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Analyse: Wie die Türkei deutsche Moscheen steuert

Analyse

Wie die Türkei deutsche Moscheen steuert

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    Der Innenraum der Ditib-Merkez-Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh: Missliebige Vorstände lokaler Mitgliedsvereine kann der Verband einfach absetzen.
    Der Innenraum der Ditib-Merkez-Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh: Missliebige Vorstände lokaler Mitgliedsvereine kann der Verband einfach absetzen. Foto: Marcel Kusch, dpa (Archiv)

    Die umstrittene türkisch-deutsche Organisation Ditib spricht von einem Neuanfang, doch Kritiker sehen den größten deutschen Islamverband auf dem Weg ins Abseits. Gleich zu Beginn des Jahres liefert der Moscheeverband ein neues Beispiel an Misstrauen und Intransparenz. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wählte der Verband am Wochenende einen neuen Vorstand, dessen Besetzung klarmacht, dass sich der Zugriff des türkischen Staates auf die deutschen Moscheevereine strukturell und personell verstärkt.

    Seit drei Jahren steht der Dachverband im Dauerfeuer von Politik und Medien. Mehrere Bundesländer froren die Zusammenarbeit mit der Ditib, deren türkische Abkürzung für „Türkisch Islamische Union für Religion“ steht, im Bereich Islamunterricht ein: Der Bund stoppte für 2019 alle Förderzahlungen, der Verfassungsschutz prüft eine Beobachtung der Organisation. Behörden und

    All dies sind herbe Schläge für den Verband, der sich in einigen Bundesländern schon auf dem Weg zur Anerkennung als Religionsgemeinschaft sah.

    Vertreter der Muslimbruderschaft bei Ditib-Konferenz in Köln

    Der Präsident des türkischen Religionsamts, Ali Erbas, heizte den Konflikt vergangene Woche auf dem „II. Treffen Europäischer Muslime“ in der Kölner Ditib-Zentrale weiter an: „Die Einschränkung des Islam wie deutscher oder europäischer Islam steht im Widerspruch zur Universalität des Islam, der alle Orte und Epochen zugleich erleuchtet.“ Der Entwicklung eines europäischen Islam, wie sie in den deutschen Universitäten von Theologen diskutiert wird, erteilte er damit eine Absage.

    Pikant war zudem eine Einladung aufs Podium für den Frankfurter Prediger Khaled Hanafy – der Vorsitzende des Fatwa-Ausschusses Deutschland wird von verschiedenen Verfassungsschutzämtern wegen seiner Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft beobachtet. Auch die Anwesenheit des langjährigen, ranghohen Funktionärs der

    Der Religionspädagoge Ismail H. Yavuzcan, Autor und Gastdozent der Universität Tübingen, hat an der Konferenz teilgenommen und zeigt sich enttäuscht. „Es war zu wenig theologisch“, sagt er. „Ich hätte mir in der Abschlusserklärung konkreten Input gewünscht, zur deutschen Imam-Ausbildung etwa und zum Religionsunterricht.“

    Doch dass sich die Ditib sich von Ankara abnabeln könnte, ist nicht zu erwarten. Dies zeigt insbesondere, dass der Verband die Anwesenheit des türkischen Religionsamts-Präsidenten Erbas nutzte, um einen neuen Vorstand zu wählen. Mit dem Ergebnis, dass entgegen der Forderungen aus Politik und Öffentlichkeit an der Spitze des siebenköpfigen Ditib-Leitungsgremiums wieder zwei altgediente türkische Staatsbeamte stehen.

    Der neue Vorsitzende Kazim Türkmen stammt aus der Nordosttürkei und studierte Theologie in der Schwarzmeerstadt Samsun. Mit 24 begann der heute 46-Jährige seine Beamtenlaufbahn als staatlicher Prediger, arbeitete bis 2005 in der Region, bevor ihn das Ministerium für vier Jahre nach Nordrhein-Westfalen entsandte. Dort begleitete er als Imam in Duisburg-Marxloh Bau und Eröffnung der damals größten Moschee Deutschlands. Seit 2014 leitet er zudem die Abteilung für Auslandstürken im Direktorat für Auslandsbeziehungen des Religionsministeriums.

    Bundesanwaltschaft ermittelte wegen Spionage gegen Prediger

    Der neue und alte stellvertretende Vorsitzende Ahmet Dilek ist ebenfalls ein Mann des türkischen Auslandskaders. Dileks Beamtenkarriere begann 1992 als Prediger. 2013 beförderte ihn die Regierung zum Religionsattaché des Kölner Generalkonsulats. Damit saß er zu Hochzeiten der Imam-Spitzelaffäre, die 2017 für schwere diplomatische Verwerfungen zwischen der Türkei und Deutschland führte, an verantwortlicher Stelle.

    Allein in seinem Zuständigkeitsbereich hatten damals sieben Geistliche auf Aufforderung des Konsulats im Auftrag der türkischen Regierung Informationen über Anhänger des umstrittenen Predigers Fethullah Gülen gesammelt und über Dilek als Religionsattaché nach Ankara weitergereicht. Die Bundesanwaltschaft ermittelte gegen die Prediger wegen Spionage. Bevor Anklage erhoben werden konnte, setzten sie sich jedoch in die Türkei ab.

    In der deutschen Ditib-Zentrale war Dilek neben seinem Job nicht nur zweiter Vorsitzender, sondern auch Vize des „Hohen Religionsrats“. Dieses theologische Kontrollgremium hat laut Satzung Zugriff auf das Gemeindegeschehen vor Ort. In den deutschen lokalen Mitgliedsvereinen ist der Rat als „religiöser Beirat“ übersetzt und kann den gewählten örtlichen Vereinsvorständen „mit theologischer Begründung“ das Misstrauen aussprechen und damit de facto absetzen.

    Auf dem Posten des Generalsekretärs gab es einen Wechsel: Der frühere Stellvertreter Abdurrahman Atasoy verdrängte die bisherige Generalsekretärin Emine Secmez. Damit ist in allen drei Leitungsfunktionen keine Frau mehr vertreten. Atasoy studierte an der Universität Osnabrück Theologie. Er gehört damit zur jüngeren, in Deutschland aufgewachsenen und ausgebildeten Generation der Ditib-Funktionäre. Atasoy war „Dialogbeauftragter“ einer Moschee in Münster und wurde im vergangenen Jahr als stellvertretender Ditib-Generalsekretär erstmals auf die Deutsche Islamkonferenz eingeladen.

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