menschen ums Leben. Unter den Todesopfern seien 421 Zivilisten, teilte das ägyptische Gesundheitsministerium am Donnerstag mit. Demnach gab es allein bei der Räumung des Protestlagers Rabaa al-Adawija in der Hauptstadt Kairo 137 Todesopfer und 57 weitere im kleineren Camp Al-Nahda. 227 Menschen seien bei gewaltsamen Auseinandersetzungen im Rest des Landes getötet worden. Das ägyptische Innenministerium hatte die Zahl der getöteten Sicherheitskräfte zuvor mit 43 angegeben.

    Die Straßen von Kairo blieben am Donnerstagmorgen auch nach dem Ende der Ausgangssperre relativ leer. Viele Menschen blieben aus Furcht vor Gewalt im Haus. Die ägyptische Führung hat den Notstand ausgerufen und über Kairo und andere Landesteile eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.

    Ägypten: Ausgangssperre sorgt für ruhige Nacht

    Nach Angaben der staatlichen Medien war nach Mitternacht in den meisten Landesteilen langsam Ruhe eingekehrt. Das Fernsehen berichtete allerdings von zwei Polizisten, die vor einer Polizeiwache in Al-Arisch auf dem Sinai getötet worden seien.

    Nicht überall wurde die nächtliche Ausgangssperre beachtet. In Alexandria hätten Mursi-Anhänger mehrere Straßen blockiert und Straßenbahnwaggons angezündet, hieß es. Seit Mittwoch soll die Polizei landesweit etwa 560 Menschen festgenommen haben.

    Fernsehbilder aus der Nacht zum Donnerstag zeigten gespenstisch anmutende Szenen: Während auf den Straßen Kairos fast ausschließlich Militärfahrzeuge unterwegs waren, sorgten brennende Autowracks für eine schaurige Kulisse.

    Das ewige Ägypten

    Ägypten heißt offiziell Arabische Republik Ägypten.

    Ägypten liegt in Afrika und Asien.

    Die Amtssprache ist Arabisch.

    Das Land grenzt an Libyen, den Sudan, Israel und den Gaza-Streifen.

    Lebensader Ägyptens ist der Nil.

    Die Hauptstadt ist Kairo. Weitere große Städte: Alexandria, Gizeh, Schubra al-Chaima, Port Said, Sues und Luxor.

    Auf 1.001.449 Quadratkilometern leben mehr als 80 Millionen Ägypter.

    Das Kfz-Kennzeichen ist ET, die Internet-TLD .eg und die Telefonvorwahl die 20.

    Die Währung des arabischen Landes ist das Ägyptische Pfund, das 100 Piaster entspricht.

    Ägypten wurde am 28. Februar 1922 von Großbritannien unabhängig.

    Westen verurteilt Gewalt in Ägypten scharf

    Die USA und die Europäische Union verurteilten die Gewalt scharf. Außenminister Guido Westerwelle berief wegen des Blutvergießens den Krisenstab des Auswärtigen Amts ein und forderte bei einem Besuch in Tunesien: "Das Blutvergießen muss beendet werden, und zwar durch Gespräche und Verhandlungen." Er appellierte erneut an alle Deutschen in dem Land, die Reisehinweise des Auswärtigen Amts im Internet zu beachten.

    Übergangs-Ministerpräsident Hasem al-Beblawi sagte am Abend im Staatsfernsehen, es habe keine Alternative zu der Räumung der Lager gegeben. Der Staat sei zum Handeln gezwungen gewesen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Islamisten hatten die Zeltlager in Kairo vor fünf Wochen errichtet, um Mursis Wiedereinsetzung zu erzwingen. Das Militär hatte den Präsidenten am 3. Juli nach Massenprotesten abgesetzt.

    Die arabische Welt im Umbruch

    Seit Ende 2010 befinden sich große Teile der arabischen Welt in schweren Turbulenzen: In Ägypten wurden mittlerweile zwei Präsidenten gestürzt, Syrien schlitterte in einen blutigen Bürgerkrieg, und sowohl Tunesien als auch Libyen durchlaufen nach gewaltsamen Revolutionen schwierige Übergangsphasen.

    ÄGYPTEN: Der erste demokratisch gewählte Präsident des 80-Millionen-Einwohner-Landes, Mohammed Mursi, wurde an diesem Mittwoch nach nur einem Jahr im Amt vom Militär gestürzt. Zuvor hatte es tagelange Proteste mit dutzenden Todesopfern gegeben, wie sie in ähnlicher Weise im Februar 2011 schon Mursis Vorgänger Husni Mubarak zur Aufgabe zwangen. Während Mubarak seine Macht formal aus eigenen Stücken an das Militär abtrat, ergriffen die Streitkräfte diesmal selbst die Initiative: Sie drängten Mursi aus dem Amt, indem sie Verfassungsrichter Adli Mansur zum Übergangspräsidenten ernannten und damit vorgezogene Neuwahlen einleiteten. Mansur wurde am Donnerstag als neuer Staatschef vereidigt, gleichzeitig verhafteten die Sicherheitskräfte mehrere Anführer von Mursis regierenden Muslimbrüdern, die die wirtschaftlichen Probleme des Landes zum Ärger der Bevölkerung nicht lösen konnten.

    TUNESIEN: Hier nahm die als «Arabischer Frühling» zusammengefasste Protestwelle ihren Anfang, die etliche Länder Nordafrikas und im Nahen Osten erfasste. Der 23 Jahre lang regierende Präsident Zine El Abidine Ben Ali floh am 14. Januar 2011 außer Landes, nachdem die Selbstverbrennung eines verzweifelten Mannes den Volkszorn über wirtschaftliche Probleme entfesselte. Monate später spülten die Wahlen zur Nationalversammlung die moderate Islamisten-Partei Ennahda an die Regierungsmacht, das Parlament wählte Ben Alis Erzrivalen Moncef Marzouki zum Präsidenten. Wegen Streitigkeiten zwischen den Abgeordneten ist bis heute keine neue Verfassung verabschiedet. Neben wiederkehrenden politischen Krisen leidet das Land weiter an sozialen Unruhen und dem Machtzuwachs radikaler Islamistengruppen.

    SYRIEN: Seit 13 Jahren ist in Damaskus Präsident Baschar al-Assad an der Macht, der die Staatsführung seinerseits schon vom Vater übernommen hatte. Im März 2011 aufkeimende Proteste gegen den Autokraten wuchsen sich zu einem brutalen Bürgerkrieg aus, der Aktivisten zufolge inzwischen mehr als 100.000 Menschen das Leben gekostet hat. Nach zwischenzeitlichen Erfolgen verloren die Rebellen in den vergangenen Wochen Boden gegenüber Assads Regierungstruppen und der verbündeten Hisbollah-Miliz aus dem benachbarten Libanon. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geht von knapp sechs Millionen Flüchtlingen im In- und Ausland aus, die ihre syrische Heimat infolge des Bürgerkriegs verlassen mussten und damit auch die zwischenstaatlichen Beziehungen in Nahost belasten.

    LIBYEN: Im Oktober 2011 wurde der seit Jahrzehnten regierende Machthaber Muammar al-Gaddafi getötet, gegen den Aufständische mithilfe der Luftunterstützung durch NATO-Flugzeuge einen blutigen Feldzug geführt hatten. Seitdem bemühen sich Libyens neue Übergangsbehörden um den Aufbau eines Militär- und Sicherheitsapparats, der eigenständig Recht und Ordnung wiederherstellen und den Staat vor Attacken bewaffneter Milizen schützen soll. In den vergangenen Monaten sind sowohl die Sicherheitskräfte als auch Einrichtungen westlicher Staaten immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen geworden.

    JEMEN: Im Zuge des Arabischen Frühlings erhob sich das jemenitische Volk gegen den langjährigen Präsidenten Ali Abdallah Saleh. Es gelang, Saleh in einem Verhandlungsprozess zum Abtreten zu bewegen und eine zweijährige Phase des Übergangs zu vereinbaren. Derzeit wird eine neue Verfassung erarbeitet, für Februar 2014 sind Wahlen angekündigt. (afp)

    Im Verlauf der Unruhen wurden auch zahlreiche christliche Kirchen angegriffen. Nach Angaben des Blattes "Watani" attackierten Islamisten 35 Kirchen oder andere Einrichtungen der Kopten. Der Sprecher der katholischen Kirche in Ägypten, Rafic Greiche, berichtete von Übergriffen gegen 17 Gotteshäuser seiner Kirche. AFP/AZ

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