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Asylstreit: Worauf haben sich Merkel und Seehofer eigentlich geeinigt?

Asylstreit

Worauf haben sich Merkel und Seehofer eigentlich geeinigt?

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    In der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Zirndorf laufen Kinder über das Gelände. Geht es nach den Plänen von CDU und CSU, kommen künftig deutlich weniger Migranten.
    In der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Zirndorf laufen Kinder über das Gelände. Geht es nach den Plänen von CDU und CSU, kommen künftig deutlich weniger Migranten. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Und plötzlich scheint alles ganz schnell zu gehen: Transitzentren sind es, die den ultimativen Bruch zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU verhindern sollen. Was aber verbirgt sich hinter dieser Einrichtung? Was sagt Österreich? Und wo liegt der Unterschied zu den Ankerzentren?

    Worauf haben sich CDU und CSU geeinigt?

    Das Wort klingt vertraut: Transitzentren sollen das fehlende Puzzleteil im Asylstreit innerhalb der Union bilden. Diese Einrichtungen waren schon einmal im Gespräch, als die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 ihren Höhepunkt erreichte. Allerdings sollten damals alle Flüchtlinge in solchen Zentren untergebracht werden und auch die Flüchtlingszahlen waren deutlich höher als heute. Verhindert wurden die Zentren vor drei Jahren übrigens von der SPDSigmar Gabriel legte Widerspruch ein.

    Wie sehen die bislang bekannten Details des Seehofer-Planes aus?

    An der österreichischen Grenze sollen Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise gehindert werden. Sie sollen in Transitzentren kommen, aus denen die Asylbewerber direkt zurückgewiesen werden. „Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen“, heißt es im Kompromisspapier. Wenn Länder sich einer Rücknahme verweigern, soll „die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich“ stattfinden.

    Es ist von „Fiktion der Nichteinreise“ die Rede – was bedeutet das?

    Im Aufenthaltsgesetz heißt es: „Der Ausländer hat eine Grenzübergangsstelle erst dann passiert, wenn er die Kontrollstationen der Grenzpolizei und des Zolls, so weit an den EU-Außengrenzen vorhanden, hinter sich gelassen hat und sich frei in Richtung Inland bewegen kann.“ Anders gesagt: Wer in einem Transitzentrum untergebracht ist, ist noch nicht nach Deutschland eingereist – zumindest theoretisch. Ein ähnliches Verfahren gibt es an Flughäfen. Auch dort können Menschen an der Einreise gehindert und festgehalten werden, wenn ihr Aufenthalt in

    Was sagt die Polizei zum Vorhaben?

    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Pläne für eine Luftnummer und argumentiert juristisch. „An der Binnengrenze ist die Einreise mit Überschreiten der Grenzlinie vollzogen, es kann dort keinen Transitbereich geben“, urteilt GdP-Vize Jörg Radek. Die bislang nur für das Flughafenverfahren geltenden Regeln ließen sich nicht einfach auf eine Landesgrenze innerhalb der EU übertragen, meint er. Auch Österreichs Innenministerin Karin Kneissl hat rechtliche Bedenken. Die „Fiktion einer Nichteinreise“ nach Deutschland bezeichnet sie als „eine Fiktion, mit der ich als Juristin nicht ganz zurechtkomme“. Denn: „Wer auf deutsches Staatsgebiet eingereist ist, ist dort.“

    Was sagen die Österreicher als direkt Betroffene überhaupt zu den Plänen der deutschen Regierung?

    Innenminister Horst Seehofer will sich am Donnerstag mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz treffen. Denn damit der Plan aufgeht, muss zunächst ein Abkommen mit Österreich ausgehandelt werden. In Wien zeigt man sich zurückhaltend – gibt aber auch zu verstehen, dass man auf die deutschen Pläne reagieren werde. Die Grenze nach Italien und Slowenien könnte künftig stärker gesichert werden, ein Dominoeffekt ist zu erwarten. Für Urlauber, die in den nahenden Sommerferien in Richtung Süden fahren, könnte dies zusätzliche Staugefahr am Brenner bedeuten. Italiens Innenminister Matteo Salvini befürwortet zusätzliche Kontrollen am Brenner: „Für uns wäre das ein gutes Geschäft.“ Denn es seien mehr Migranten, die

    Wie groß ist der Andrang von Flüchtlingen an der bayerisch-österreichischen Grenze überhaupt?

    Die Bundespolizeidirektion München stellte von Januar bis Mai 2018 rund 4600 unerlaubte Einreisen über die deutsch-österreichische Grenze fest, sagt Matthias Knott, Pressesprecher der Bundespolizeidirektion

    Sind Transitzentren auch in anderen Grenzregionen geplant?

    Bislang deutet tatsächlich alles darauf hin, dass die Bayern einen Sonderweg gehen. Geäußert hat sich etwa der stellvertretende Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Thomas Strobl hält Transitzentren an baden-württembergischen Außengrenzen nicht für notwendig. „Die Bundespolizei hat die Lage an den baden-württembergischen Grenzen im Griff. Insofern drängt sich die Frage bei uns derzeit nicht auf“, sagt der baden-württembergische Innenminister und CDU-Bundesvize. Sein nordrhein-westfälischer Parteifreund Armin Laschet vertritt die gleiche Haltung. In Nordrhein-Westfalen werden nach den Worten des Ministerpräsidenten keine Transitzentren für Asylbewerber eingerichtet.

    Wie reagieren Flüchtlingsorganisationen auf das Vorhaben?

    Der Vorstandssprecher von Terre des Hommes, Albert Recknagel, fordert die SPD auf, „diesen Irrweg zu stoppen“. Er nennt den Unions-Kompromiss „inhuman“. Geschlossene Transitzentren, in denen Erwachsene und Kinder ausharren müssten, verletzten „massiv“ die Rechte der Flüchtlinge. Die Union gebe „eine menschen- und kinderrechtlich orientierte Asylpolitik auf“.

    Hatten sich Kanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer nicht erst auf Ankerzentren geeinigt? Was ist der Unterschied zu Transitzentren?

    In den geplanten Einrichtungen sollen Schutzsuchende das gesamte Asylverfahren durchlaufen – Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung (kurz: Anker), während es in den Transitzentren an der Grenze zu Österreich nur ein Schnellverfahren gibt. Seehofer will Ankerzentren deutschlandweit einrichten, stößt aber bei vielen Bundesländern auf Widerstand. Ebenfalls noch vor Umsetzungsproblemen stehen die beim letzten EU-Gipfel beschlossenen Aufnahmezentren außerhalb der EU. Bisher hat sich kein Land etwa in Nordafrika bereit erklärt, solche Lager zu beherbergen.

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