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Porträt: Andrea Nahles: Die "Trümmerfrau" der SPD

Porträt

Andrea Nahles: Die "Trümmerfrau" der SPD

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    Bislang führten nur Männer die SPD an - mit Andrea Nahles steht nun erstmals eine Frau an der Parteispitze.
    Bislang führten nur Männer die SPD an - mit Andrea Nahles steht nun erstmals eine Frau an der Parteispitze. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Das Amt ist gerade vielleicht nicht das schönste neben dem des Papstes, wie es einst Franz Müntefering behauptete. Aber für Andrea Nahles bedeutet die Übernahme des SPD-Vorsitzes das Ende eines langen Weges - und doch erst den Anfang. Sie hält nichts von historischen Vergleichen, auch wenn sie in einer Reihe mit August Bebel, Willy Brandt und anderen SPD-Vorsitzenden stehen wird. Zum Start am Sonntag in Wiesbaden gibt es erst mal einen kräftigen Dämpfer. Nur etwas über 66 Prozent - Konkurrentin Simone Lange, eine Kommunalpolitikerin, schneidet unerwartet gut ab.

    Andrea Nahles ist die "Trümmerfrau"

    Dennoch: Es ist ein Anfang. Auch, weil die SPD nach dem fast schon tragischen Ende der Episode Martin Schulz, den heftigen Debatten um den Eintritt in die große Koalition und dem drohenden Überrunden durch die AfD akut um ihre Zukunft fürchten muss. Nahles ist die "Trümmerfrau". 

    Die Tochter eines Maurers aus der Eifel gründete einst selbst einen SPD-Ortsverein. Als Fahranfängerin hatte sie in Schweden einen schweren Autounfall, daher die Narbe an der Stirn. Ihre Magisterarbeit schrieb die Germanistin über die "Funktion von Katastrophen im Serien-Liebesroman". Als Jusos-Chefin unterstützte sie den Sturz von Rudolf Scharping durch Oskar Lafontaine, später trug sie auch zum Rücktritt von Franz Müntefering bei. Sie kann Machtpolitik - und kämpft gegen ein klischeehaftes Image an: etwa das, eine laute politische Nervensäge oder kratzbürstig zu sein.

    "Löffelstiel" und "Bätschi": Zitate von Andrea Nahles

    Andrea Nahles ist selten um klare Worte verlegen, die Authentizität ist ihr Markenzeichen. Eine Auswahl prägnanter Zitate:

    "Hausfrau oder Bundeskanzlerin."

    (Nahles 1989 in der Abizeitung zum Berufswunsch.)

    "Schufter mit Herz."

    (Nahles vor dem Sonderparteitag 2018 im dpa-Gespräch auf die Frage, welche Schlagzeile sie über ein Porträt über sich setzen würde.)

    "Ich benutze keine Taschenuhren; und in der weiblichen Garderobe ist dafür auch gar kein Platz vorgesehen."

    (Nahles in dem selben Gespräch zur Legende, dass neue SPD-Vorsitzende vom Vorgänger eine Taschenuhr des Gründungsvaters August Bebel überreicht bekommen.)

    "Wenn ich samstags die Straße kehre, kommen da immer ein paar Leute vorbei, da wird viel gequatscht und ich weiß, was die Leute wirklich beschäftigt."

    (Nahles in dem selben Gespräch zur Bedeutung ihres Heimatorts Weiler in der Eifel und der Frage, was die Menschen jenseits der Blase Berlin bewegt.)

    "Das ist gefrühstückt, Leute, das wollen die Medien immer gerne haben. Das hat die Partei nicht vor."

    (Nahles im November 1995 vor dem Parteitag in Mannheim auf die Frage, ob Oskar Lafontaine Rudolf Scharping stürzen könnte - unterstützt von einer Rede der Juso-Chefin Nahles stürzte Lafontaine schließlich Scharping.)

    "Rudolf, das war mir zu viel Lirum, Larum, Löffelstiel."

    (Nahles beim Parteitag 1995 in Mannheim zu Rede Scharpings - sie bejubelte anschließend den Sturz durch Lafontaine.)

    "Für die Agenda kriegen wir vielleicht irgendwann einmal den Ehrenpreis für aufrichtige Reformen, doch eine Wahl gewinnen wir so nicht."

    (Am 4. Juni 2005 im «Spiegel» über die Arbeitsmarktreform)

    "Ich hab ja gar nichts dagegen, mal Bundeskanzlerin zu werden, aber ich will doch noch ein bisschen leben!"

    (Im Juni 2008 im «Stern»)

    "Basta und Testosteron hatten wir in den letzten Jahren genug."

    (Am 13. November 2009 auf einem Parteitag in der Bewerbungsrede um das Amt der SPD-Generalsekretärin)

    "Ich mach' mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt."

    (Am 3. September 2013 singt sie das Pippi-Langstrumpf-Lied im Bundestag - als Form der Kritik an der Bundesregierung)

    "Für die Leute machen wir das, verdammte Kacke nochmal."

    (Am 5. März 2014 über die Rente mit 63)

    "Ich rieche ihre Schwäche."

    (Am 10. Dezember 2016 über CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel auf einem SPD-Landesparteitag in Bayern)

    "Ein bisschen wehmütig - und ab morgen kriegen sie in die Fresse!"

    (Am 27. September 2017 auf die Frage, wie sie sich nach ihrer letzten Kabinettssitzung mit den Unionskollegen fühle - damals dachte Nahles noch, die SPD geht in die Opposition statt in die große Koalition.)

    "Die SPD ist in die Opposition geschickt worden. Punkt!"

    (Am 29. September 2017 in der «Bild»-Zeitung)

    "Die SPD wird gebraucht. Bätschi, sage ich dazu nur. Und das wird ganz schön teuer. Bätschi, sage ich dazu nur."

    (Am 7. Dezember 2017 über Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche)

    "Wir werden verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite."

    (Am 21. Januar 2018 über Koalitionsverhandlungen mit der Union)

    "Das zeugt von beachtlicher menschlicher Größe."

    (Am 9. Februar 2018 über den Verzicht des bisherigen SPD-Chefs Martin Schulz auch auf das Amt des Außenministers nach Protest an der Basis, weil er den Gang in ein Kabinett Merkel zuvor ausgeschlossen hatte)

    Nach dem Absturz auf 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl wechselte sie als eine der wenigen verbliebenen Personalhoffnungen der SPD vom Posten der Arbeitsministerin auf den Fraktionsvorsitz. Sie dachte wie alle, man gehe in die Opposition, der Union versprach sie ironisch, jetzt gebe es "in die Fresse". Als Jamaika scheiterte und die SPD unter Druck kam, ihre Ablehnung einer weiteren Regierungsbeteiligung zu überdenken, kamen klare Worte eher von Nahles als von Schulz.

    Ihr Privatleben schottet Andrea Nahles ab

    Sie war es, die beim Bonner Sonderparteitag Klartext redete - und so eine knappe Mehrheit für Verhandlungen rettete. Als Ministerin hatte Nahles in der vergangenen großen Koalition SPD-Herzensanliegen wie den Mindestlohn auf den Weg gebracht.

    Ihr Privatleben schottet sie ab, Tochter Ella (7) geht daheim in Rheinland-Pfalz auf eine Einklassenschule. Nahles' Heimatdorf Weiler ist auch wichtig, um zu spiegeln, was die Leute bewegt. Könnte sie eine Schlagzeile über sich dichten, würde die nach eigenen Worten lauten: "Schufterin mit Herz". An Schufterei wird es nicht mangeln. (dpa/AZ)

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