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Analyse: Was macht die AfD so stark?

Analyse

Was macht die AfD so stark?

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    Freude in Brandenburg: Die AfD bejubelt erste Ergebnisse auf ihrer Wahlparty. Aber wer ist eigentlich der typische AfD-Wähler - und wie ticket er?
    Freude in Brandenburg: Die AfD bejubelt erste Ergebnisse auf ihrer Wahlparty. Aber wer ist eigentlich der typische AfD-Wähler - und wie ticket er? Foto: Gregor Fischer, dpa

    Wer wählt warum die Alternative für Deutschland? Über dieses Thema reden sich Politiker, Politikwissenschaftler, Soziologen, aber auch Familien am Esstisch und Cliquen beim Grillen seit Jahren die Köpfe heiß. Seit Sonntag hat diese Debatte reichlich neue Nahrung in Form von fulminanten Zugewinnen der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg erhalten. Dort erreichte die junge Partei 27,5 beziehungsweise 23,5 Prozent der Wählerstimmen.

    Bis zuletzt lautete das gängige Erklärungsmuster, dass die AfD ihre spektakulären Erfolge im Osten in erster Linie Bürgern verdankt, die sich von der Politik abgehängt fühlen, Furcht vor der Globalisierung haben und sich Sorgen vor negativen Auswirkungen durch die hohen Flüchtlingszahlen seit 2015 machen. Oder kurz gesagt: Bei den AfD-Wählern handele es sich ganz überwiegend um Protestwähler – und nur zu einem geringen Teil um Menschen, die aus einem fest gefügten rechten oder gar rechtsradikalen Weltbild heraus konsequent eben auch hart rechts wählen.

    Erhebliche Teile der AfD-Wähler stimmen durchaus ideologisch überein 

    Doch an dieser Version mehren sich die Zweifel. Der aus Leipzig stammende Politikwissenschaftler Michael Lühmann hegt sie schon lange: „Erhebliche Teile der Wählerschaft stimmen durchaus ideologisch überein. Es gibt eine ganze Menge an rechts denkenden Menschen, die einfach wollen, dass eine rechte Partei an die Macht kommt oder zumindest stark wird“, sagt der 39-jährige Wissenschaftler von der Universität Göttingen im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Eine Einschätzung, die von der Analyse des Meinungsforschungsinstituts Forsa gestützt wird: „Die Wähler der AfD sind in den ostdeutschen Ländern eine recht homogene, überwiegend von Männern getragene verschworene Gemeinschaft, die großes Misstrauen gegenüber anderen Menschen, das Gefühl subjektiver Benachteiligung, extreme Statusängste, eine Verachtung des gesamten politischen Systems und eine große Anfälligkeit für völkisches Gedankengut eint“, formulierte

    Frauen und Senioren verhinderten noch größeren Erfolg 

    Tatsächlich zeigt die Analyse der Wahlergebnisse, dass nicht zuletzt Frauen und die Senioren verhindert haben, dass die AfD in Sachsen und Brandenburg noch deutlich stärkere Ergebnisse erzielt hat. Lühmann erinnert zudem daran, dass es auch in der DDR Rechtsextremismus gab und dass der von der SED zur Schau getragene Antifaschismus letztlich „hohl“ war. Die Frage ist, ob und wann ein weiterer Rechtsruck der AfD langfristig schaden könnte. Lühmann hat beobachtet, dass sich auch Teile der Gesellschaft in Richtung rechts verschoben haben, Tabus nicht mehr gelten. „Ich habe das Gefühl, dass da ein bisschen die Haltekräfte der Demokratie ins Rutschen gekommen sind. Was Höcke oder der Chef der Brandenburger AfD, Andreas Kalbitz, heute sagen, hätte noch vor fünf Jahren nicht funktioniert.“

    Die Radikalisierung werde in manchen Regionen Deutschlands mit Befremden aufgenommen, in anderen falle sie auf fruchtbaren Boden. Dieses Phänomen als Ost-West-Gegensatz zu konstruieren oder die Gleichung aufzustellen, dass dort die AfD stark ist, wo es den Menschen wirtschaftlich schlecht geht, hält Lühmann für zu einfach: „Mein Lieblingsbeispiel dafür, dass dieses Muster nicht stimmt, ist das wirtschaftlich weit schlechter als Chemnitz gestellte Rostock. Dort kam die AfD bei den letzten Wahlen auf 12,8 Prozent, in

    Manfred Güllner sieht eine Mitverantwortung von SPD und CDU

    Der Demoskop Güllner pocht darauf, dass gerade die CDU und die SPD nicht aus der Verantwortung entlassen werden dürften, wenn es um die Erfolge der AfD geht. Schließlich hätten diese Parteien der „Entfremdung zwischen Politik und Bürgern“ über viele Jahre kaum etwas entgegengesetzt. Im Übrigen werde gerne unterschlagen, dass der Rückgang von

    Was muss sich ändern, damit es bei dieser Diagnose bleibt? Lühmann hofft darauf, dass im Osten 30 Jahre nach der Wende endlich offen die Aufarbeitung beginnt: „Man müsste mal darüber reden, wo kommen wir her, was haben wir eigentlich 1990 gewollt und was ist dann tatsächlich passiert? Das wird ein schmerzhafter Prozess, keine Frage.“ Dass diese Debatte nur im Osten gestartet werden könne, liege an den Ressentiments, die es dort gegenüber den „Besser-Wessis“ unverändert gebe. Für Lühmann ist sie unerlässlich, um mit den „Lebenslügen“ zu brechen, die vielen Ostdeutschen die Möglichkeit geben würden, die Schuldigen für ihre Situation oft bei anderen zu suchen. Ein Verhaltensmuster, das die AfD virtuos zu nutzen wisse.

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