Mit flammenden Aufrufen gegen Rassismus und Polizeigewalt haben Angehörige und Ehrengäste bei der Trauerfeier für George Floyd Abschied von dem getöteten Afroamerikaner genommen.
"Bis wir wissen, dass der Preis für ein schwarzes Leben derselbe ist wie der Preis für ein weißes Leben, werden wir diese Situationen immer und immer wieder erleben", sagte der prominente Bürgerrechtler Al Sharpton bei der Zeremonie am Dienstag in Houston im US-Bundesstaat Texas. Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden rief in einer in der Kirche übertragenen Videobotschaft zur Überwindung von Rassismus auf. Amerika habe keine andere Wahl, als es in Zukunft besser zu machen. "Wir können die Wunden dieser Nation heilen", sagte Biden.
Floyd war am 25. Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Ein weißer Polizeibeamter hatte sein Knie fast neun Minuten lang in den Nacken des am Boden liegenden Mannes gedrückt - trotz seiner wiederholten Bitten, ihn atmen zu lassen. Der Polizist und drei an dem Einsatz beteiligte Kollegen wurden entlassen, festgenommen und angeklagt. Floyd war wegen des Verdachts, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben, festgenommen worden. Sein Tod löste Massenproteste gegen systematischen Rassismus und Polizeigewalt im ganzen Land und auch weltweit aus.
Nachdem bereits am Montag Tausende zu Floyds aufgebahrtem Leichnam in die Kirche in Houston geströmt waren, nahmen auch am Dienstag noch Menschen Abschied am goldfarbenen Sarg. Floyd war in der texanischen Metropole aufgewachsen. Auf der Bühne standen während der Trauerfeier zwei Bilder Floyds, die ihn mit Engelsflügeln und einem Heiligenschein zeigten. Ein Künstler malte während der von Gospel-Musik begleiteten Zeremonie ein weiteres Porträt von ihm.
Als der Sarg aus der Kirche getragen wurde, reckten viele der Anwesenden ihre Faust als Zeichen des Kampfes gegen Rassismus in die Höhe. Außerhalb der Kirche hielt eine Person ein Plakat mit der Aufschrift: "We will breathe" ("Wir werden atmen") hoch - in Anlehnung an Floyds Worte vor seinem Tod. Er hatte gesagt: "I can't breathe."
Im Anschluss an die Trauerfeier sollte Floyd am Dienstagnachmittag (Ortszeit) in Houstons Nachbarschaft Pearland beigesetzt werden - nach übereinstimmenden Medienberichten neben dem Grab seiner Mutter. Der Leichnam sollte - eskortiert von der Polizei - zum Friedhof gebracht werden. Die letzte Meile (etwa 1,6 Kilometer) der Prozession sollte Floyds Sarg offiziellen Angaben zufolge in einer Pferdekutsche transportiert werden. Entlang der Strecke wurde mit vielen Zuschauern gerechnet. Die Stadt Pearland warnte vor extremen Temperaturen von weit mehr als 30 Grad.
Ex-US-Vizepräsident Biden war am Montag persönlich nach Houston gereist, um Familienangehörige von Floyd zu treffen, darunter dessen sechs Jahre alte Tochter Gianna. Im Video zeigte er sich am Dienstag empathisch, sprach von einem "tiefen Loch" in den Herzen der Familie und der Freunde - und bekam Applaus der Trauergemeinde.
Zu viele Schwarze in den USA "wachen auf und wissen, dass sie ihr Leben verlieren können, indem sie einfach ihr Leben leben", beklagte Biden. "Wenn George Floyd Gerechtigkeit erfährt, werden wir wirklich auf unserem Weg zur Rassengerechtigkeit in Amerika sein."
US-Präsident Donald Trump äußerte sich zunächst nicht zu der Trauerfeier, stattdessen griff er einen verletzten Demonstranten per Twitter an. Trump hat Floyds Tod mehrfach verurteilt. Ihm wird aber vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land zu zeigen.
Floyds Nichte Brooke Williams sagte beim Gottesdienst: "Keine Hassverbrechen mehr, bitte. Jemand hat gesagt: "Make America Great Again". Aber wann war Amerika jemals großartig?" "Amerika wieder großartig machen" war Trumps zentraler Wahlkampfslogan 2016. Williams bekam für ihre Worte viel Applaus.
Bürgerrechtler Sharpton erhob Vorwürfe gegen den US-Präsidenten. "Er hat China wegen der Menschenrechte angegriffen", sagte Sharpton. "Was ist mit dem Menschenrecht von George Floyd?" Sharpton kritisierte, Trump drohe mit dem Einsatz des Militärs gegen die Proteste infolge von Floyds Tod, "aber er spricht nicht ein Wort über acht Minuten und 46 Sekunden". Solange hatte ein weißer Polizist in Minneapolis sein Knie in den Nacken Floyds gedrückt, der daraufhin gestorben war.
Der Tod Floyds hat nicht nur Massenproteste in aller Welt ausgelöst, sondern auch eine Debatte über Polizeireformen in den USA. Der Bürgermeister von Houston, Sylvester Turner, kündigte bei der Trauerfeier für Floyd ein Verbot von Würgegriffen und andere Maßnahmen gegen Polizeigewalt an. "In dieser Stadt werden wir Deeskalation verlangen. In dieser Stadt wird man eine Warnung geben müssen, bevor man schießt", sagte Turner. "In dieser Stadt hat man die Pflicht, einzuschreiten." (dpa)