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Analyse: Sterbehilfe ist in Deutschland ein politisches Trauerspiel

Analyse

Sterbehilfe ist in Deutschland ein politisches Trauerspiel

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    Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht erlaubt.
    Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht erlaubt. Foto: Sebastian Kahnert, zb/dpa

    Kaum eine Debatte rührt so an den innersten Werten der Gesellschaft wie das seit Jahren andauernde Ringen der Politik um die Sterbehilfe. Es ist unvergessen, wie der studierte evangelische Pfarrer und CDU-Spitzenpolitiker Peter Hintze in der großen Bundestagsdebatte 2015 vergeblich für die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids kämpfte. Schon damals war bei dem engen Vertrauten von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine todbringende Krebserkrankung diagnostiziert worden, der er nur ein Jahr später erlag. Auf der einen Seite steht der Wunsch nach persönlicher Freiheit und einem selbstbestimmten Sterben. Auf der anderen Seite steht die ethische Sorge vor einer Gesellschaft, die alte und kranke Menschen zum Suizid drängt.

    Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten

    Die von Fraktionszwängen befreite Abstimmung von 2015 sollte eigentlich eine politische Lösung der Streitfrage bringen, doch das Bundesverfassungsgericht kippte den Kompromiss, der ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe vorsah. Die Karlsruher Richter bekräftigten damit das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben. Doch dass die Grundsatzfrage des Erlaubten weiter ungeklärt ist, zeigen die Verfassungsrichter in einem neuen Urteil.

    Ein älteres Ehepaar hatte gleichsam vorsorglich darauf geklagt, im Fall des Falles Zugang zu einem tödlichen Medikament zu bekommen. Das Verfassungsgericht wies die Klage nun als unzulässig ab und verwies auf das Grundsatzurteil zur Sterbehilfe aus dem Februar 2020. Dadurch hätten sich die Möglichkeiten der Kläger wesentlich verbessert, „ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensende zu verwirklichen“. Seither dürfen Sterbehilfe-Vereine wieder praktizieren. Auch Ärzte, die Schwerstkranken ein tödliches Medikament zur Verfügung stellen, müssen keine Strafverfolgung mehr befürchten. Die aktive Sterbehilfe – also die Tötung auf Verlangen – bleibt verboten.

    Juristen bereiten Gesetzentwurf vor: Suizid und Prävention sollen verbunden werden

    Die Ehepartner, Anfang achtzig und Mitte siebzig, hatten unter anderem erklärt, dass nach ihrer langen Ehe keiner ohne den anderen weiterleben wolle. Für ihren geplanten Suizid beantragten sie eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Dort wurde der Antrag 2014 abgelehnt. Gerichte bestätigten die Entscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte dabei aber, dass die Abgabe eines tödlichen Medikaments an schwer oder unheilbar kranke Menschen „in einer extremen Notlage“ zulässig sei. Auf Weisung von Gesundheitsminister Jens Spahn hatte das Bundesinstitut aber selbst solche Anträge abgelehnt, obwohl auch das Bundesverfassungsgericht erklärt hatte, das Recht, selbstbestimmt zu sterben, bestehe „in jeder Phase menschlicher Existenz“.

    In dem neuen Beschluss heißt es nun, das klagende Ehepaar sei „zunächst gehalten, durch aktive Suche nach suizidhilfebereiten Personen im Inland, durch Bemühungen um eine ärztliche Verschreibung des gewünschten Wirkstoffs oder auf anderem geeignetem Weg ihr anerkanntes Recht konkret zu verfolgen“. Dies kann man als Aufforderung zum Weiterklagen verstehen oder als Auftrag an den Bundestag, die Frage gesetzlich zu klären. Neben einer Abgeordnetengruppe haben dazu nun auch Juristen der Universität Halle-Wittenberg, der Münchner LMU und der Uni Augsburg einen Gesetzesentwurf erarbeitet. „Es kommt darauf an, das vom Verfassungsgericht bestätigte Recht auf einen selbstbestimmten Tod mit wirksamen Maßnahmen zur Suizidprävention zu verbinden“, sagt der Augsburger Jura-Professor Josef Franz Lindner. Für die Juristen ist die Frage nach Corona eines der wichtigsten Themen für 2021.

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