Angela Merkel erwägt einem Medienbericht zufolge einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. Sollte die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko bis zur EM in sechs Wochen nicht freigelassen werden, will Merkel ihren Ministern nach Informationen des "Spiegel" empfehlen, den Spielen fernzubleiben.
Timoschenko im Hungerstreik
Timoschenkos Tochter flehte die Bundesregierung an, sich für ihre Mutter einzusetzen. Wie der "Spiegel" am Sonntag vorab berichtete, könnte Merkel lediglich für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in seiner Funktion als Sportminister eine Ausnahme machen.
Friedrich will Timoschenko treffen
Friedrich will das Spiel Deutschland gegen die Niederlande in Charkiw, wo Timoschenko im Gefängnis sitzt, nach eigener Aussage nur besuchen, wenn er die 51-Jährige vorher treffen kann. Julia Timoschenko, die an Bandscheibenproblemen leidet, verbüßt eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs. Die EU kritisiert die Inhaftierung der Ex-Regierungschefin als politisch motiviert. Timoschenko protestiert mit einem Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen und wirft den Behörden Misshandlung vor.
Pressestimmen zum möglichen EM-Boykott
Die "Märkische Allgemeine" aus Potsdam meint zu einem möglichen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine: "Was ist politischer als das selbsterklärte Ziel der Völkerverständigung? Dieses Wort aber beschreibt den einzig gangbaren Weg, will man die Ukraine nicht verlieren. Es geht um eine Verständigung, um einen kritischen Dialog.
Der kann von politischer Seite so aussehen, dass westliche Vertreter mit einem persönlichen Boykott drohen. Die Reaktion zeigt, dass dies nicht wirkungslos bleibt. Ähnlich hat es die Kanzlerin 2008 gehalten. Sie ist nicht zu den Olympischen Spielen nach China gefahren, der Dialog mit Peking aber blieb bestehen. Will man diesen auch im Fall der Ukraine, dann hilft nicht nur Distanz. Es braucht auch Nähe."
"Es geht um Zivilcourage"
"Münchner Merkur" zu Ukraine/EM/Timoschenko: "Ein politischer Boykott der Spiele würde das Regime und nicht den Fußball ins Abseits stellen. Gepunktet hat die Truppe um Präsident Janukowitsch und verloren hat Timoschenko erst dann, wenn europäische Politiker zu Claqueuren des Regimes werden und sich dabei auf den Tribünen der Stadien auch noch vorführen lassen. Es geht nicht nur um Julia Timoschenko oder um Geld. Es geht vor allem um Selbstachtung und Zivilcourage." (dpa, afp, AZ)