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Analyse: Wagenknechts Sammelsurium

Analyse

Wagenknechts Sammelsurium

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    Schwungvoll die Treppe hinauf zur Pressekonferenz: Sahra Wagenknecht hat die linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“ ins Leben gerufen.  	 	<b>Foto: Sean Gallup, dpa</b>
    Schwungvoll die Treppe hinauf zur Pressekonferenz: Sahra Wagenknecht hat die linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“ ins Leben gerufen. <b>Foto: Sean Gallup, dpa</b> Foto: Sean Gallup, dpa

    Berlin So richtig rund läuft der Start der linken Sammlungsbewegung nicht. So muss das Logo „#Aufstehen“ abgespeckt werden, weil die österreichische Kampagnenorganisation „#aufstehn“ sich über Verwechselungsgefahr beschwert hat. „Wir haben tatsächlich übersehen, dass es in Österreich eine solche Bewegung schon gab“, räumt Sahra Wagenknecht ein. Der Hashtag fällt jetzt weg. Das sei aber auch nicht so wichtig, sagt die Linksfraktions-Chefin. Was Wagenknecht wichtig ist, sagt sie vielleicht am deutlichsten mit diesem Satz: „Ich bin es leid, die Straße Pegida und den Rechten zu überlassen.“

    Die Idee „Aufstehen“ will diejenigen nicht länger den Rechten überlassen, die sich von der Politik abgewendet haben. So soll wieder eine linke Mehrheit organisiert werden, die Wahlsiege einfahren und Regierungen bilden kann. „Weil die Probleme sich auf den eingefahrenen Gleisen nicht mehr lösen lassen, bedarf es eines Aufbruchs“, heißt es im fünfseitigen Gründungsdokument.

    Die Erfinder Die Idee der Sammlungsbewegung kommt von Wagenknecht und ihrem Mann Oskar Lafontaine, der früher mal Vorsitzender der Linken und noch früher SPD-Chef war. Vielen in der

    Weitere Protagonisten Lafontaine ist bei der Vorstellung der Bewegung nicht dabei. Stattdessen sitzen der frühere Grünen-Chef Ludger Volmer und die Flensburger SPD-Bürgermeisterin Simone Lange auf dem Podium. Volmer sieht sich selbst als „Noch-Grünen“ und Lange macht Front gegen die SPD-Spitze. Bei der Vorstandswahl im April trat sie gegen Andrea Nahles an und erzielte einen Achtungserfolg. Die beiden zählen also eher zur innerparteilichen Opposition. Dann sind da noch der Theatermann Bernd Stegemann und der Kommunikationsexperte Hans Albers. Die Bewegung soll zwar die Parteien mitziehen, aber keine reine Politiker-Veranstaltung sein.

    Die Mitglieder Um beizutreten, benötigt man ein Handy oder einen Computer sowie eine gute Minute Zeit. Unter aufstehen.de klickt man auf „Werde Teil der Bewegung“ und gibt Namen und E-Mail-Adresse an. Alle anderen Angaben sind freiwillig. In einem Monat – von Anfang August bis Dienstagmorgen – hat die Bewegung so 101741 Mitglieder gesammelt, deutlich mehr als Linke oder Grüne Mitglieder haben. Die Gültigkeit der E-Mail-Adressen sei überprüft, doppelte Registrierungen seien aussortiert worden. Trotzdem bezweifeln Kritiker, dass es sich durchweg um Unterstützer handelt – oder beispielsweise um Journalisten und andere Neugierige. Beiträge müssen die Mitglieder bei „Aufstehen“ übrigens nicht zahlen.

    Das Programm Der Gründungsaufruf bietet bisher noch nicht viel mehr als Überschriften, die von Anhängern aller drei linken Parteien problemlos getragen werden können: Privatisierungen stoppen, exzellente Bildung für alle, mehr Unabhängigkeit von den USA. Auf schwierige Streitfragen im linken Lager gibt es keine Antworten. Soll die Bundeswehr weiter in Auslandseinsätze geschickt werden? Welche Flüchtlingspolitik will man? Wie geht man mit Russland um? Der Aufruf soll lediglich die Grundlage für eine Diskussion über das Bewegungsprogramm sein.

    Die Organisation Das ist eins der größten Probleme: Es gibt sie noch nicht so richtig. „Aufstehen“ ist zwar als Verein eingetragen. Für hauptamtliche Mitarbeiter hat die Bewegung aber kein Geld und bittet um Spenden.

    Das Ziel Durch außerparlamentarischen Druck zu linken Mehrheiten in Deutschland zu kommen. Die Gründung einer eigenen Partei ist bisher nicht geplant, wird aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

    Die Chancen Sympathien für die Sammlungsbewegung in der Bevölkerung sind durchaus vorhanden. Jeder vierte Deutsche könnte sich nach einer Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Funke-Mediengruppe vorstellen, „Aufstehen“ zu wählen, wenn sie bei einer Wahl anträte.

    Die Risiken Sammeln kann spalten. Das hat Wagenknecht bereits deutlich zu spüren bekommen. Aus den Parteiführungen der SPD, der Linken und der Grünen kommt überwiegend Kritik. Applaus kommt von der Seite, von der er am wenigsten erwünscht ist. AfD-Parteichef Alexander Gauland sagte, er traue „Aufstehen“ eine wichtige politische Rolle in Deutschland zu. Die Initiative habe „die Chance, parteipolitische Schützengräben zu überwinden, und könnte damit im politischen Diskurs auch von linker Seite endlich wieder Impulse in der sachlichen Auseinandersetzung liefern“, sagte Gauland laut einer AfD-Mitteilung. Michael Fischer, dpa

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