Die Regierung befürchtete am Sonntag, dass es im Atomkraftwerk Fukushima 1 in zwei Reaktoren zu einer hochgefährlichen Kernschmelze kam. In der Erdbeben- und Tsunami-Region wurde derweil weiter nach Überlebenden gesucht, die Behörden befürchteten tausende Tote.
"Die derzeitige Lage mit dem Erdbeben, dem Tsunami und den Atomanlagen ist auf gewisse Weise die schwerste Krise seit 65 Jahren, seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Regierungschef Naoto Kan. Die Lage im Atomkraftwerk Fukushima 1 rund 250 Kilometer nördlich von Tokio sei weiter ernst. Dort hatte am Samstag eine Explosion das Gebäude rund um den Block 1 zerstört. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Tokyo Electric Power (Tepco) wurde der Schutzmantel des Reaktors aber nicht beschädigt.
Die japanische Atomaufsicht stufte den Vorfall als "Unfall" der Stufe vier auf der internationalen Bewertungsskala von null bis sieben ein. Am Sonntag wurde dann bekannt, dass auch in einem zweiten Reaktor der Anlage nach dem Ausfall des Kühlsystems eine Explosion drohte. Wegen erhöhter Radioaktivität mussten 22 Menschen im Krankenhaus behandelt werden. Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) wurden rings um Fukushima 1 etwa 210.000 Menschen aus der Gefahrenzone gebracht.
Auch für das Kraftwerk Onagawa im Nordosten des Landes, in dem es nach dem Beben gebrannt hatte, wurde wegen überhöhter Radioaktivität der Notstand ausgerufen. Nach Angaben der japanischen Behörden sei die Situation in den drei Reaktoren aber "unter Kontrolle", erklärte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. In dem Atomkraftwerk Tokai fiel teilweise das Kühlsystem aus, wie der Betreiber am Montag (Ortszeit) mitteilte. Eine Kühlpumpe sei ausgefallen, eine Zusatzpumpe arbeite jedoch und kühle den Reaktor.
Vorsichtshalber waren nach dem Beben vom Freitag viele Kraftwerke heruntergefahren worden, was Japan nun eine Stromknappheit beschert. Im Osten des Landes soll es ab Montag bis mindestens Ende April großflächige Stromabschaltungen geben.
Der Osten Japans war besonders von dem Beben der Stärke 8,9 und den anschließenden Tsunami-Wellen betroffen. Die Behörden richteten mehr als 2000 Notlager ein, in denen bis Sonntag etwa 380.000 Japaner Zuflucht suchten. Genaue Zahlen über die Todesopfer lagen weiter nicht vor. Allein in der am schlimmsten getroffenen Präfektur Miyagi könnte die Zahl der Toten nach Polizeiangaben auf über 10.000 steigen. Für die kommenden drei Tage wurde zudem ein neues sehr starkes Erdbeben erwartet.
Um den Opfern zu helfen und Überlebende zu bergen, mobilisierte die Regierung in Tokio 100.000 Soldaten. Aus der ganzen Welt trafen zudem am Wochenende Helfer und Suchteams ein, auch das Technische Hilfswerk (THW) ist mit 46 Mitarbeitern und Suchhunden vor Ort.
Die Bundesregierung rief für das Erdbebengebiet eine Reisewarnung aus und rief Deutsche insbesondere im Umfeld der Atomkraftwerke zur Ausreise auf. Bis Sonntag hatte die Botschaft noch keinen Kontakt zu etwa der Hälfte der rund hundert Deutschen, die in der betroffenen Region lebten. Es sei aber unklar, ob sie sich zum Zeitpunkt der Katastrophe überhaupt in der Region aufgehalten hätten, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP).