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Asyl: Ein Jahr Flüchtlingskrise: Was aus "Wir schaffen das" geworden ist

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Ein Jahr Flüchtlingskrise: Was aus "Wir schaffen das" geworden ist

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    Bilanz nach einem Jahr Flüchtlingskrise: Ein Flüchtling hält ein Foto von Angela Merkel in den Händen. Was ist aus "Wir schaffen das" geworden?
    Bilanz nach einem Jahr Flüchtlingskrise: Ein Flüchtling hält ein Foto von Angela Merkel in den Händen. Was ist aus "Wir schaffen das" geworden? Foto: Sven Hoppe, dpa

    Die Nacht auf den 5. September 2015 markiert eine Wende in der deutschen Politik: Angela Merkel erlaubt die Einreise tausender Flüchtlinge, denen Hunderttausende folgen. Was ist zwölf Monate später aus Merkels Losung: „Wir schaffen das“ geworden?

    Zustrom: Zu den wesentlichen Zielen der Kanzlerin gehörte es, die Flüchtlingszahlen spürbar zu reduzieren. Sie scheiterte damit, die anderen EU-Länder zur Übernahme von Flüchtlingen nach Quoten zu bewegen. Dennoch ging der Zustrom deutlich zurück. Zwei umstrittene Hebel wirken gleichermaßen: Die Schließung der Balkanroute, die gegen Merkels Willen von Österreich und den Anrainerstaaten erzwungen wurde. Und ebenso bremst der von Merkel in der

    Integration: Hier sind noch immer viele Hauptprobleme ungelöst: Derzeit leben – Stand August – in Deutschland etwas mehr als 1,3 Millionen Flüchtlinge. Doch über die Hälfte davon hat noch keine Entscheidung über ihren Asylantrag erhalten – oder ihn wegen des Bearbeitungsstaus beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch gar nicht stellen können. Die Antrags-Entscheidung ist aber die wichtigste Grundvoraussetzung für Integration. Doch selbst für Flüchtlinge „mit guter Bleibeperspektive“ fehlen Plätze in Deutsch- und Integrationskursen. Im Jahr 2015 hatten laut Bamf 283400 Flüchtlinge einen Anspruch auf einen Kurs – doch über 100000 bekamen gar keinen Platz. Dieses Jahr hat sich diese Lücke trotz mehr Personals mindestens verdoppelt. Nach wie vor fehlt es an Lehrern. Und nur 60 Prozent der Teilnehmer bestanden 2015 am Ende den Deutschtest.

    Bildung: Die größte Integrationsarbeit müssen derzeit die Schulen leisten: In den Bundesländern wurden laut Schätzungen über 300000 minderjährige Flüchtlinge neu eingeschult – genaue Statistiken gib es bis heute nicht. Die Kinder werden meist in speziellen Klassen unterrichtet. Die Bildung der Erwachsenen ist sehr unterschiedlich: Nach der Erhebung des Bamf haben 36 Prozent der 2015 registrierten Asylbewerber über 18 Jahren eine Hochschule oder ein Gymnasium besucht und 31 Prozent eine Mittel- oder Fachschule. Aber 23 Prozent besuchten nur die Grundschule und acht Prozent gar keine

    Arbeitsmarkt: Ohne vorliegenden Asylentscheid und Deutschkenntnisse haben Flüchtlinge kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Und selbst mit diesen Voraussetzungen ist es sehr schwer für sie: Die Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass bislang maximal jeder achte arbeitssuchende Flüchtling einen Job gefunden hat. Die Agentur zählte zuletzt 136000 Menschen aus Asylherkunftsländern, die einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen. Zugleich sind 322000 Flüchtlinge als arbeitssuchend registriert. Die Bundesagentur erwartet, dass – nach bisherigen Erfahrungen – in fünf Jahren die Hälfte der erwerbsfähigen Flüchtlinge einen Job gefunden haben wird und erst nach 15 Jahren 70 Prozent.

    Kriminalität: Nach Angaben des Bundeskriminalamts hat der Zustrom an Flüchtlingen unter dem Strich nicht zu einem Anstieg der Kriminalität geführt. Gemessen an ihrem jeweiligen Anteil an den Zuwanderern waren jedoch Marokkaner, Algerier, Georgier, Serben und Tunesier überproportional häufig unter Tatverdächtigen. Syrer, Afghanen und Iraker dagegen unterdurchschnittlich. In den ersten drei Monaten dieses Jahres zählte das BKA 69000 Straftaten durch Zuwanderer: In 67 Prozent der Fälle handelte es sich meist um Diebstähle, Schwarzfahren oder Betrugsdelikte. In 23 Prozent um Körperverletzungen, Nötigung oder Bedrohung. In 700 Einzelfällen handelte es sich um Sexualdelikte, in rund hundert Fällen um versuchte oder vollendete Tötungsdelikte.

    Kosten: Laut einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums rechnet der Bund für den Zeitraum bis 2020 mit insgesamt 25,7 Milliarden Euro Kosten für Grundsicherung und Unterbringung von Flüchtlingen. Nach 15 Monaten Aufenthalt erhalten Flüchtlinge maximal 364 Euro pro Monat. Zuvor sind es zwischen 114 und 219 Euro für Erwachsene. Zudem übernimmt der Staat die Unterbringungskosten. Für Sprachkurse plant der Bund 5,7 Milliarden Euro ein; für Eingliederungshilfen ins Berufsleben fünf Milliarden. Trotz der Milliardenausgaben verbuchen Bund und viele Länder und Kommunen dank hoher Steuereinnahmen Haushaltsüberschüsse.

    Asylverfahren: Die Zahl der Bamf-Mitarbeiter wurde von 2300 auf 8000 aufgestockt. Allerdings sind noch immer über eine halbe Million Asylanträge nicht entschieden. Die Anerkennungsquote für Flüchtlingsschutz lag im ersten Halbjahr 2016 bei 61,5 Prozent; 109000 Asylanträge wurden abgelehnt. 35000 abgelehnte Asylbewerber reisten freiwillig aus, 16430 wurden abgeschoben.

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