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Asylstreit: Wie viele Flüchtlinge kommen tatsächlich nach Europa?

Asylstreit

Wie viele Flüchtlinge kommen tatsächlich nach Europa?

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    Europa im Blick: Noch immer wollen zehntausende Menschen auf dem Seeweg in die EU gelangen.
    Europa im Blick: Noch immer wollen zehntausende Menschen auf dem Seeweg in die EU gelangen. Foto: Olmo Calvo, afp

    Es ist ein Streit voller Emotionen, der zwischen CDU und CSU, zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Innenminister Horst Seehofer tobt. Die nüchternen Zahlen zeigen, dass die Wirklichkeit bisweilen komplizierter ist, als es politische Debatten vermuten lassen. Ein Überblick über die Entwicklung der Flüchtlingszahlen:

    Wie groß ist der Zustrom an Flüchtlingen in die EU?

    In den 28 Ländern der Europäischen Union leben 2,3 Millionen Flüchtlinge (Stand Dezember 2017). Das entspricht 0,45 Prozent der Gesamtbevölkerung. Allerdings kommen inzwischen signifikant weniger Menschen an als noch in den vergangenen Jahren. In Deutschland etwa sind im Rekordjahr 2015 890.000 Flüchtlinge eingereist – im Jahr 2017 waren es noch rund 190.000, im ersten Halbjahr 2018 wurden 78.026 Asylanträge gestellt. Gründe für den Rückgang sind unter anderem die Schließung der Balkan-Route und das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei.

    Welches europäische Land nimmt die meisten Flüchtlinge auf?

    Das ist Deutschland, es folgen Frankreich und Schweden. Zwar kommen die Migranten meist im Süden Europas an, doch von Italien, Griechenland und Spanien aus ziehen viele weiter in Richtung Norden, weil sie sich dort bessere Lebensbedingungen erhoffen. Osteuropa blockt beinahe komplett ab. In Deutschland kommen auf 10.000 Einwohner 117 Flüchtlinge. In Polen sind es drei, in Ungarn sechs Flüchtlinge je 10.000 Einwohner.

    Die wichtigsten Akteure im europäischen Flüchtlingskonflikt (Stand: Juni 2018)

    Horst Seehofer und die CSU

    Der Bundesinnenminister hat ein Maßnahmenpaket zur Migration erarbeitet, die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der Grenze ist ein Teil davon. Der CSU-Vorsitzende begründet dies mit der Sicherheit in Deutschland und der Stimmung in der Bevölkerung. Um seine harte Linie durchzusetzen, scheint er sogar zum Bruch mit der CDU bereit, mit einem Zerfall der Regierungskoalition als Folge. Kritiker werfen Seehofer vor, allein einen Erfolg der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen im Herbst im Blick zu haben. Doch in der CDU wird auch vermutet, dass Seehofer eigentlich Merkels Sturz zum Ziel hat.

    Angela Merkel

    Die Kanzlerin ist die Getriebene in dem Konflikt. Unter dem Druck der CSU hat sie zugesagt, bis Monatsende über bilaterale Abkommen zu Zurückweisungen zu verhandeln – obwohl sie solche Maßnahmen eigentlich ablehnt. Nun will sie wenigstens eine europäische Lösung dazu hinbekommen. Doch in Europa schlägt ihr überwiegend Ablehnung entgegen, ihre wichtigsten Verbündeten sind Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Was immer Merkel erreicht, der Konflikt hat sie bereits jetzt als Kanzlerin und CDU-Vorsitzende gefährlich geschwächt.

    Emmanuel Macron

    Der französische Präsident warnt vor einer anti-europäischen Stimmung, die sich "wie die Lepra fast überall in Europa breitmacht". Er spricht sich gegen Nationalismus und geschlossene Grenzen aus und wirbt zusammen mit Kanzlerin Merkel für gemeinsame EU-Asylstandards und mehr Solidarität bei der Verteilung von Flüchtlingen. Kritiker auch in seiner eigenen Partei werfen Macron Doppelmoral vor: Denn Frankreich weist an der Grenze zu Italien systematisch Flüchtlinge ab.

    Italiens Regierung mit Innenminister Matteo Salvini

    Unter der neuen Populisten-Regierung geht Rom auf Konfrontationskurs zu Merkel. Treibende Kraft ist Innenminister Matteo Salvini, Chef der fremdenfeindlichen Lega. Er weigert sich, bereits in Italien registrierte Asylbewerber wieder zurückzunehmen: "Wir können keinen Einzigen mehr aufnehmen." Damit droht er, Merkels Plan für bilaterale Abkommen zum Scheitern zu bringen. Stattdessen zeigt sich Rom offen für die Zusammenarbeit mit EU-Staaten wie Österreich, die ebenfalls auf eine harte Gangart in der Migrationspolitik drängen.

    Sebastian Kurz und die ÖVP-FPÖ-Koalition in Wien

    Österreichs Bundeskanzler will mit einer "Achse der Willigen" eine restriktivere Migrationspolitik in Europa durchsetzen. Er wirbt dabei für eine regionale Zusammenarbeit zwischen Rom, Wien und Berlin – wobei er insbesondere Seehofer im Blick hat. Sollte Deutschland die Grenzkontrollen verschärfen, kündigte Kurz seinerseits Kontrollen an Österreichs Südgrenzen an. Zugleich positioniert er sich als Vermittler zwischen den westlichen EU-Mitgliedern und den osteuropäischen Visegrad-Staaten, die eine Flüchtlingsaufnahme strikt ablehnen. Ab 1. Juli übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft und will dem Schutz der EU-Außengrenzen Priorität einräumen.

    Jean Claude Juncker

    Der EU-Kommissionspräsident und seine Behörde versuchen seit der Flüchtlingskrise vergeblich, eine Umverteilung von Flüchtlingen aus den stark belasteten Ankunftsländern im Süden Europas auf alle EU-Staaten durchzusetzen – er scheiterte am Widerstand osteuropäischer Länder. In ihren Vorschlägen für den künftigen EU-Finanzrahmen schlug die Kommission jüngst eine massive Aufstockung der Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex von 1000 auf 10.000 Beamte vor sowie eine stärkere finanzielle Unterstützung von Ländern bei der Flüchtlingsaufnahme. (AFP)

    Darf jeder Flüchtling in Deutschland bleiben, der das Land erreicht?

    Wer an der Grenze Asyl beantragt, darf bislang nicht zurückgewiesen werden. Nach europäischem Recht hat jeder Flüchtling in Deutschland Anspruch auf die individuelle Prüfung seines Antrags – er darf also ins Land und muss dann im Zweifel wieder abgeschoben werden. Über Asylanträge urteilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

    Im laufenden Jahr wurde einer von drei Asylanträgen positiv entschieden, viele Migranten erhielten allerdings nur ein befristetes Aufenthaltsrecht. Wessen Asylantrag abgelehnt wird, der muss das Land verlassen, sonst muss er mit der Abschiebung rechnen – zumindest theoretisch. Im Jahr 2017 wurden nur knapp 24.000 Menschen abgeschoben, häufig scheitert das Verfahren. Deshalb will die CSU manche Flüchtlinge gar nicht mehr erst ins Land lassen.

    Worum geht es der CSU genau und was will sie erreichen?

    Bundesinnenminister Horst Seehofer will verhindern, dass Flüchtlinge, für deren Aufnahme und Verfahren ein anderes EU-Land zuständig ist, nach Deutschland einreisen. Er will dies erreichen, indem er sie an der Grenze zurückweist. Seehofer selbst spricht von Flüchtlingen, deren Asylverfahren bereits in einem anderen EU-Staat läuft. Das wäre an der Grenze per Fingerabdruck über die EU-Registrierdatei Eurodac herauszufinden.

    Alle Flüchtlinge über 14 Jahren werden so registriert. Die Zurückweisungen sind rechtlich fraglich: Zwar besagen die europäischen Regeln, dass der EU-Ersteinreisestaat eines Flüchtlings für das Verfahren zuständig ist und der Asylsuchende auch dorthin zurückgeschickt werden kann. Diese sogenannte Überstellung wird derzeit aber zunächst geprüft, anstatt jemanden pauschal abzuweisen.

    Wie viele Menschen würde Seehofers neue Regelung betreffen?

    Das Bundesinnenministerium gibt sich zugeknöpft, will gegenüber unserer Zeitung keine Wenn-dann-Zahlen nennen. In diesem Jahr wurden bis Mitte Juni 18.350 Asylsuchende in Deutschland aufgenommen, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst waren. Im Jahr 2017 wurden von den 198.320 Asylerstanträgen bei 60.490 Personen ein Eurodac-Treffer festgestellt.

    Allerdings beziehen sich diese Zahlen auf ganz Deutschland, Zurückweisungen im Rahmen von Grenzkontrollen finden derzeit nur an der deutsch-österreichischen Grenze statt: bei Passau, in der Nähe von Salzburg und im Inntal. Immer mehr Flüchtlinge kommen aber über die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark. Derzeit gibt es keine Pläne für eine Ausweitung der Grenzkontrollen.

    Werden gar keine Flüchtlinge an der deutschen Grenze abgewiesen?

    Doch. Die Bundespolizei hat im Jahr 2017 mehr als 12.000 Flüchtlinge zurückgewiesen – das geht auch nach geltendem Recht. Die Gründe: kein Antrag auf Asyl, kein gültiger oder ein gefälschter Reisepass, kein Visum, kein gültiger Aufenthaltstitel in Deutschland.

    Was sind die häufigsten Herkunftsländer der Flüchtlinge?

    Nach wie vor kommen die meisten Menschen aus Syrien, es folgen die Länder Irak und Nigeria. In Syrien und im Irak herrscht Krieg, in Nigeria versucht Boko Haram einen islamischen Gottesstaat zu errichten.

    Kommen alle Flüchtlinge, die sich von Afrika aus auf den Weg machen, nach Europa?

    Nein, es gibt nordafrikanische Länder, die versuchen, den Strom zu stoppen. Algerien etwa hat seit dem Jahr 2015 rund 27.000 Menschen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara in ihre Heimatländer zurückgebracht, erklärte der algerische Innenminister Nouredine Bedoui. Das Land gilt als Durchgangsstation für afrikanische Migranten.

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