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Analyse: Warum Scholz die letzte Hoffnung der SPD ist

Analyse

Warum Scholz die letzte Hoffnung der SPD ist

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    Olaf Scholz (SPD), Finanzminister, hat das Rennen um den Parteivorsitz verloren. Nun zieht er doch noch an den beiden Vorsitzenden Walter-Borjans und Esken vorbei.
    Olaf Scholz (SPD), Finanzminister, hat das Rennen um den Parteivorsitz verloren. Nun zieht er doch noch an den beiden Vorsitzenden Walter-Borjans und Esken vorbei. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    An einem jedenfalls fehlt es Olaf Scholz und seiner SPD nicht: an Luft nach oben. Bei Umfragewerten von 15 Prozent für die Partei kann der frisch gekürte Kanzlerkandidat fast nur gewinnen. Ob es im Herbst 2021 zu einem Wahlsieg reicht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Zwei Umständen verdankt der Bundesfinanzminister seine Aufstellung, die zu Jahresbeginn noch völlig unwahrscheinlich erschien: der Corona-Krise und dem schwachen Zustand seiner Partei. Scholz ist in beiden Krisen die Rolle des Retters zugedacht. Während die Pandemie schicksalhafte Züge trägt, ist die Misere der Sozialdemokratie von den Genossen selbst verschuldet.

    In ihrem Bestreben, so viele gesellschaftliche Minderheiten wie möglich zu berücksichtigen, verlor die SPD die arbeitende Mitte aus dem Blick und dabei ihren Status als Volkspartei. Das sozialdemokratische Versprechen vom Aufstieg durch Bildung und harte Anstrengung geriet in den Hintergrund. Mit der erfolgreichen Vergangenheit sozialdemokratischer Bundesregierungen brachen die Genossen von heute gnadenlos. Vor allem Gerhard Schröder, der bislang letzte SPD-Kanzler, ist in den eigenen Reihen verhasst wegen seiner Sozialreformen. Doch bei ihrer pauschalen Forderung „Hartz IV überwinden“ vergessen gerade jüngere SPD-Mitglieder, dass Schröder auch die Grundlage für eine lange Phase wirtschaftlichen Wachstums gelegt hat. Dadurch stiegen die Staatseinnahmen und viele soziale Wohltaten wurden möglich. Die Grundrente ist nur das jüngste Beispiel.

    Die SPD redet sich selbst schlecht

    Zum für viele Wähler abschreckenden Hadern mit dem eigenen Erbe kam erschwerend der Umstand, dass mit Angela Merkel eine Kanzlerin auf den Plan trat, die die Union immer weiter nach links rückte und der SPD Show und Stimmen stahl. Es blieb die undankbare Rolle des Juniorpartners. Dass dies keinem gefiel, ist verständlich. So überrascht auch der Widerwille nicht, mit dem die Partei sich dann nach der letzten Bundestagswahl doch wieder in die Zweckehe mit der Union quälte. Ein großer Teil der Partei hätte es vorgezogen, sich in der Opposition zu erneuern. Allerdings steht in den Sternen, ob das wirklich den Erfolg zurückgebracht hätte. Wer eine Partei wählt, will auch, dass sie regiert, so naiv zu erwarten, dass dies ohne Partner geht, ist niemand. Das Beispiel der FDP zeigt, dass die Bürger es nicht schätzen, wenn eine Partei sich aus der Verantwortung stiehlt.

    So wurde die SPD in dieser Legislaturperiode endgültig zur schizophrenen Partei: Regierung und Opposition zugleich. Zahlreiche sozialdemokratische Herzenswünsche konnten erfüllt werden, ohne dass dies auf das Konto der Partei einzahlte. Betont wurde stets nur der vermeintliche Mangel, dass sich die reine Lehre in der Großen Koalition nicht durchsetzen ließ. Innerlich tief zerrissen, verschliss die Partei einen Vorsitzenden nach dem anderen. Mit Peer Steinbrück und Martin Schulz schickte sie zwei glücklose Kanzlerkandidaten ins Rennen und scheiterte. Nach dem 20,5-Prozent-Debakel mit Schulz sollte Andrea Nahles als erste Frau an der Spitze endlich das Ruder herumreißen. Doch auch sie verzweifelte an den Ränkespielen und der mangelnden Unterstützung ihrer Genossen. Entnervt und tief enttäuscht warf sie das Handtuch.

    Olaf Scholz wurde von den eigenen Parteifreunden gedemütigt

    Was folgte, war nicht etwa ein Moment der Erkenntnis und Besinnung. Sondern eine Phase, in der für weite Teile der Bevölkerung endgültig der Eindruck entstand, dass die SPD sich am liebsten mit sich selbst beschäftigt. Eine Doppelspitze nach dem Muster der in Umfragen enteilten Grünen sollte her. Das innerparteiliche Ringen auf zahlreichen Regionalkonferenzen hinterließ tiefe Wunden und Verletzungen. Olaf Scholz, der als Vizekanzler und Bundesfinanzminister in der Bevölkerung hochgeschätzt wird, wurde von den eigenen Parteifreunden gedemütigt und verschmäht. Das Rennen machte das linke Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Als Königsmacher wirkte der ehrgeizige Juso-Chef Kevin Kühnert, der unablässig gegen GroKo und Scholz vom Leder zog.

    Selbst der Parteilinke Kevin Kühnert steuert um

    Hätten sich nun die Umfragewerte der Partei auch nur minimal verbessert, hätten die tonangebenden SPD-Linken einen Kanzlerkandidaten aus ihren Reihen bestimmt. Doch nichts deutete auf eine Trendwende hin, die SPD blieb Kellerkind. Schließlich erkannte selbst ein Kevin Kühnert, dass Scholz mit weitem Abstand die besten Aussichten hat, einen weiteren Absturz zu verhindern. Der Bundesfinanzminister hatte seine tiefe Enttäuschung hinuntergeschluckt und einfach weiterregiert. Dann kam Corona. Scholz profilierte sich als Krisenmanager, seine gerade in den eigenen Reihen kritisierte Ausgabendisziplin konnte er aufgeben. Mit immer neuen Hilfsmilliarden findet er plötzlich auch den Beifall der Linken in den eigenen Reihen.

    Schon jetzt wird deutlich, dass die SPD endlich offensiv ihren Anteil an der erfolgreichen Regierungsarbeit Angela Merkels reklamiert. Die Langzeit-Kanzlerin hat es nicht geschafft, ihre eigene Nachfolge zu regeln. Viele Bürger dürften ihren Vize deutlich stärker in der Tradition Merkels sehen als ihre langjährigen unionsinternen Kritiker Friedrich Merz oder Markus Söder. Armin Laschet macht im Corona-Krisenmanagement nicht die beste Figur. Auch dem Philosophen Robert Habeck von den Grünen muss vor dem direkten Vergleich mit Scholz durchaus bange sein.

    Zunächst muss Olaf Scholz den Wirecard-Skandal überstehen

    Nun muss der Finanzminister den Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard schadlos überstehen. Hält die SPD im Wahlkampf ein Mindestmaß an Geschlossenheit aufrecht, kann sie mit Scholz als Galionsfigur zumindest den eigenen Niedergang stoppen. Zu einem Wahlergebnis, das einen Regierungsanspruch begründet, ist es jedoch ein weiter, weiter Weg.

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