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Analyse: Kampf um die Krim oder Krieg um Gas?

Analyse

Kampf um die Krim oder Krieg um Gas?

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    Sieht schwarz für das russisch-amerikanische Verhältnis: Ministerpräsident Dmitri Medwedew. 	 	„Die Sanktionen sind als  Gesetz festgeschrieben und werden jahrzehntelang wirken, wenn nicht ein Wunder geschieht.“
    Sieht schwarz für das russisch-amerikanische Verhältnis: Ministerpräsident Dmitri Medwedew. „Die Sanktionen sind als Gesetz festgeschrieben und werden jahrzehntelang wirken, wenn nicht ein Wunder geschieht.“ Foto: Alexander Astafiew, Tass, imago

    Der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt glaubte noch im August 2014, den russischen Präsidenten mit dem Verzehr von Äpfeln beeindrucken zu können: „An apple a day keeps the Putin away!“, sagte der CSU-Politiker auf einer Pressekonferenz – in Anlehnung an das englische Sprichwort, wonach ein Apfel am Tag den Arztbesuch erspart. Ein höherer Konsum heimischer Früchte, so Schmidts Überlegung, könnte die Auswirkung der russischen Gegensanktionen auf die deutsche Landwirtschaft abmildern, die Moskau als Reaktion auf die Sanktionsbeschlüsse des Westens verhängt hat.

    Doch das Geflecht von Sanktionen und Gegensanktionen, das seit der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Februar 2014 entstanden ist, hat bisher weder auf der einen, noch auf der anderen Seite viel bewirkt. In Kreisen der europäischen Wirtschaft wächst seit langem der Unmut über die Handelshemmnisse, die keine erkennbare politische Wirkung hervorrufen. Im Zusammenhang mit dem Wechsel der US-Präsidentschaft von Barack Obama auf Donald Trump war sogar die Hoffnung auf eine Entspannung des Verhältnisses zwischen Moskau und dem Westen aufgekeimt.

    Doch das Gegenteil ist jetzt der Fall: Trump unterzeichnete die von beiden Häusern des US-Kongresses mit großer Mehrheit beschlossenen neuen Sanktionen gegen Russland, die den Kreml auch für seine mutmaßliche Einmischung in den US-Wahlkampf bestrafen sollen. Moskau nimmt den Fehdehandschuh auf: Amerika führe einen „waschechten Handelskrieg“, schrieb der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew gestern anklagend auf Facebook. Obwohl die Sanktionen „sinnlos wie ein Kropf“ seien, werde das in Washington in Gesetzesform gegossene Paket wohl „jahrzehntelang“ in Kraft bleiben, „wenn nicht ein Wunder geschieht“.

    Obwohl Medwedew gerne schon mal große Worte in den Mund nimmt – auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2016 sprach er bereits von einem neuen „Kalten Krieg“, der zwischen Russland und dem Westen drohe –, diesmal könnte er recht behalten. Denn die jetzt beschlossenen Sanktionen können von Trump weder gelockert noch aufgehoben werden – dazu wäre die Zustimmung des Kongresses nötig. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse – in beiden Häusern dominieren die Republikaner – ist damit nicht zu rechnen. Auf der anderen Seite steht realistischerweise nicht zu erwarten, dass Moskau die Krim an die Ukraine zurückgibt, solange Wladimir Putin als Staatschef im Kreml regiert.

    US-Präsident Trump passt die von ihm selbst vollzogene Inkraftsetzung der neuen Sanktionen überhaupt nicht ins Konzept. Offenbar ist er weiter an einer Verbesserung der Beziehungen zu Putin interessiert, mit dem er sich vor wenigen Tagen beim G20-Gipfel in Hamburg nach eigener Aussage gut verstand. Doch hätte er das Sanktionsgesetz nicht freiwillig unterschrieben, hätte der Kongress den Präsidenten umgehen können.

    Trump versucht nun, sein Handeln verbal abzumildern, indem er Putin Honig ums Maul schmiert: „Wir hoffen, es wird zwischen unseren beiden Ländern eine Zusammenarbeit in wichtigeren globalen Themen geben, sodass diese Sanktionen unnötig werden“, schrieb der Präsident in einem Begleittext zu dem Gesetz mit Blick auf Russland. Gestern sprach er in einer Twitter-Notiz von einem „bisher unerreichten Tief“ im Verhältnis mit Moskau, wofür man dem US-Kongress „danken“ müsse.

    Einzig der Kollateralschaden, den die neuen Russland-Sanktionen in der EU auslösen könnten, scheint begrenzbar zu sein. Die

    Käme es dazu, hätten die neuen US-Sanktionen nicht nur Moskau provoziert, sondern auch den Westen gespalten. Seit Tagen wirft die russische Diplomatie den USA wirtschaftliches Eigeninteresse vor: Die Sanktionen dienten auch dazu, in Europa das teurere US-Flüssiggas mit politischen Mitteln im Konkurrenzkampf mit dem günstigeren russischen Pipeline-Gas zu stärken.

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