In der Späh-Affäre werden täglich neue Details bekannt. Nicht nur, dass der britische und der US-Geheimdienst Zugriff auf praktisch die gesamte Kommunikation der Deutschen haben sollen; wie mehrere Medien jetzt berichteten, bekommen die Spione auch tatkräftige Hilfe von Firmen in Deutschland. Die Unternehmen gestatteten den Geheimdiensten demnach Zugang zu ihren Knotenpunkten in Deutschland. Möglicherweise würden die Daten sogar von den Firmen selbst aufbereitet und gegen Geld herausgegeben.
Udo Vetter ist Strafverteidiger in Düsseldorf, Mitglied der Piratenpartei und einer der bekanntesten Blogger Deutschlands (www.lawblog.de). Er hat in der Späh-Affäre jetzt im Auftrag des schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Dudda Strafanzeige erstattet. Warum, erklärt er im Interview.
Herr Vetter, gegen wen haben Sie Strafanzeige erstattet?
Udo Vetter: Rein formal gegen Unbekannt. Tatsächlich richtet sich unsere Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Flensburg gegen mehrere Telekommunikations-Unternehmen und Anbieter von Netz-Infrastruktur.
Was werfen Sie diesen Firmen vor?
Vetter: Wir berufen uns auf Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden, die vom NDR und der Süddeutschen Zeitung eingesehen werden konnten und veröffentlicht wurden. Demnach sieht es so aus, als würden die NSA und der britische Geheimdienst Anzapfstellen auf deutschem Boden nutzen, um Daten der Internetkommunikation abzuschöpfen.
Dass fremde Geheimdienste unsere Internetkommunikation ausspähen, ist seit Wochen bekannt. Warum erst jetzt diese Anzeige?
Vetter: Es gab zwar die Erkenntnis, dass die ausländischen Geheimdienste aus deutscher Sicht Rechtsverstöße begehen. Aber das Problem war doch, dass deutschen Behörden praktisch die Hände gebunden sind, wenn Dienste in den USA oder in Großbritannien gegen deutsches Recht verstoßen. Jetzt sieht es so aus, als würden tatsächlich auf deutschem Boden riesige Datenmengen abgeschöpft. Wir haben also Tatorte in Deutschland. Und das begründet einen Anfangsverdacht, dem die Ermittlungsbehörden nachgehen sollten.
Nämlich welchen Verdacht?
Vetter: Wenn Telekommunikationsfirmen in Deutschland ohne rechtliche Grundlage Daten an ausländische Geheimdienste weitergeben, ist das ein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis. Und ich kann kein Gesetz erkennen, das so etwas erlauben würde. Rein strafrechtlich steht eine Geheimdienstliche Agententätigkeit und ein Abfangen von Daten im Raum.
Meinen sie, da wurde bewusst gegen deutsches Recht verstoßen, um ausländischen Geheimdiensten zu helfen?
Vetter: Viele der betroffenen Unternehmen haben ihre Mutterkonzerne in den USA. Da liegt es nicht fern zu glauben dass die gesagt haben "Was soll's, das wird schon in Ordnung gehen", wenn entsprechende Anfragen kamen. Der Kreis der Betroffenen, die in den Firmen davon wussten, dürfte ohnehin ziemlich klein gewesen sein.
Was wird es nach Ihrer Strafanzeige weitergehen?
Vetter: Ein Anfangsverdacht reicht aus, um zum Beispiel Zeugen vorzuladen oder Hausdurchsuchungen vorzunehmen. Das könnte nun passieren. Einer dieser möglichen Zeugen könnte Edward Snowden sein. Wir haben vorsorglich beantragt ihn zu vernehmen.
Man hat das Gefühl, die Aufregung darüber, dass jedes unserer Telefonate mitgehört, jede unserer Mails mitgelesen werden kann, hält sich in Grenzen. Sehen Sie das auch so?
Vetter: Ich glaube, das Problem ist vielen Menschen schon durchaus bewusst. Aber sie fühlen sich einfach ohnmächtig. Sie glauben, nichts gegen die Ausspähung tun zu können.
Sie sind Rechtsanwalt. Verschicken Sie noch Mails mit sensiblem Inhalt oder führen vertrauliche Telefonate?
Vetter: Es wird für einen sorgfältig arbeitenden Strafverteidiger tatsächlich nicht einfacher geworden, elektronisch zu arbeiten. Im Zweifelsfall bleibt nur noch das persönliche Gespräch. Dann treffe ich mich mit meinem Mandaten eben zum Spaziergang am Rheinufer. bo