Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Atomkraftwerke: Bayern blockiert neue Sicherheitsrichtlinien

Atomkraftwerke

Bayern blockiert neue Sicherheitsrichtlinien

    • |
    Das Kernkraftwerk Gundremmingen ist mit seinen beiden Kraftwerksblöcken B und C Deutschlands leistungsstärkstes Atomkraftwerk.
    Das Kernkraftwerk Gundremmingen ist mit seinen beiden Kraftwerksblöcken B und C Deutschlands leistungsstärkstes Atomkraftwerk. Foto: Bernhard Weizenegger

    Blockieren Bayern und Niedersachsen die für diese Tage geplante Verabschiedung des neuen „Kerntechnischen Regelwerks“, das eine Verschärfung der Sicherheitsstandards für die noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke in Deutschland vorsieht, weil sie erst noch von den Betreibern beantragte Leistungserhöhungen für die Atomkraftwerke Gundremmingen (Landkreis Günzburg) sowie Emsland durchsetzen wollen? Die Anlagen wären möglicherweise nach den neuen Standards nicht mehr genehmigungsfähig.

    Diesen Verdacht hegt die atompolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, die baden-württembergische Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl, gegenüber unserer Redaktion. Seit 2003 wird an einem neuen Regelwerk gearbeitet, eine von den Umweltministern Norbert Röttgen und Peter Altmaier (beide CDU) nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima erarbeitete neue Version sollte in dieser Woche vom „Bund-Länder-Ausschuss für Atomkernenergie“ verabschiedet werden. Doch in letzter Minute droht Bayern damit, die Verabschiedung notfalls zu verweigern.

    Bayerisches Umweltministerium spricht sich gegen Neuregelung aus

    So sprach sich das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit am 6. November in einem Brief an das baden-württembergische Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft explizit gegen eine Verschärfung der Sicherheitsstandards aus. Das bisherige Regelwerk bedürfe „nicht zwingend einer Überarbeitung der grundlegenden Sicherheitsanforderungen“, heißt es in dem Schreiben, da die Sicherheitskriterien von 1977 und die Störfallleitlinien von 1983 auch heute noch aktuell seien.

    Experten halten die Sicherheitsvorkehrungen in Gundremmingen für nicht ausreichend

    Das ist das Atomkraftwerk Gundremmingen

    Die Anlage Gundremmingen zwischen Günzburg und Dillingen, die in dieser Form seit 1984 besteht, ist der leistungsstärkste Kernkraftwerksstandort in Deutschland. Die zwei Reaktoren erzeugen pro Jahr mehr als 20 Milliarden Kilowattstunden Strom. Dies entspricht rund einem Drittel des gesamten Verbrauchs in Bayern.

    Die Betreibergesellschaft der Anlage gehört zu 75 Prozent RWE und zu 25 Prozent Eon. Nach dem Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung 2011 sollen Block B im Jahr 2017 und Block C 2021 abgeschaltet werden.

    Das Zwischenlager in Gundremmingen ging im August 2006 in Betrieb. Die Halle liegt rund 150 Meter vom Reaktorgebäude entfernt und ist 104 Meter lang, 38 Meter breit und 18 Meter hoch. Die Wände aus Stahlbeton sind 85 Zentimeter dick. Die Halle verfügt über eine Kapazität von 192 Castoren. Ein Castor wiederum enthält 52 Brennelemente. Damit ist das schwäbische Zwischenlager das größte in Deutschland.

    Wie alle anderen Zwischenlager ist auch dieses für eine Betriebszeit von maximal 40 Jahren ausgerichtet. Das heißt, in Gundremmingen endet die Genehmigung 2046. Spätestens dann, so die ursprüngliche Planung, sollte ein Endlager in Deutschland zur Verfügung stehen.

    Die Kritiker befürchteten schon bei der Genehmigung des Zwischenlagers, dass es de facto zu einem Endlager werden könnte. Außerdem argumentierten sie, dass in jedem der Castoren mehr Radioaktivität enthalten sei, als bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 freigesetzt wurde.

    Gegen den Bau der Zwischenlager wurde bundesweit prozessiert. Im Fall von Gundremmingen reichten fünf Anwohner aus umliegenden Gemeinden Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München ein. Der VGH wies die Klage mit seinem Urteil vom 2. Januar 2006 ab.

    Nach Einschätzung von Experten ist dies aber falsch. So habe das Notkühlsystem des Siedewasserreaktors in Gundremmingen nicht vier Mal 50 Prozent Kapazitäten, wie es das neue Regelwerk fordere, sondern drei Mal 100. Davon sei ein Strang allerdings nicht erdbebensicher, weswegen als „gesicherte Kapazitäten“ nur zwei Mal 100 Prozent zur Verfügung stehen. Dies aber sei nach den neuen Sicherheitsstandards zu wenig, weil auch dann 100 Prozent sicher zur Verfügung stehen müssen, wenn ein Strang beispielsweise wegen Reparaturarbeiten ausfällt und ein anderer wegen eines Defekts, so die Experteneinschätzung.

    Für Sylvia Kotting-Uhl ist es „höchst bedenklich“, dass sich zwei Atomaufsichtsbehörden für Abstriche bei den Sicherheitsanforderungen starkmachen. „Wenn der Aufseher mehr im Interesse des AKW-Betreibers handelt als in dem der Bevölkerung, stimmt etwas nicht“, kritisiert sie. Das neue Regelwerk müsse endlich ohne Abstriche verabschiedet werden, sagt die Karlsruherin. „Atomkraftwerke, die daran scheitern, müssen entweder nachgerüstet oder eher abgeschaltet werden.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden