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Analyse: Trump will bis Ende der Woche eine Ginsburg-Nachfolgerin nominieren

Analyse

Trump will bis Ende der Woche eine Ginsburg-Nachfolgerin nominieren

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    Menschen versammeln sich vor dem Obersten Gerichtshof der USA in Washington, um ihren Respekt für die Richterin Ruth Bader Ginsburg zu zeigen, die am Freitag gestorben ist.
    Menschen versammeln sich vor dem Obersten Gerichtshof der USA in Washington, um ihren Respekt für die Richterin Ruth Bader Ginsburg zu zeigen, die am Freitag gestorben ist. Foto: J. Scott Applewhite, dpa

    Das schwarze T-Shirt ist selbstverständlich „proudly made in the USA“. Auf der Webseite mit den Werbeartikeln der Trump-Kampagne hat es sich auf den ersten Platz geschoben. Es zeigt die Silhouette des Supreme Courts und fordert „Fill that Seat!“– eine rasche Neubesetzung des Stuhls der verstorbenen Richterin Ruth Bader Ginsburg. Für 30 Dollar können die Amerikaner den Kampf um ihr höchstes Gericht auf die Straße tragen. Dabei ist die bekannteste Juristin und Frauenrechtlerin des Landes erst am Freitagabend nach einer langjährigen Krebserkrankung im Alter von 87 Jahren gestorben. Am Dienstag soll Ginsburg für zwei Tage im Supreme Court aufgebahrt werden. Schon am Freitag oder Samstag will der Präsident die Nachfolgerin vorstellen. Seither legen täglich tausende ihrer Anhänger unten an der Absperrung des Verfassungsgerichts Blumen, Bilder und Botschaften ab.

    Selten zeigen sich Triumph und Trauer so dicht beieinander. Im vier Kilometer entfernten Weißen Haus kann Donald Trump sein Glück kaum fassen und tut alles, um den Wahlkampf von seinen Fehlern bei der Corona-Bekämpfung und dem aktuellen Wirtschaftseinbruch abzulenken. „Ohne Verzögerung“ werde er die Nachfolge von Ginsburg regeln, kündigt er an, und verspricht: „Es wird eine Frau sein.“ Selbstverständlich wird es eine Konservative sein, die die Träume seiner Basis von strikten Abtreibungsgesetzen, laxem Waffenrecht und einer Abschaffung der Gesundheitsversicherung Obamacare beflügelt. Das linksliberale Amerika ist hingegen geschockt, aber auch empört. „Respektiert ihren letzten Willen!“ steht auf Plakaten vor dem Gerichtsgebäude, und: „Das werden wir nicht vergessen!“

    Eine Turbo-Neubesetzung verstieße gegen gleich zwei Tabus

    Trump und sein eiserner Exekutor Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, verstoßen mit der Turbo-Neubesetzung des politisch bedeutsamen Postens nur 40 Tage vor der Wahl nämlich gleich gegen zwei Tabus. Zum einen hatte Ginsburg kurz vor ihrem Tod darum gebeten, die Personalie erst nach der Wahl zu entscheiden. Zum anderen hatte McConnell 2016 in einer ähnlichen Situation elf Monate lang die Bestätigung eines Obama-Kandidaten für den Supreme Court verhindert – angeblich weil er dem Wählerwillen nicht vorgreifen wollte.

    „Diese Nominierung durch den Senat durchzudrücken, würde bedeuten, rohe politische Gewalt auszuüben“, protestiert der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden. Doch es hilft nichts: In der aktuellen Lage haben die Demokraten wenig Möglichkeiten, den drohenden Durchmarsch der Konservativen am obersten Gerichtshof zu verhindern. Der Präsident braucht für die Personalie nämlich nur die Bestätigung des Senats, und dort halten die Republikaner eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze.

    Die Demokraten werden die Trump-Kandidatinnen durchleuchten

    Zwei Bewerberinnen gelten derzeit als Favoriten: die 48-jährige Amy Coney Barrett, die als entschiedene Abtreibungsgegnerin punkten könnte, und die 52-jährige Barbara Lagoa, die die erste Latina am Supreme Court wäre. Wenn der Präsident seine Wahl getroffen hat, hängt alles vom Senat ab. Die Anhörung im Justizausschuss dürfte hitzig werden. Die Demokraten werden alles tun, um problematische Details im Lebenslauf oder früheren Urteilssprüchen der Kandidatin zutage zu fördern. Es bräuchte aber vier republikanische Gegenstimmen, um Trumps Kandidatin zu verhindern.

    Grundsätzlich, da sind sich die Beobachter einig, mobilisiert die Aussicht auf eine dauerhafte rechte Gerichtsmehrheit die Trump-Basis enorm. Republikanische Senatoren aus konservativen Regionen haben schon angekündigt, dass sie auf jeden Fall für die Last-Minute-Besetzung stimmen werden. Heikler ist die Lage für Senatoren, die aus Staaten mit wechselnden politischen Mehrheiten kommen. Dort könnte die Unterstützung der Gewichtsverlagerung am Supreme Court mit der Aussicht auf eine Einschränkung des Abtreibungsrechts und eine Zerstörung von Obamacare vor allem moderatere Wählerinnen in den Vorstädten verschrecken.

    Entsprechend haben die Senatorinnen Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska erklärt, dass sie eine Entscheidung vor der Wahl ablehnen. Doch das sind erst zwei potenzielle Nein-Stimmen – noch dazu von Politikerinnen, die sich in der Vergangenheit wiederholt durch große Ankündigungen und kleinlautes Einlenken hervorgetan haben. Ernst muss Trump den Widerstand erst nehmen, wenn sich die Senatoren Mit Romney, Chuck Grassley und Cory Gardner auf ein „Nein“ festlegen. Doch bislang schweigen diese eisern.

    Der linke Flügel der Demokraten droht damit, den Supreme Court aufzustocken

    Derweil suchen die Demokraten nach Möglichkeiten, Druck auf die Senatsmehrheit auszuüben. „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, drohte Minderheitsführer Chuck Schumer. Dahinter verbirgt sich die Andeutung, im Falle eines Machtwechsels nach dem 3. November eine personelle Aufstockung des Supreme Courts zu beschließen und so viele neue Richter zu berufen, bis die konservative Mehrheit neutralisiert ist. Unter dem Slogan „Flood the Court“ (Flutet das Gericht) machen Parteilinke derzeit massiv Druck in diese Richtung. Biden steht dem Vorhaben kritisch gegenüber. Es wäre letztlich das Ende der Gewaltenteilung in den USA.

    Ob die Demokraten so weit gehen würden, ist unklar. „Der Kampf hat erst begonnen“, rief die linke Senatorin Elizabeth Warren am Samstagabend den tausend Menschen zu, die sich zum stillen Gedenken an Ruth Bader Ginsburg vor dem Supreme Court versammelt hatten.

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