Im Streit um ihre Asylpolitik wird es einsamer um Angela Merkel. Nach der Kritik aus der Union gehen jetzt auch SPD-Politiker auf Distanz zur Kanzlerin. „Wir brauchen mehr Herz bei der Integration und mehr Verstand bei der Zuwanderung. Dazu gehört auch, dass es Grenzen der Aufnahmekapazität gibt“, sagt Fraktionschef Thomas Oppermann. Seit Wochen fordern Politiker von CSU und CDU ein Machtwort von Merkel, um den Flüchtlingsandrang zu begrenzen.
„Die Kanzlerin muss Führungskraft zeigen“, findet auch Oppermann. Dazu gehöre es, „deutlich zu sagen, dass mit einer Million Flüchtlingen in diesem Jahr unsere Möglichkeiten bei der Aufnahme nahezu erschöpft sind“. Zwar sehen das längst nicht alle in der SPD so, doch Oppermanns Appell erhöht den Druck auf Merkel.
Zumal auch aus Bayern wieder scharfe Töne zu hören sind. Heimatminister Markus Söder, der zuvor bereits Grenzzäune ins Gespräch gebracht hat, stellt sogar das Grundrecht auf Asyl infrage. Doch der CSU-Politiker wird umgehend von seinem Chef zurückgepfiffen: „Mit uns kommt eine Änderung der Verfassung nicht infrage, das sage ich klipp und klar“, kontert Horst Seehofer. Bayerns Ministerpräsident gehört selbst zu den härtesten Kontrahenten der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage. Er warnt vor einem „Kollaps mit Ansage“. Für Seehofer gibt es nur einen Weg, um den Flüchtlingsstrom zu reduzieren: „Merkel muss der Öffentlichkeit klar sagen, dass die Aufnahmekapazität begrenzt ist.“
Angela Merkel rückt nicht von ihrem Kurs in der Asylpolitik ab
Eine grundlegende Kurskorrektur nimmt die Kanzlerin aber auch am Wochenende nicht vor. Sie sieht die EU-Partner in der Pflicht, mehr Asylbewerber aufzunehmen und Deutschland zu entlasten. Auf die Frage, ob sie ihre Entscheidung, die Grenzen für die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge zu öffnen, bereue, sagt Merkel: „Ich würde sie wieder so treffen.“ Es gehe nun darum, die Asylverfahren zu straffen, die Außengrenzen der EU zu schützen und eine faire Verteilung zu gewährleisten.
Bei der Feier zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung äußert sich auch Bundespräsident Joachim Gauck zur aktuellen Debatte. Wie schon im Jahr 1990 stehe Deutschland vor einer Herausforderung, die Generationen beschäftigen werde. „Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammen gehörte.“ Gauck wiederholt seine Mahnung: „Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Er betont außerdem, dass die im Grundgesetz festgeschriebenen Werte nicht zur Disposition stehen. „Toleranz für Intoleranz darf es nicht geben.“ mit dpa