Kurz vor Schließung der Wahllokale in Thüringen färbte sich der Himmel über Berlin tiefrot. Es war, als ob der Wettergott den Volksparteien SPD und CDU schon einmal einen Wink geben wollte. Nach 18 Uhr, als die ersten Prognosen über die Bildschirme flackerten, war dann jedem klar, was das Rot über Berlin zu bedeuten hatte: Die Linkspartei hatte in Thüringen mit deutlichem Vorsprung vor CDU und SPD gewonnen. Doch nicht nur für die beiden ehemaligen Schwergewichte im Parteienspektrum war es ein bitterer Abend. Die Grünen konnten in Thüringen nicht vom bundesweiten Höhenflug profitieren. Selbst mit der FDP reicht es für die Parteien der Mitte nicht, überhaupt eine Regierungsmehrheit zusammenzubringen.
Die Linke ist stolz auf ihr Ergebnis in Thüringen
In der Parteizentrale der Linken war der Jubel grenzenlos. Der sonst eher zurückhaltende Parteichef Bernd Riexinger kam aus dem Grinsen nicht heraus und wertete den Wahlerfolg als Belohnung dafür, dass die Linken in Thüringen „einen klaren Kurs für soziale Gerechtigkeit“ gefahren hätten. „Bodo Ramelow hat einen klaren Regierungsauftrag erhalten“, sagte Riexinger. Die Partei werde jetzt auf dem begonnenen Weg weitermachen – „Gewerkschaften stärken und Flächentarifverträge zur Normalität machen“. Für Riexinger hat der Sieg eine besondere Bedeutung: „Wir haben im Osten wieder eine Wahl gewonnen, das wird die ganze Bundespartei stärken.“
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow selbst gab sich kämpferisch – obwohl er um die Tücken der Regierungsbildung weiß. Seine rot-rot-grüne Koalition hat trotz des Rekordergebnisses für die Linke keine Mehrheit mehr. „Der Regierungsauftrag ist ganz eindeutig bei meiner Partei. Ich werde den Auftrag auch annehmen“, sagte er am Abend. Dass die AfD ihr Ergebnis in seinem Bundesland verdoppeln konnte, versuchte der Regierungschef kleinzureden. Immerhin 76 Prozent der Wähler hätten die Partei nicht gewählt. Von einem Regierungsauftrag sei AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke „weit entfernt“.
Die CDU verliert im Vergleich zur letzten Thüringen-Wahl rund ein Drittel der Stimmen
Im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale im Herzen der Hauptstadt, blieb hingegen manchem Christdemokraten die am Buffet angebotene Thüringer Bratwurst im Halse stecken: CDU-Landeschef Mike Mohring hatte als Hoffnungsträger den Schwung aus den Umfragen nicht über die Ziellinie retten können und im Vergleich zur letzten Wahl sogar noch rund ein Drittel der Stimmen verloren.
Für die CDU und ihre Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist das Ergebnis ein Desaster. AKK ist ohnehin schon angeschlagen, der Stimmverlust von 33,5 Prozent in 2014 auf etwa 22 Prozent in diesem Jahr schwächt ihre Position weiter. Für Kramp-Karrenbauer kommt erschwerend dazu, dass sich ihre Partei sogar der Linkspartei und der AfD geschlagen geben musste, nachdem die CDU bei der letzten Wahl immerhin noch stärkste Partei geworden war – auch wenn es dann anschließend nicht zur Regierungsbeteiligung reichte und mit Bodo Ramelow dank der SPD ein Linker Landeschef wurde.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach von einem „bitteren Tag“ für die CDU und betonte, es werde „keine Koalition der CDU mit der Linkspartei oder der AfD geben“. Allerdings schloss Thüringens CDU-Vorsitzender Mike Mohring am Montag eine Zusammenarbeit mit den Linken nicht aus. Schuldzuweisungen vermied Ziemiak erwartungsgemäß, doch hinter den Kulissen grummelte es gewaltig. „Natürlich ist die Syrien-Sache mit schuld“, sagte ein langgedienter christdemokratischer Abgeordneter. Er spielte damit auf Kramp-Karrenbauers Vorschlag zur Einrichtung einer Schutzzone in Syrien an, für den die Verteidigungsministerin wegen Form und Inhalt viel Kritik einstecken musste.
Für die SPD kam es ähnlich dick wie für die Union. Die Sozialdemokraten mussten ebenfalls ein Drittel der Stimmen abgeben. Bundesfinanzminister Olaf Scholz bedauerte das enttäuschende Ergebnis mit betretener Miene. „Das Ergebnis ist nicht schön“, sagte er mit leiser Stimme. Was das schwache Abschneiden mit der Großen Koalition im Bund zu tun habe, wollte er nicht beantworten. Scholz schloss aus, dass die AfD an der Regierung beteiligt wird. „Die AfD gehört nicht in eine Regierung.“
Die Grünen müssen in Thüringen sogar zittern
Auch Grünen-Chef Robert Habeck zeigte sich angesichts des mageren Abschneidens seiner Partei sichtlich enttäuscht. Zu einer möglichen Regierungsbeteiligung wollte er sich nicht äußern, plädierte im ZDF aber dafür, „die Ausschließeritis“ unter den demokratischen Parteien zu beenden. FDP-Chef Christian Lindner näherte sich dem an und erklärte, die Liberalen seien „in der Sache immer gesprächsbereit“. Eine Koalition mit der Linkspartei schloss Lindner im ZDF aus, nicht aber die Tolerierung einer Minderheitsregierung.
Die AfD konnte nach der Verdoppelung ihres Ergebnisses vor Kraft kaum laufen. Parteisprecher Jörg Meuthen erklärte, er sei mit dem Ergebnis „hochzufrieden“. Seine Partei habe ihre Ziele „nun wirklich durch und durch erreicht“. Meuthen sprach von „ehemaligen Volksparteien im Niedergang“ und verwies darauf, dass CDU und SPD zusammen nur noch 30 Prozent geholt hätten. Der Wahlerfolg seiner Partei sei ein „Aufstieg der AfD im bürgerlichen Lager“. Höcke erklärte: „Die Thüringer haben heute die Wende 2.0 gewählt.“
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