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Analyse: So rechts wird Europa

Analyse

So rechts wird Europa

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    Fast konnte man in den letzten Tagen den Eindruck bekommen, als ginge es bei der Europawahl in erster Linie um Rechtspopulisten. Dafür hatte – unfreiwillig allerdings – auch der frühere FPÖ-Parteichef und österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit seinem denkwürdigen Auftritt in dem bereits heute berühmten Ibiza-Video gesorgt. Doch Marine Le Pen zeigte sich von den Turbulenzen um die FPÖ unbeeindruckt: Es gelang ihr, sich bei der EU-Wahl in Frankreich knapp vor Präsident Emmanuel Macron zu setzen. In Italien lag die rechte Lega vorne. Dass die Erfolge rechtspopulistischer Kräfte die „Nichtpopulisten im EU-Parlament zwingen wird, untereinander stärker zu kooperieren“, steht für den Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter seit Sonntagabend fest.

    Für Spannung hatten weitere Fragen gesorgt: Bekommt die nationalkonservative FPÖ eine Quittung für den Skandal und – vor allem – welche Auswirkung hat die Wiener Affäre auf die europäische Rechte, die in den letzten Monaten zur Attacke auf Brüssel geblasen hatte? Frage Nummer eins ist schnell beantwortet: Die FPÖ wurde von den Wählern der Alpenrepublik abgestraft – nicht vernichtend, aber doch deutlich. Die Niederlage zeigt sich nicht so sehr im Vergleich mit dem Ergebnis der Partei bei der Europawahl von 2014. Da hat die FPÖ mit prognostizierten knapp 18 Prozent ein moderates Minus von 2 Prozentpunkten zu verkraften. Doch im Vergleich zu den Nationalratswahlen von 2017 ging es um fast 8,5 Prozentpunkte nach unten. Oberreuter: „Die Partei ist auf ihre Kernwähler reduziert worden, aber sie ist immer noch stark.“

    Etwas schwieriger zu beantworten dürfte die Frage sein, inwieweit die AfD unter dem großen Knall im Nachbarland leiden musste. Mit ihren 10,8 Prozent nach den Prognosen dürfte sie gut leben können. Doch es ist kein Geheimnis, dass die Partei noch vor wenigen Wochen zumindest gehofft hatte, das Resultat der Bundestagswahl 2017, als sie 12,6 Prozent erreichte, zu halten oder gar zu übertreffen. Dass Spitzenkandidat Jörg Meuthen sehr wohl in den letzten Tagen fürchtete, das FPÖ-Desaster könnte ansteckend sein, zeigte sich schon daran, dass er spürbar genervt reagierte, wenn er vor der Wahl auf das Thema angesprochen wurde. Am Wahlabend schließlich räumte der Parteivorsitzende Alexander Gauland in der ARD ein, dass die „Strache-Sache“ der

    Europaweit ist eingetroffen, was an allen Umfragen vor der EU-Wahl abzulesen war: Die rechten Parteien sind weiterhin auf dem Vormarsch. Die Parteien, die bisher auf drei rechtspopulistische und nationalistische Fraktionen verteilt waren, konnten um rund 40 Sitze zulegen. Erst in den nächsten Tagen und Wochen wird sich zeigen, welche Parteien am Ende tatsächlich in die vom Chef der rechtsnationalen italienischen Lega, Matteo Salvini, initiierte vereinigte Rechtsfraktion EAPN eintreten. Doch klar ist: Die Rechte hat ihre Position im EU-Parlament stark ausgebaut. Weniger sicher ist, ob es den äußerst heterogenen Partnern gelingen wird, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Bisher beharkten sich die drei kleineren Rechtsfraktionen in Brüssel oft verbissen.

    Viele Augen richteten sich am Sonntagabend auf Paris. Und da setzte sich die rechtspopulistische Partei Rassemblement National von Marine Le Pen nach einer Hochrechnung mit 24,2 Prozent an die Spitze. Die Liste der Regierungspartei La République en Marche (LREM) von Staatschef Emmanuel Macron kam demnach auf lediglich 22,4 Prozent. Le Pen ließ sich am Abend von ihren Anhängern entsprechend frenetisch feiern.

    In Italien triumphierte die Lega: Laut einer Nachwahlbefragung lag die Partei zwischen 27 und 31 Prozent. Innenminister Matteo Salvini könnte so seine Position als Galionsfigur der Rechten in Europa ausbauen. In Ungarn hat die rechtsnationale Fidesz-Partei die Wahl klar für sich entschieden. Die Partei von Ministerpräsident Viktor Orban erhielt 52 Prozent der Stimmen.

    In einem Land, in dem sich rechtspopulistische Strömungen bereits früh in entsprechenden Wahlergebnissen spiegelten, gab es einen Kontrapunkt: Die EU-feindliche nationalkonservative PFD des rechten Hoffnungsträgers Thierry Baudet kam in den Niederlanden nur auf Rang vier mit 11 Prozent. Noch weiter abgeschlagen landete die dezidiert ausländerfeindliche Partei für Freiheit des strohblonden Geert Wilders. In Finnland blieben „Die Finnen“ hinter den Erwartungen zurück. Nach Prognosen war die Partei mit 13,2 Prozent schwächer als Konservative, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale. Auch in Dänemark musste die rechte Dänische Volkspartei klare Verluste hinnehmen.

    Doch gerade die Erfolge rechter Parteien in großen EU-Ländern werden die Union verändern. Heinrich Oberreuter glaubt trotz einiger spektakulärer Erfolge nicht daran, dass es den rechten Parteien gelingt, dauerhaft politische und taktische „Übereinkünfte“ zu erzielen. Dazu sei der Bogen verschiedener Ausrichtungen viel zu weit gespannt. „Das Problem ist jedoch, dass ihre Blockadefähigkeit in Zukunft viel größer sein wird.“

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