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Analyse: Sicherheitsgesetz für Hongkong: Warum Deutschland stärker ist, als es glaubt

Analyse

Sicherheitsgesetz für Hongkong: Warum Deutschland stärker ist, als es glaubt

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer China-Reise im September 2019, hier mit Li Keqiang, Ministerpräsident von China, bei einem Empfang mit militärischen Ehren vor der Großen Halle des Volkes.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer China-Reise im September 2019, hier mit Li Keqiang, Ministerpräsident von China, bei einem Empfang mit militärischen Ehren vor der Großen Halle des Volkes. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Der 30. Juni wird für die Hongkonger als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem ihnen die Freiheit geraubt wurde – und alle dabei zusahen. In Rekordzeit hat die kommunistische Führung in Peking ein Sicherheitsgesetz für Hongkong durchgepeitscht. Am 1. Juli 2020 ist es in Kraft getreten. Offiziell richtet sich das Sicherheitsgesetz gegen subversive, separatistische und terroristische Aktivitäten. Doch was genau darunter zu verstehen ist – das definiert allein Peking und beweist einmal mehr Chinas Willkürherrschaft.

    Was dieses Gesetz zu einer internationalen Angelegenheit macht: Mit dem neuen Gesetz dürfen Polizei und Militär der Volksrepublik unmittelbar in Hongkong stationiert werden und vor Ort eingreifen. Peking hat bereits einen seiner Hardliner für die Leitung dieser neuen Einheit abgestellt. Das stellt ganz klar einen Bruch der „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen Großbritannien und China dar, die Hongkong bis 2047 einen hohen Grad an Autonomie garantierte. Das Gesetz ist insofern nicht nur ein schwerer Schlag für Hongkongs Demokraten, sondern ein Schlag ins Gesicht der Weltgemeinschaft.

    Hongkong: Der Widerstand aus London blieb aus

    Bis 1997 war die Stadt eine britische Kronkolonie. Bei der Übergabe an die Volksrepublik wurde den Hongkongern völkerrechtlich zugesichert, dass Meinungsfreiheit, freie Wahlen und eine unabhängige Justiz für 50 weitere Jahre gewahrt bleiben. Stattdessen wird Hongkong jetzt zum Polizeistaat wie das chinesische Festland. Dass Peking so ungestört vorgehen kann, offenbart zugleich die Schwächen des Westens. Großbritannien wäre der Garant für die Einhaltung von Hongkongs Autonomie gewesen. Doch die Briten waren in den letzten Jahren ausschließlich mit dem Brexit beschäftigt, der Widerstand aus London blieb aus. Die USA haben immerhin erste Sanktionen gegen die Volksrepublik verhängt. Doch die Regierung Trump steht mit der Corona-Misere und rassistischen Übergriffen der Polizei selbst massiv unter Druck.

    Und Deutschland? Wie so häufig, wenn’s unangenehm wird, versteckt sich die Bundesregierung hinter der EU. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich zwar besorgt über die Entwicklungen in Hongkong. Doch zugleich betonte sie, wie „wichtig“ die Beziehungen der EU zu China seien. Sie sprach von „strategischer Bedeutung“. Auf die Frage nach Sanktionen gegen China geht sie ebenso wenig ein, wie auf die Forderungen, mit denen sie in den geplanten China-EU-Gipfel gehen will, der eigentlich unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft im September in Leipzig stattfinden sollte, aber wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde. Er soll noch in diesem Jahr nachgeholt werden.

    Außenminister Maas (SPD) verweist auf eine gemeinsame Reaktion der EU

    Noch schwächer sind die Aussagen von Außenminister Heiko Maas (SPD): Es sei aber wichtig, „dass wir uns als Europäer verhalten und nicht jeder einzelne seinen Weg sucht“. Wieder einmal verweist er auf eine gemeinsame Reaktion der EU, wohl wissend, dass diese wegen innerer Uneinigkeit kaum zustande kommen wird.

    „Die Sprache gegenüber China muss eindeutig klarer werden. Die Verurteilung des Angriffs auf die Autonomie Hongkongs und die Freiheit seiner Bürger muss klar zum Ausdruck kommen“, sagte der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen der Rheinischen Post. China sei in höchstem Maße interessiert an internationaler Reputation. „Wir müssen sicherstellen, dass China zumindest in dieser Währung für seine Unrechtsakte bezahlt. Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, die wir haben, um auf Chinas gegenwärtiges und zukünftiges Verhalten einzuwirken.“ Kein anderes europäisches Land habe auch nur annähernd so intensive und ausgeglichene Wirtschaftsbeziehungen zu China wie Deutschland.

    Tatsächlich unterschätzt die Bundesregierung nicht nur ihr Gewicht in der EU, sondern ihren großen Einfluss, den sie auf die chinesische Führung hat. Immerhin ist China seit vier Jahren in Folge der größte deutsche Handelspartner mit einem Volumen von knapp 200 Milliarden Euro – vor den Niederlanden, den USA oder Frankreich.

    Deutschland und China: Eine gegenseitige Abhängigkeit geschaffen

    Knapp ein Drittel des gesamten Handelsvolumens der EU mit China fällt auf Deutschland. Im Jahr 1980 hatte China noch auf Rang 35 der wichtigsten Importstaaten gelegen, 1990 schon auf Rang 14. Seit 2015 ist die Volksrepublik China der Staat, aus dem die meisten Importe nach Deutschland kommen. 2019 wurden Waren im Wert von 109,7 Milliarden Euro aus China importiert. Peking profitiert also massiv von den offenen Märkten in der EU und Deutschlands. „China sieht Deutschland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch als seinen Schlüsselpartner in Europa“, schreibt das Auswärtige Amt.

    Ohne Maschinen „Made in Germany“ wäre China wirtschaftlich gar nicht so weit gekommen, der weitere Ausbau des Landes würde schnell ins Stocken geraten. Deutsche Unternehmen haben in China über 80 Milliarden Euro investiert. Das hat zwar eine gegenseitige Abhängigkeit geschaffen. Firmen wie Siemens, Volkswagen oder BASF, die besonders viel in China investiert haben, haben genau aus diesem Grund auch wenig Interesse an Sanktionen gegen die Volksrepublik. Die deutschen Unternehmen haben lange Zeit sehr gut von und mit dem China-Geschäft gelebt. Sie tun sich schwer damit, den Geschäftspartner zu verprellen. Doch auch die Hoffnung, dass China nach dem Motto „Wandel durch Handel“ seinen Markt weiter öffnet, wirkt heute zunehmend naiv.

    Und doch schafft diese Abhängigkeit Verhandlungsspielraum. Keinem Staatsoberhaupt wurde auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking so oft der rote Teppich ausgerollt wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Hinzu kommt: China braucht Partner im Westen. Im Wettkampf der Supermächte China und USA ist Europa für Peking überlebenswichtig, der Handelskrieg mit US-Präsident Donald Trump lässt die Schuldenlast Pekings weiter steigen.

    Deutschland sollte klare Kante zeigen

    Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping machte nicht umsonst seinen Willen zur engen Kooperation mit Deutschland und Europa deutlich. In einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel sagte der chinesische Präsident kürzlich, China sei bereit, mit Deutschland und der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, „um die strategische Zusammenarbeit zu stärken, den Multilateralismus aufrechtzuerhalten und globale Herausforderungen anzugehen“.

    Deutschland müsste daher verhandeln: für den Schutz europäischer Investitionen, für fairen Handel, für die Einhaltung der Menschenrechte, für Hongkongs Autonomie. Und zwar mit harten Bandagen. Die Chinesen tun das auch.

    Bleibt Chinas Vorgehen hingegen unbeantwortet, ist nicht nur Hongkong verloren, sondern schon bald auch das de facto unabhängig und demokratisch regierte Taiwan. Auch das wäre ein herber Verlust für die freie Welt. Die deutsche Zurückhaltung wird auch dort mit großer Sorge registriert.

    Nicht zuletzt geht es um die Frage, wie viel sich der Rest der Welt von einem so machthungrigen Regime noch alles bieten lässt. Deutschland sollte da vorangehen und klare Kante zeigen.

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