Es ist ein bisschen zum Verzweifeln. Kaum kommt die Meldung, dass die „unheilvolle Fehlerkultur“ im Kommando Spezialkräfte (KSK) unter Kontrolle sein soll, platzt eine Bombe an einer ganz anderen, dennoch irgendwie auch verwandten Ecke: Am Donnerstag meldeten die Agenturen, dass das Spezialeinsatzkommando (SEK) des Frankfurter Polizeipräsidiums wegen rechtsextremer Chats aufgelöst wird. Der zuständige hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) hat also – was diese Einheit betrifft – die Hoffnung aufgegeben, die Fehlerkultur in den bestehenden Strukturen erfolgreich bekämpfen zu können.
„Es kann dort nichts bleiben, wie es bislang war“, sagte Beuth mit einem bitteren Unterton in der Stimme. Es solle „ein grundlegend organisatorischer Umbau“ erfolgen, schob er nach. Denn klar ist, dass die Polizei nicht ohne spezielle Truppen auskommt, die in der Lage sind, technisch und organisatorisch bestens aufgestellte Kriminelle zumindest in die Schranken zu weisen. Dazu benötigt man körperlich und geistig fitte Männer und Frauen. Umso schlimmer ist, dass sich unter dieser Einheit, also der Elite des hessischen Polizeibetriebes, offensichtlich nicht wenige Rechtsextreme tummeln. Ermittelt wird aktuell gegen insgesamt 19 Beamte im aktiven Dienst und einen ehemaligen Polizisten des SEK. 17 von ihnen sollen untereinander Beiträge mit volksverhetzenden Inhalten beziehungsweise Abbildungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation geteilt haben. Laut Staatsanwaltschaft Frankfurt wurden unter anderem Hitler-Bilder und Hakenkreuze ausgetauscht. Drei der Beschuldigten sind Vorgesetzte, die nicht eingeschritten sein sollen. Den Verdächtigen wurde die Ausübung ihres Dienstes untersagt, einer wurde zudem suspendiert.
Experte Dirk Laabs befürwortet einen harten Schnitt
Was hat das alles mit dem KSK zu tun? Direkt nichts, indirekt einiges. Kenner der Szene wie der Autor und Filmemacher Dirk Laabs dürften sich bestätigt fühlen. Der Terrorismus-Experte Laabs hatte in seinem Buch „Staatsfeinde in Uniform“ minutiös herausgearbeitet, wie die abgeschlossenen Strukturen und ein abgehobener männerbündlerischer Korpsgeist in den Sondereinheiten bei der Polizei und den Streitkräften rechtsextremen Umtrieben zugutekommen. Laabs plädierte vor einigen Wochen im Gespräch mit unserer Redaktion für eine klare Zäsur: „Wir brauchen einen kompletten Neustart. Das KSK sollte aufgelöst werden.
Ein Untersuchungsausschuss über disziplinarische Missstände und rechtsradikale Tendenzen bei der Einheit hatte bereits 1998 haarsträubende Zustände ans Licht gebracht. Doch geschehen ist nichts. Die Selbstreinigung funktioniert nicht.“ Doch die zuständige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat sich anders entschieden. Das mag nicht zuletzt auch daran liegen, dass das 1996 gegründete KSK mit seinen knapp 1600 Männern sowie einigen Frauen, die organisatorische Aufgaben wahrnehmen, international als gut ausgebildet und schlagkräftig gilt. Eigentlich geschaffen für spezielle Aktionen und Befreiungskommandos, war die Einheit immer wieder als Kampftruppe der Bundeswehr in Afghanistan gefordert – derzeit soll sie den militärisch heiklen Rückzug aus dem Kriegsland vor Ort absichern. Kramp-Karrenbauer hat immerhin die zweite Kompanie des Kommandos geschlossen, der generelle Bestand des KSK dürfte allerdings derzeit nicht infrage stehen.
Im Mai 2020 wurde in Sachsen ein mit Sprengstoff, Schusswaffen und Munition prall gefülltes Waffendepot im Garten eines 46-jährigen KSK-Soldaten entdeckt. Aktenkundig sind zudem Vorfälle wie das Zeigen des Hitlergrußes bei einem Saufgelage und, dass KSK-Soldaten in rechtsextremen Netzwerken auftauchten. Zudem beschäftigte eine eigenwillige Amnestie-Aktion die Öffentlichkeit: Der KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr, der eigens geholt wurde, um die rechtsextremen Vorfälle zu bekämpfen, soll seinen Soldaten von März bis Mai 2020 die Möglichkeit eingeräumt haben, über Jahre gehortete, also letztlich gestohlene Munition diskret abzugeben.
Das KSK soll sich öffnen
Jetzt soll alles besser werden. Das KSK soll sich, soweit aus militärischem Kalkül möglich, öffnen. 50 neue Dienstposten wurden geschaffen, um die Führung zu straffen, auch Psychologen wurden eingestellt, um Fehlentwicklungen rechtzeitig in den Griff zu bekommen.
Die Frage ist, ob das reicht. Die wehrpolitische Expertin der FDP im Bundestag, Marie Strack-Zimmermann, will weitere Schritte sehen. Sie fordert, Spezialkräfte der Bundeswehr in eine Strukturreform einzubeziehen. Sie sollen als strategisches Element nah an der Führung sein. „Man muss Spezialkräfte aus ihrem Nischendasein befreien. Sie können ein sehr wirkungsvolles militärisches Mittel sein“, sagte sie.
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