Erfunden haben die Bürokratie vor über 5000 Jahren die Sumerer im heutigen Irak – perfektioniert aber wurde sie im Herzen Europas. Vom Neigungswinkel eines Daches über die Zahl der Toiletten im Restaurant bis zum Paragrafendschungel unseres Steuerrechts, dem wohl kompliziertesten der Welt: Was in Deutschland geregelt werden kann, wird auch geregelt. Bataillone von Beamten sorgen dafür, dass niemand durch das Raster unserer Vorschriften rutscht und alles seine Ordnung hat.
Die Herrschaft der Verwaltung allerdings hat dort ihre Grenzen, wo die Politik sie im Stich lässt. Wie soll der Staat besser zwischen Menschen mit und ohne Perspektive in Deutschland unterscheiden, wenn der Berg an unbearbeiteten Anträgen beim zuständigen Bundesamt immer höher wird anstatt niedriger? Wie kann es sein, dass hunderttausende von Menschen in der Republik unterwegs sind, von denen kein Ministerium und keine Behörde weiß, wer sie sind, woher sie kommen und ob der eine oder andere nicht ähnlich finstere Absichten hat wie die Attentäter von Paris? Und wie will ein Bürgermeister oder ein Landrat die Lage meistern, wenn ihm heute niemand sagen kann, wie viele Flüchtlinge er morgen aufnehmen muss?
Notorische Überforderung bei der Flüchtlingskrise
Neben der schieren Zahl an Menschen, die Tag für Tag kommen, ist der Eindruck der notorischen Überforderung die zweite große Konstante der Flüchtlingskrise. Natürlich hängt das eine mit dem anderen zusammen, dass aber ausgerechnet das wohlorganisierte Deutschland so schnell vor der Realität kapituliert hat, bestärkt viele Bürger nur in ihrem diffusen Unbehagen über das, was sie da gerade erleben. Obwohl das Bundesamt für Migration schon hunderte neuer Mitarbeiter bekommen hat, scheitert die Asylbürokratie noch immer an vermeintlichen Selbstverständlichkeiten: dem Unterscheiden zwischen echten und falschen Pässen, dem Registrieren aller Flüchtlinge, den obligatorischen Gesundheitsuntersuchungen. So rutschen immer mehr Menschen durchs Raster, anstatt der sprichwörtlichen deutschen Ordnung herrscht teilweise das pure Chaos.
Zehn Fakten über Asylbewerber in Bayern
Nach Zahlen, die das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familien und Integration im Internet veröffentlicht, kamen im Jahr 2014 exakt 173.072 Asylbewerber nach Deutschland, davon kamen 25.667 nach Bayern.
Von den 25.667 Asylbewerbern, die Bayern im Jahr 2014 zugeteilt wurden, stammen die meisten aus Syrien (5624 Personen), danach folgen die Herkunftsländer Eritrea (2557), Afghanistan (1906) und Nigeria (1890).
Grob gesagt darf jeder dritte Asylbewerber in Deutschland bleiben. Wer als Asylberechtigter im Sinne des Grundgesetzes anerkannt wird oder Flüchtlingsschutz erhält, weil im Heimatland Gefahr droht, bekommt eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis.
Für Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und andere Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz investierte der Freistaat im Jahr 2014 etwa 410 Millionen Euro.
Die Dauer eines Asylverfahrens ist in jedem Bundesland anders. Nach den aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge dauert ein Verfahren im Bundesdurchschnitt 5,3 Monate, in Bayern durchschnittlich 4,7 Monate.
Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten haben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl derzeit die besten Chancen, in Deutschland bleiben zu dürfen, zum Beispiel Menschen aus Syrien, Eritrea, Afghanistan, dem Irak und Somalia.
Asylbewerber aus den Balkan-Staaten Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina haben nur geringe Aussichten auf Erfolg. Der Grund: Diese Länder gelten seit November 2014 als so genannte sichere Herkunftsstaaten.
Flüchtlinge erhalten pro Monat ein Taschengeld von 140 Euro. Für alle weiteren notwendigen Ausgaben (Ernährung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege) erhalten Alleinstehende außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen monatlich 212 Euro. Insgesamt sind das also 352 Euro. Das entspricht dem Sozialhilfeniveau.
Nach den Bestimmungen des Bundesrechts dürfen Asylbewerber in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland nicht arbeiten und keine Ausbildung machen. Danach bekommen sie eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis, erst nach 15 Monaten haben sie einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt.
Flüchtlinge, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen, werden in einem schriftlichen Ablehnungsbescheid zur Ausreise aufgefordert. Innerhalb einer bestimmten Frist müssen sie dann das Land verlassen. Wer in dieser Frist nicht ausreist, dem droht die zwangsweise Abschiebung. (jsn)
Jetzt rächt es sich, dass Angela Merkel lange geglaubt hat, das Problem werde sich schon lösen lassen, indem auch andere EU-Länder zigtausende von Flüchtlingen aufnehmen und die Union ihre Außengrenze besser schützt. In diesen Wochen des Wartens ist wertvolle Zeit verloren gegangen – und sie vergeht auch jetzt noch. Wo, zum Beispiel, sind denn die neuen Einreisezentren außerhalb Bayerns, in denen Bewerber ohne jede Chance auf Asyl zügig abgefertigt und in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden? Weshalb stellt die SPD die geplanten Schnellverfahren schon wieder infrage, die ihr Parteichef Sigmar Gabriel gerade erst mit der Kanzlerin und CSU-Chef Horst Seehofer ausgehandelt hat? Warum müssen viele Flüchtlinge noch immer monatelang warten, um überhaupt einen Termin beim Amt zu bekommen, bei dem sie dann ihren Antrag stellen? In diesem Fall kostet Zeit buchstäblich Geld, das der Steuerzahler.
Langsam, aber sicher steuert Deutschland so auf den organisatorischen Kollaps zu, für den kein Sachbearbeiter im Landratsamt und kein Asyl-Entscheider in Nürnberg verantwortlich ist, sondern alleine die Politik, die sich wieder einmal im parteitaktischen Klein-Klein verliert. Und das wenige, was verabredet wurde, um die Lage halbwegs in den Griff zu bekommen, hat wenig bis gar nichts gebracht. Im Oktober wurden in Deutschland 181000 Flüchtlinge neu registriert – gleichzeitig aber hat das Bundesamt nur gut 31000 Asylanträge bearbeitet. Größer kann die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit kaum sein.
Jeder Monat kostet Geld – und zwar das der Steuerzahler