Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Verbotsverfügung der Polizei für eine geplante Demonstration gegen die Corona-Politik gekippt. Die Veranstaltung am Samstag könne unter Auflagen stattfinden, sagte ein Gerichtssprecher am Freitag der dpa. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Gegner der Corona-Maßnahmen hatten unter anderem eine größere Demonstration auf der Straße des 17. Juni am Samstag in der Hauptstadt angemeldet. Die Polizei untersagte diese. Gegen die Verbotsverfügung gingen die Initiatoren gerichtlich vor.
Als einen Grund für das Verbot nennt die Polizei, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen - oft ohne Maske und Abstand - ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Demonstrations-Initiator Michael Ballweg hatte dagegen in einer Erklärung von einem "feindlichen Angriff auf das Grundgesetz" gesprochen. Zur größten Kundgebung am Wochenende hatte die Initiative Querdenken 711 aus Stuttgart für Samstagnachmittag 22.000 Teilnehmer angemeldet. Das Verwaltungsgericht räumte dem Land Berlin eine Frist bis zum Freitagnachmittag für eine Stellungnahme ein. Dabei geht es um eine Erwiderung auf den Widerspruch von Querdenken gegen das Demo-Verbot.
Berliner Bürgermeister geht davon aus, dass Anti-Corona-Demo Menschen gefährden könnte
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verteidigte das Verbot. Wenn schon von vornherein angekündigt werde, Corona-Regeln nicht zu achten, dann sei das von vornherein eine Gefährdung vieler Menschen, sagte Müller am Donnerstagabend.
Bereits die Demonstration gegen die Corona-Politik am 1. August in Berlin habe gezeigt, dass Demonstranten "sich bewusst über bestehende Hygieneregeln und entsprechende Auflagen" hinwegsetzten, hatte es von Innensenator Andreas Geisel (SPD) zudem geheißen. In der Verbotsverfügung schreibt die Polizei unter anderem: "Das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit überwiegt in der gebotenen Rechtsgüterabwägung das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit." Ein Infektionsrisiko bei "Corona-Gegnern" sei erheblich höher, "als bei solchen Personen, die die Infektionsschutzmaßnahmen streng beachten".
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte Verständnis für das Verbot. "Ich respektiere die Berliner Entscheidung", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin. "Und wir haben ja auch gerichtliche Überprüfungswege in Deutschland, wir sind ja ein Rechtsstaat. Man wird sehen, wie sich das dann entwickelt."
Kanzleramtschef Helge Braun sagte in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner": "Was ich sehr schwierig fand und was hier, glaube ich, das große Problem war, dass bei der Begründung der Ablehnung der Demonstration die Absicht der Demonstranten mit in die Argumentation einbezogen worden ist. Und das geht natürlich nicht". Der CDU-Politiker sprach von einer ganz schwierigen Abwägungsfrage bei dem Verbot. "Ich finde, dass auch Corona-Gegner demonstrieren können", sagte der Kanzleramtschef. Man müsse sich dort natürlich auch den Regeln unterwerfen.
Gerichtsstreit um verbotene Anti-Corona-Demo könnte weitergehen
Berlins Regierender Bürgermeister Müller sagte, nicht nur die Teilnehmer selbst seien gefährdet. "Die Demonstranten gehen zurück, sie fahren mit dem ÖPNV nach Hause, sie gehen an den Arbeitsplatz, sie gehen in die Familie. Und überall bei diesen Kontakten gefährden sie wieder andere", sagte Müller. "Und sie senden ein Signal aus, dass nicht wichtig ist, was im Zusammenhang mit der Pandemie beschlossen wird. Das können wir so nicht akzeptieren."
Beide Parteien kündigten an, im Fall eine Niederlage in erster Instanz vor das Oberverwaltungsgericht zu ziehen. Querdenken will dann notfalls auch das Bundesverfassungsgericht anrufen. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik will sich am Mittag noch einmal zum Demonstrationsverbot äußern.
Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, die CSU-Politikerin Andrea Lindholz, nannte das Berliner Verbot "nachvollziehbar". "Weder die Veranstalter noch die Teilnehmer haben bei der letzten Demo die Auflagen zum Schutz der Allgemeinheit eingehalten", begründete Lindholz dies in der Passauer Neuen Presse. Allerdings dürften solche Verbote nicht zur Regel werden. "Grundsätzlich ist friedlicher Protest gegen die Corona-Maßnahmen legitim, solange sich alle an die vereinbarten Regeln halten", sagte die CSU-Politikerin. (dpa)
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